Sternstunden der Wahrheit. Группа авторов

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rammelvoll bis ultimo. Möglicherweise trägt der Wienerwald noch von Jahn her an der Negativ-Legende, sehr altmodisch und nicht-ganzdichto und irgendwie auch vielleicht allzu österreichisch oder eben halt CSU-mäßig zu sein – an all dem ist nichts wahr als seine noch immer frappante Preisfreundlichkeit. Die Folge aber ist heute eine recht angenehme Aufgelockertheit in den Gastreihen selbst zu Extremzeiten. Der einzige Nachteil: die häufig ersehnte gemütliche bierzeltähnliche Krakeelerstimmung von München Herzogstraße 1960 ff., die geht unterm immer noch grasgrünen Hühneremblem wohl nie mehr zusammen – na ja, da wechselt man dann halt irgendwann mal über den Main rüber ins nahe und unglaublich laute und extrem vulgäre Sachsenhausen.

      Etwas undurchschaubar sieht sich der heutige Frankfurter Wienerwald gemanagt und offenbar sogar fast gesteuert von einer wechselnden Equipe, wohl mehr aus dem Afrikanischen; also irgendwie von Marokkanern, Algeriern und sonstigen stark bräunlichen und aber gewaltig freundlichen Gesellen und Kameradinnen vielleicht auch aus Zaire oder jedenfalls Nepal und Feuerland – begrüßt aber hätte F. Jahn gewiss, dass als Spitzenangebot das sehr wohlschmeckende halbe Grill-Hendl immer noch für 9,90 Mark mit Salat durchgeht. Und zur Not gebilligt hätte er wer weiß sogar so mondäne Erfindungen wie das »Chicky«, den »Burger-Chicken-Cheeseburger« mit allerdings »Wienerwald Bauernhofgarantie« – und dass aber der berühmte Wienerwaldsalat seit kurzem ein »Wellness Klassiker« ist, das schert seine neuesten von mir angeschleppten Gäste Kay und Jürgen eh nicht; weil die zum 5. Mai schon gar nichts anderes zu tun haben, als im lieblich lindenüberduftet anitalianisierten Wienerwald-Vorgartenlokal froh ein Bier nach dem anderen in sich hineinzuschütten. Nach der spirituellen Weise des alten Johann-Strauß-Walzers: »Wenn froh des Lenzes Ruf erschallt und von den Bergen widerhallt, wie lockt’s zum Tanz in’ Wienerwald ...«

      Nein, außer dem aus Dichtermund schon übergenug besungenen Frankfurter Wasserhäuschen und außer dem an dieser Stelle unlängst bereits etwas im Übermaß heilig gesprochenen Randalier- und ehemaligen Grün-Ökologenlokal »Horizont« hat Frankfurt hic et hoc nämlich nun einmal nichts Gescheiteres zu bieten als den alten und runderneuerten Friedrich Jahn. Und das Schöne: Endlos bescheiden geworden, sind wir auch noch ob dieser Zumutung sehr zufrieden.

      Eckhard Henscheid (17.5.2000)

      Spät in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag wurde im Berliner Stadtteil Schöneberg ein Mann mit knurrendem Magen dabei beobachtet, wie er an der Hintertür eines bereits geschlossenen Schnellrestaurants rüttelte. Eine Passantin wollte bereits die Ordnungskräfte herbeirufen, als der stämmige Gasthaus-Chef plötzlich die Hintertür öffnete. Den ausgemergelten Körper des Spätbesuchers vor Augen, muss ihn ein Gefühl des Mitleids ergriffen haben: »Aber janz schnell«, leitete der freundliche Bürgerkönig den sehr hungrigen Ralf S. an die Theke, wo speziell für den späten Gast ein letztes Menü gefertigt wurde. Der 46-jährige S., der angeblich aus Irland stammen und dort für eine bekannte deutsche Tageszeitung arbeiten soll, verzehrte das köstliche Nachtessen geschwind, bedankte sich überschwenglich und mit goldenem Händedruck beim Personal des Gasthauses und hinterließ beim Abschied einen ihm freudestrahlend zuwinkenden Bratfürsten. S. aber strich sich glücklich über das jetzt wieder wohl gefüllte Bäuchlein und trollte sich still heim.

