Zuhause wartet schon dein Henker. Franziska Steinhauer
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Читать онлайн книгу Zuhause wartet schon dein Henker - Franziska Steinhauer страница 15
Lars warf seinem Freund einen forschenden Blick zu.
»Und jetzt?«
»Clemens nannte uns den Namen Solveigh und auch Astrid erwähnte diese Frau vorhin. Vielleicht fahren wir bei ihr vorbei und erkundigen uns nach ihrem Verhältnis zu Arne. Clemens beschrieb sie als Künstlerin mit Macken. Eine schwierige Persönlichkeit. Möglicherweise kam der Pfarrer mit Menschen, die nicht der gängigen Norm entsprechen, besser aus als mit den übrigen Gemeindemitgliedern. Und immerhin kannte sie Arne näher.«
»Solveigh Lind. Die Künstlerin mit Ausstellungen hier in der Gegend. Gut, na dann.«
Lars wirkte gereizt.
Sven konnte im Schein der Straßenbeleuchtung erkennen, dass seine Kiefer mahlten. Wahrscheinlich war Gitte nicht begeistert davon gewesen, den Abend mit dem Nachwuchs allein verbringen zu müssen. Magda reagierte auch nicht immer verständnisvoll.
»Ärger?«
»Du nicht?«, fauchte Lars zurück.
»Diesmal nicht. Bei dir?«
»Jede Menge. Gitte war so unglaublich sauer. Sie war für heute mit einer Freundin verabredet. Die beiden wollten Party machen und ich sollte auf den Kleinen aufpassen. Eine ehemalige Klassenkameradin von ihr, die inzwischen in den USA verheiratet ist. Sie waren wohl früher beste Freundinnen. Harriets Mann ist wegen eines Kongresses in München, da wollte sie die Chance nutzen, und ihre alten Freunde sehen. Gut, das ist nun gecancelt. Aber diese Freundin, Harriet Cloney, ist nur heute in der Stadt, morgen bricht sie früh nach München auf, trifft sich mit ihrem Mann. Von dort aus fliegt das wiedervereinte Paar dann in Urlaub. Dieser Zwischenstopp in Göteborg fand überhaupt nur statt, weil sie Gitte zu ihrem Geburtstag treffen wollte. Harriet wird dreißig. Nun gibt es ein ruhiges Glas Wein, damit der Kleine nicht aufwacht, und ein paar Häppchen bei uns, danach wird Harriet allein die anderen Freunde treffen, Gitte ist außen vor. Harriet ist gekommen, um zu feiern und das zieht sie auch durch. Du weißt schon: Dreißig, die magische Grenze. Kurz vor dem Eintritt ins Greisenalter. Entsprechend groß ist der Ärger!«
»Mist! Du könntest nach Hause fahren und ich mache hier allein weiter. Es ist besser, sowas schnell zu glätten. Bei Frauen brennt sich eine Enttäuschung manchmal regelrecht ein.«
»Nein.«
Schweigen.
»Dort ist es!« Lundquist zeigte auf einen kleinen dunklen Schatten am Horizont.
»Ist es notwendig, so einsam zu wohnen, wenn man Kunstwerke erschaffen möchte? Sie lebt allein, oder?«
»Ich weiß es nicht. Clemens hat jedenfalls von einem Partner nichts erzählt. Und vielleicht braucht sie tatsächlich eine gewisse Einsamkeit für die kreative Umsetzung ihrer Ideen. Wäre doch denkbar.«
»Schon. Ich kenne ein paar Bildhauer, die weit weg vom Trubel leben. Männer. Allesamt.«
Sven grinste. Er verstand.
Auf den Riesen Lars wirkten Frauen grundsätzlich wehrlos und schutzbedürftig.
Solveigh Lind hatte ihre besten Jahre bereits seit einiger Zeit hinter sich.
Darüber konnte weder die stahlblaue Farbe ihrer Haare noch der ausgefallene Schnitt oder die extravagante Kleidung hinwegtäuschen. Ihre exaltierten Bewegungen sollten Jugendlichkeit und feuriges Temperament vortäuschen, wirkten an der Matrone allerdings lästig und aufgesetzt.
Selbstbewusst und exzentrisch zeigte sie deutlich, was sie von einer Störung um diese Uhrzeit hielt und Besuch nach Mitternacht zu akzeptieren nicht bereit war. Polizei Göteborg hin oder her, sei es nun ein Mordfall oder nicht.
