Zuhause wartet schon dein Henker. Franziska Steinhauer
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Zuhause wartet schon dein Henker - Franziska Steinhauer страница 12
»Ja?«
Ole lauschte, nickte. »Okay. Dann brechen wir hier ab und kommen ins Büro.«
Zu seiner Kollegin gewandt meinte er: »Sven und Lars wollen erstmal alles zusammentragen. Eine Strategie festlegen. Also, auf ins Büro zurück nach Göteborg!«
Eine Stunde später trafen alle fünf im Besprechungsraum zusammen.
»So – hier sind die Bilder vom Tatort.« Bernt pinnte die Fotos an die Stellwand. »Sieht ja sehr dramatisch aus. Eine echte Kreuzigung.«
»Der Rechtsmediziner, Erik Hardberg, meinte, der Mann sei tot oder zumindest bewusstlos auf die Konstruktion geschnürt worden. Auch Björn, der Kollege aus Hummelgaard, erzählte, niemals hätte sich Arne Mommsen kampflos so drapieren lassen«, fasste Lars zusammen.
»Obduktion ist morgen um 8 Uhr«, wusste Bernt.
»Das Holzkreuz sieht ziemlich massig aus. Wie ist das in den Garten transportiert worden?« Ole trat näher an die Bilder heran, kniff die Augen zusammen, um mehr Details erkennen zu können. »Könnte es sein, dass es zerlegbar ist? Ihr wisst schon, wie diese Untersetzer. Man hat zwei Holzstücke und wenn man sie über Kreuz zusammenbaut, wird ein stabiler, breiter Topfuntersetzer draus. Zum platzsparenden Wegräumen nimmt man das Ding einfach wieder auseinander.«
»Die Spurensicherung war noch da, als wir gingen. Gibt es einen ersten Bericht?«, fragte Knyst und sah Bernt an. Der schüttelte den Kopf.
»Gut – also selbst wenn man es zusammenstecken konnte, mussten ja doch zwei große Holzbalken in den Garten getragen werden. Die sind schwer, vielleicht brauchte es gar die Kraft von zwei Leuten.« Lundquist klang ungeduldig.
»Das wäre doch sicher jemandem aufgefallen.« Britta gähnte, lächelte entschuldigend in die Runde. »Kurze Nacht gehabt.«
»Nicht unbedingt. Angenommen, es wurden irgendwelche Holzarbeiten am Haus durchgeführt. Dann war es doch ein Leichtes, die Balken abzulegen, um sie später zu nutzen. Oder man hat dieses Kreuz ursprünglich für einen ganz speziellen Kontext gebaut. Eine Spendenaktion zum Beispiel. Ulrika weiß das bestimmt, wir fragen nach. Wir wissen noch nicht, ob Arne Mommsen heute gestorben ist, weil die Gelegenheit für den Täter günstig schien – oder der Zeitpunkt eine wesentliche Rolle für den Mörder gespielt hat.« Sven klopfte mit den Fingerspitzen auf die Tischplatte. »Bisher hat uns niemand von einem akuten Vorfall berichtet – aber das kann ja morgen schon anders aussehen. Wir haben nur wenige Zeugen von der Liste befragen können. Sicher ist aber wohl, dass der Pfarrer mit dem Rad unterwegs war. Das hat eure Zeugin doch so ausgesagt?«
»Ja. Linda. Als wir erzählten, Arne sei tot, dachte sie zuerst an einen Unfall mit dem Rad. Wegen des Unwetters und der Dunkelheit. Dass er getötet wurde, wollte sie erst nicht wahrhaben.«
»Wir müssen klären, wo das Rad geblieben ist. Kam er noch selbst damit nach Hause – oder wurde er bewusstlos oder gar tot dort ›abgeladen‹?«
»Bevor uns das Thema sinnlos beschäftigt: Hans Hansson saß tatsächlich unschuldig in der Zelle. Er wurde für die Zeit entschädigt. Heute hält er Ziegen und verkauft Käse. Außer Werbung für seinen Käse ist tatsächlich nichts über ihn im Netz zu finden. Sieht so aus, als versuche er, möglichst nicht aufzufallen. Solveigh – eure Künstlerin – habe ich allerdings auf unzähligen Seiten gefunden. Sie hat kleine Ausstellungen im Nirgendwo. Nichts, was man wirklich erwähnen müsste. Daneben finden sich lauter reißerische Artikel. Ein angeblicher Stalker, ein angeblicher Einbruch, eine angebliche Erpressung. Nie wurden Hinweise gefunden. Eine der neuesten Schlagzeilen aus dem letzten Herbst titelt: »Weltbekannte Künstlerin Solveigh unter Ebola-Verdacht im Krankenhaus«. Wenn man den Text liest, stellt man schnell fest, dass sie mit leichtem Fieber und Symptomen eines grippalen Infektes in der Notaufnahme vorstellig geworden ist. Man hat ihr ein fiebersenkendes Präparat gegeben und sie nach Hause geschickt. Ebola war zu der Zeit medial ausgesprochen wirkungsvoll, alle redeten darüber – also gab sie das so an die Presse raus. Unglaublich. Entblödet sich nicht, das für Publicity zu nutzen – und in Westafrika sind Tausende an der Seuche gestorben!« Bernt hatte sich in Wut geredet. Er verstummte abrupt, räusperte sich.
