Sternstunden der Wahrheit. Группа авторов

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rauf und runter rezensiert und diskutiert, von Ende Juli bis Anfang August ungefähr. Bei Christiansen gibt es einen Abend mit »Wie viel Kannibalismus braucht Deutschland in der Krise?«. Und in der Zeit schreibt Helmut Schmidt: »Wir schneiden uns ins eigene Fleisch. Wir dürfen China nicht unterschätzen.«

      Das Vorwort für das Kannibalen-Kochbuch hat Anthony Hopkins für ungefähr 17 Millionen Dollar verfasst, wie der Verlag weder bestätigt noch dementiert. Zu jedem Rezept wird dann angemerkt: »Sie können anstelle des Menschenfleischs auch Rehnüsschen verwenden.« Um Hemmungen abzubauen.

      Erstaunlich, dass Kannibalismus fast 300 Jahre nach Jonathan Swifts »A Modest Proposal« immer noch so die Gemüter erregt, und das in einem Land, in dem Karl Schönfelds Schlagertext »Püppchen, Du bist mein Augenstern / Püppchen, hab Dich zum Fressen gern« schon 1929 die Massen begeisterte. Swifts bescheidener Vorschlag bestand darin, die Kinder armer Leute aufzuessen, um die Familien finanziell zu entlasten und der Allgemeinheit etwas Gutes zu tun. Aber Swift war Satiriker, der Kannibale wollte einfach nur essen.

      Ich warte jeden Tag darauf, dass sich die FDP endlich stark macht für ihn. Die ist ja immer vorne mit dabei, wenn es darum geht, staatliche Gängelung zu bekämpfen und sich vampiristisch an Modethemen festzusaugen. Dein Bauch gehört mir! Das wäre doch ein Wahlkampfhammer für Baden-Württemberg. Zweistellige Ergebnisse für den Wahlkämpfer Guido Westerwelle, dessen Haut ja auch aussieht, als ob er alles isst.

      Das Kannibalen-Kochbuch wäre ein letzter Befreiungsschlag gegen die ewigen deutschen Bedenkenträger. Atomstrom, Stammzellenforschung, Saures Lüngerl »Rotenburg«. Immer züngelt die German Angst hoch, wenn jemand mal die Initiative ergreift. Irgendwann ist er ja doch wieder auf freiem Fuß. Der Kannibale, nicht der Westerwelle natürlich. Der ist ja frei, freidemokratisch.

      Hat sich tipptopp geführt, der Meiwes. Er hat die Gefängnisbücherei betreut und eine neue Software für die Ausleihe geschrieben. Ist ja eigentlich Informatiker. Und dann wird er zu »Alfredissimo« eingeladen. Das Stammpublikum merkt sofort, dass der Gastgeber nicht wie sonst einem läufigen Frettchen gleich in Höchstgeschwindigkeit um seinen Mitkoch herumscharwenzelt, sondern bedächtigere, staksigere Bewegungen macht. Irgendwann, während das Gulasch schon im Topf schmurgelt, stellt sich dann die garstige Wahrheit heraus. Alfred Biolek hat nur noch ein Bein. Allerdings müssen auch seine zahlreichen Neider zugeben, dass er samt seiner Prothese keine schlechte Figur abgibt und mit seinem Überraschungsgast den größten Mediencoup der jüngeren Geschichte gelandet hat. Ich aber schlafe dann ein und träume lauter wirres und schreckliches Zeug.

      Rob Alef (25.1.2006)

      Moses ist schwer im Kommen. Jüngst wurden die Hartz-»Reformen« mit den Zehn Geboten verglichen, die Moses von Gott empfangen hat. Der für Weltliches aller Art bei Volkswagen zuständige Peter Hartz wäre demnach der Gott, der der rot-grünen Regierung die »Reform«-Gesetze eingeflüstert hat.

      Jede Farce erzeugt einen, der sie überbietet. Hartnäckig arbeitet der Gastronomie-Kritiker Jürgen Dollase jede Woche daran, der FAZ-Leserschaft die »Neue Deutsche Schule« der Kochkunst vorzustellen. Über Nacht geht das nicht. Noch im Mai 2007 sagte Dollase den deutschen Köchen, »lebt wohl, ihr Sößchenfreunde!« und bescheinigte ihnen, sie zählten »international nichts mehr«. Aber schon im Juni gingen die Köche daran »sich zu befreien«, und vier Monate später konnte ihr Prophet Dollase das »Regelwerk der neuen Küche« vorlegen. Die zehn Gebote der »strukturalistischen Küche« drehen sich um das, was Kochen – mehr oder weniger gut – seit weit über hundert Jahren auszeichnet: »Alle Elemente einer Kreation werden unter sensorischen Gesichtspunkten präzise aufeinander bezogen.« Genau.