Lundquist blieb hartleibig. »Nein, wir werden nicht einfach wieder gehen. Und nein, es hat nicht Zeit bis morgen. Pfarrer Arne Mommsen wurde ermordet!«
Vielleicht wurde sie unter dem Zuviel an Rouge und Makeup eine Spur blasser. Sicher ließ sich das im diffusen Licht der Kerzen nicht beurteilen. Solveigh Lind lehnte elektrisches Licht ab – nur vor ihrem Hauseingang pendelte eine helle Lampe im Wind.
»Kerzen sind viel angenehmer. Bei mir taucht sich selbst der Winter in einen warmen, flammenden Schein.«
Immerhin durften die beiden Ermittler nach dieser Eröffnung eintreten.
»Pfarrer Mommsen und du wart gut miteinander bekannt, nicht wahr?«
»Arne, ja, das stimmt. Uns verband seit vielen Jahren mehr als eine flüchtige Bekanntschaft. Wir waren uns sehr zugetan.« Sie lauschte ihren Worten nach und ergänzte nach einer wirkungsvollen Pause: »Rein platonisch versteht sich. Ich bin an sexuellen Dingen nicht interessiert. Sex beeinträchtigt das kreative Geschick des Künstlers, lässt alles Zarte verblassen, das Grobe gewinnt die Oberhand. Das will ich nicht zulassen. Meine Kunst ausleben zu können, ist mir das größte Geschenk.« Dabei breitete sie melodramatisch ihre Arme aus, nötigte so die beiden Besucher, den Blick auf die Wände zu richten, an denen Bilder, Fotos und Objekte hingen.
»Wann hast du Arne zum letzten Mal gesehen?«, fragte Lars gänzlich unbeeindruckt und Solveigh schob trotzig die knallig rote Unterlippe vor.
»Das kann ich gar nicht so genau sagen.« Sie legte in nachdenklicher Pose eine Hand an die Stirn. »Vor zwei Wochen etwa. Er rief an, wollte mich sehen und kam vorbei. Er brachte einen süffigen Rotwein mit und wir tranken gemeinsam. Dabei erzählte er mir von Esther. Seine Tochter hatte ganz offensichtlich Probleme, wollte aber nicht darüber sprechen. Wir überlegten, was er tun könne, um ihr Vertrauen zu gewinnen. Danach fuhr er wieder nach Hause.« Solveigh berichtete bar jeder Emotion.
»Hat er auch über sich selbst gesprochen? Über Schwierigkeiten oder Ärger mit jemandem?«, hakte Lars nach.
»Du meinst außer seiner Brut?«, fragte die Künstlerin spitz zurück und verzog die Lippen zu einem hämischen Grinsen. »Nein. Sonst wohl mit niemandem. Gelegentlich gab es mal Diskussionen mit Hans. Nichts, was man ernst nehmen musste.« Sie musterte die Gesichter der Ermittler. »Das wisst ihr also schon. Hätte ich mir ja denken können, dass der Klatsch bestens funktioniert. Und natürlich gab es auch immer mal einen Unzufriedenen in der Gemeinde. Entweder gefiel der Rat nicht – oder die Kiste rauschte trotz des Rats von Arne gegen den Baum. Gleichgültig was er tat, am Ende machte man ihn für Schaden oder Misserfolg verantwortlich.«
Sie lehnte sich mit einem lauten Seufzen gegen die Wand, als suche sie Halt.
Lundquist bemerkte erst jetzt, dass sie neben einem farblich zu ihrer Garderobe passenden Werk gestanden hatte, Künstlerin und Kunst verschmolzen so zu einer Einheit. Du liebe Güte, dachte er genervt, an dieser Frau ist aber auch gar nichts echt! Jede Geste eine Pose.
»Aber ein Pfarrer ist eben nicht Gott!«, rief Solveigh mit anklagender Stimme. »Er kann deshalb den Bittstellern auch nicht das eigene Denken abnehmen! Und nun musste er deshalb sterben!«
»Du meinst, einen Tipp kann man annehmen oder auch nicht. So etwas Ähnliches haben wir heute schon mehrfach gehört«, murmelte Sven, trat näher an eines der Objekte heran. Betrachtete es interessiert. Ein blaues Fischernetz, in dem sich Gesichter verfangen hatten.
»Ja,