»Arne hat sie unterstützt. Offensichtlich war sie nicht besonders beliebt, verschrien für ihre Zicken und Macken. Er half ihr, Fuß zu fassen. Das hat der Ortsvorsteher so erzählt«, ergänzte Lars. »Sie bringt ein bisschen Glamour ins Alltägliche. Hummelgaard wirkt auf den ersten Blick nicht wie ein abenteuerlustiges Dorf auf mich. Die meisten Leute leben unauffällig. Da kann sich der Voyeurismus an Solveigh und Hans abarbeiten.«
»Du meinst, es gibt immer ein Gesprächsthema beim Einkaufen«, grinste Britta. »Ja, mag schon sein. Aber Arne selbst taugte dafür auch, oder? Eure Zeugen haben ihn nicht gerade ins Herz geschlossen gehabt – unsere schon. Er hat den Ort gespalten.«
»Und das, wo Pfarrer doch eigentlich integrativ wirken und aus den vielen Einzelschäfchen eine Herde formen sollen! Für die Rolle war er nicht die Idealbesetzung«, räumte Sven ein. »Auch als Vater war er bei seinen Kindern nicht beliebt, selbst die Ehefrau empfand ihre Beziehung als stark abgekühlt.«
»Übrigens hat uns jemand angesprochen, als wir auf dem Weg zum Auto waren. Erkennen konnten wir nichts, aber er warnte uns, meinte, es könne sein, dass es nicht bei dem einen Opfer bleibt.« Ole wirkte beunruhigt. »Der Kerl war sehr unheimlich. Und er klang, als meine er, was er sagte – ich bin nicht einmal sicher, dass es ein Er war …«
»Das ist sonderbar. Die meisten anderen Zeugen waren eher überrascht darüber, dass es bei ihnen überhaupt zu so einem schrecklichen Vorfall wie Mord kommen konnte. Und er vermutete gleich noch mehr Opfer?«
»Noch wissen wir nicht, wie groß der Hass einzelner auf Arne wirklich war. Ich vermute, von denen wird auch kaum einer auf unserer Liste stehen. Warum sollte ich mir den Pfarrer zum Gespräch ins Haus einladen, wenn ich ohnehin nie wieder einen Rat von ihm annehmen würde?«
»Um ihn zu töten«, stellte Lundquist trocken fest.
7
Ulrika hatte sich ein Glas Wein eingeschenkt.
Starrte auf den Bildschirm ihres Computers und schüttelte angeekelt den Kopf.
»Geht es dir jetzt besser?«, zischte die Witwe die Absenderin der Mail an, die sich gerade geöffnet hatte. »Unfassbar, was für einen Müll ihr nach dem Verstorbenen werft! Ihr habt doch nicht einmal eine ungefähre Vorstellung von der Wirklichkeit. Wie soll ich je wieder in diesem Dorf durch die Straßen gehen, wenn ich glauben muss, dass nur solche Menschen wie du hier wohnen? Mörder und Verleumder.«
Wirst du seinen Tod feiern? Grund genug dazu hättest du allemal. Dieser Bettenspringer und Fremdschläfer! Der hat es mit allen getrieben, die sich noch auf den Rücken legen konnten! Alter egal! Als Bezahlung hat er ja keine andere Währung akzeptiert. Eigentlich dachte ich, du wirst mir leidtun – aber ganz ehrlich: Für eine Frau wie dich, die sich so ein Verhalten bieten lässt, empfinde ich nur tiefste Verachtung! Im Dorf wird gemunkelt, es könnte noch mehr Tote geben. Pass gut auf, dass du nicht eines der nächsten Opfer bist!
Verschickt ohne konkreten Absender, irgendein Fantasiename. Weiblich. Zumindest gab es diesen nicht. Diese Person musste sich also mit Rechnern immerhin so gut auskennen, dass sie das Verschleiern beherrschte. Damit fielen schon mal einige weg, die sie gern verdächtigt hätte. Ulrika hob das Glas mit zitternden Fingern an die Lippen, hörte, wie ihre Zähne gegen den Rand klapperten. Trank dann entschlossen die Hälfte des Weines in einem Zug.
Warm