      Aber die »Neue Deutsche Küche« hat zwei Erzfeinde. Da ist Frankreich, das immer noch Platz eins beansprucht. Der Anspruch der klassischen französischen Küche wie der Nouvelle Cuisine ist für den Befreiungskrieger der »Neuen Deutschen Küche« nur »ein Instrument der Unterdrückung durch ein letztlich autoritäres Küchenverständnis«. Die Küchen-Napoleone jenseits des Rheins bekommen Dresche und werden eingedeckt mit Hinweisen auf die Segnungen der deutschen regionalen Küchen. Dem Raffinierten und Überkandidelten der Franzosen setzt Dollase Teutonisch-Handfestes entgegen: Labskaus, Matjesfilet auf Schwarzbrot mit rohen (!) Zwiebeln und selbstverständlich alles vom »Schwein von den Ohren bis zum Schwanz.« Bon appétit.

      Der zweite Feind der »Neuen Deutschen Schule« ist gefährlicher und heißt Jürgen Dollase. Sein Anspruch, »das Essen vernünftig zu beschreiben«, lenkt zunächst vom Essen ab, denn darüber muss jeder erst eine Runde lachen. Dollases Lieblingswort und Schwungrad »Textur« stammt aus der Textilindustrie. Bei ihm meint es Struktur oder Konsistenz, neben Temperatur und Aroma die wichtigste Eigenschaft alles Gekochten. Eine Trivialität also. Dollase schmiedet aus »Textur«, »Texturspiel« und »Texturbild« papierene Stichwaffen, die fast weh tun in ihrer lächerlichen und Lachreiz auslösenden Prätention. Gebratene Gänsestopfleber mit Karotten an einer Kaffee-Sauce erzeugen »einen wichtigen Effekt der kulinarischen Dekonstruktion, nämlich den erheblich veränderten Blick auf Zusammenhänge durch texturelle Veränderung ihrer Bestandteile«.

      Wo »kulinarische Aufklärung« (Dollase über Dollase) so daherkommt, ist der Bluff nicht weit weg. Wer »das Pauillac-Lamm, das Sisteron-Lamm, das Salzwiesen-Lamm« nicht blind unterscheiden kann, hat keine Ahnung davon, wie die »strukturalistische Theorie und Praxis der kulinarischen Konstruktion« funktioniert und wie »die Nussigkeit« von Fisch »perfekt und originell dekliniert wird«. Gehen wir essen? Nein, wir deklinieren noch ein wenig weiter.

      Rudolf Walther (13.11.2007)

      Ist es eine Meldung, wenn dem Zeichner durch ein Missgeschick Tusche auf die frische Arbeit schmaddert und das Bild versaut? Normalerweise nicht, denn das kommt öfter vor. Meldepflichtig wird es jedoch dann, wenn das fünf Minuten vor Redaktionsschluss passiert, der Redakteur auf glühenden Kohlen sitzt, weil garantiert gleich jemand aus der Produktionskontrolle anruft (»Mach ma’ hinne!«) – und es garantiert nachher kein Mittagessen mehr geben wird. Schließlich kann er erst dann zur Pause, wenn die Seite fertig ist. Dabei hatte er sich so auf die Penne al salmone gefreut, die auf dem Speiseplan standen und für die er auf das Schulbrot verzichtete, das er sich normalerweise täglich für die Pause zu schmieren pflegte. Doch der Zeichner hatte die Lösung: Deckweiß! Statt die Zeichnung noch einmal neu anzufertigen, übermalte er den hässlichen Tuscheklecks mit dem strahlendsten Weiß seines Lebens. Nun noch ein paar Striche, und die Zeichnung kam gerade noch rechtzeitig. Der Redakteur schwelgte im Glück: Noch nie waren Lachsnudeln so gut wie heute!

      (7.1.2008)

      Kannibale von Rotenburg verspeist kurz vor Wahl hessischen Ministerpräsidenten

      Ganz Deutschland ist erschüttert. Die Nachricht schlug gestern ein wie eine Bombe: Roland Koch wurde aufgegessen. Wie der hessische Landeswahlleiter Wolfgang Hannappel am Freitagnachmittag auf einer Pressekonferenz in Wiesbaden bekanntgab, wurde der Spitzenkandidat der Christlich Demokratischen Union und Ministerpräsident des Landes Hessen, Roland Koch, Opfer des sogenannten Kannibalen von Rotenburg. In ersten Stellungnahmen zeigten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der SPD-Vorsitzende Kurt Beck betroffen. Die Oppositionsführerin im hessischen Landtag Andrea Ypsilanti (SPD) erklärte: »Ich bin ein Stück weit entsetzt.« Vertreter der Grünen und der Linken sprachen ihr Bedauern über den Vorfall aus. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) kündigte eine lückenlose Aufklärung der Tatumstände an und forderte eine Ausweitung der Vorratsspeicherung auf Kannibalen.

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