      (26.5.2000)

      Eier sind Fehlkonstruktionen. Was hat sich die Natur eigentlich dabei gedacht? Im Supermarkt muss man die Kartons öffnen, um die Unversehrtheit der Eier zu überprüfen, beim Einpacken an der Kasse muss man beachten, dass man nichts auf den Eierkarton stellt, und dann reißt die Tüte und man hat den Eiersalat. Kurzum: Hühnerprodukte sind wie rohe Eier zu behandeln.

      Doch nun ist Schluss damit. Britannien, die Insel der kulinarischen Überraschungen, hat das Problem genial gelöst: Eier aus der Plastikflasche. Deans Food, die Erfinder des schalenlosen Eis, bejubeln ihr Produkt als Durchbruch auf dem Gebiet der Lebensmittelsicherheit: »Die ganze Frische ohne die Schale«, so die Werbung. Wie oft komme es vor, fragt Deans’ Forschungsdirektor Barry Vigus, dass beim Eiaufschlagen ein Stück der Schale abbreche und im Rührei lande? Möglicherweise sterben täglich dutzende Briten an verschaltem Rührei, und niemand hatte bis jetzt etwas dagegen unternommen.

      Die Flasche in Form einer Eieruhr enthält fünf pasteurisierte Eier und kostet umgerechnet zwei Mark. Ist die Flasche einmal geöffnet, muss man den Inhalt binnen drei Tagen verbrauchen. Und das geht spielend: Man kann das Flaschenei direkt in die heiße Pfanne quetschen, und fertig ist das Rührei.

      Auf wen zielt das Produkt jedoch ab? Wer zu faul ist ein Ei aufzuschlagen, wird auch mit der Eierflasche nicht zum Hobbykoch. Und wer zu blöd ist ein Ei sachgemäß zu behandeln, sollte erst recht die Finger vom Herd lassen. Das machen übrigens immer mehr Briten. Sie verbringen nur noch eine Stunde und 50 Minuten in der Woche mit Kochen aus Vergnügen. Vor zehn Jahren standen sie noch doppelt so lange am Herd. Seitdem sind allerlei nützliche Produkte auf den Markt gekommen, mit deren Hilfe sich Zeit sparen lässt, die man vorher mit der lästigen Essenszubereitung verplempert hat.

      Wer hat sich beim Frühstück nicht schon mal über die Umstände geärgert, die ein Teller Cornflakes macht: Karton aus dem Schrank nehmen, Milch aus dem Kühlschrank holen, beides nacheinander in einen Teller geben und obendrein einen Löffel aus der Schublade ziehen. Endlich hat der Cornflakesterror ein Ende – dank Rumblers. Das sind kleine Cornflakes-Schachteln mit eingebautem Behälter, in dem sich gerade so viel fettarme Milch befindet, wie man für die Cornflakes benötigt. An der Seite der Schachtel ist ein Klapplöffel befestigt: Aufklappen, Schachtel aufreißen, Milch über die Cornflakes, schlucken, fertig. Und der Rest wandert in den Müll.

      Auch an Vitamin C kommt man inzwischen ohne Werkzeug heran, und man muss sich nicht mehr die Fingernägel verbiegen. In den Supermärkten gibt es geschälte und in mundgerechte Häppchen zerlegte Orangen in Frischhaltefolie.

      Eine Herausforderung bleibt jedoch für britische Wissenschaftler: Falls es einem von ihnen gelingt, das Leibgericht der Nation – Roastbeef mit Quetschkartoffeln und zerkochtem Gemüse – in eine Tube zu zwängen, wird ihn die Queen zum Ritter schlagen. Gourmets werden ihn lieber aufgeschlagen in die Pfanne hauen.

      Ralf Sotscheck (24.7.2000)

      Herzlichen Glühwurm! Die bekotzte Teppichfliese feiert im Jahr 2000 ihren 30. Geburtstag. Was? Sie verstehen nicht? Wissen nicht, was eine bekotzte Teppichfliese ist? Dann haben Sie noch nie in die Supermarkt-Kühltruhe gegriffen und eine Tiefkühlpizza herausgezogen – die bezeichnet man nämlich im Volksmund als bekotzte Teppichfliese. Selbstverständlich nicht wegen ihres vorzüglichen Geschmackes, sondern wegen reiner Äußerlichkeiten: Die Tiefkühlpizza zum Beispiel von Dr. Oetker sieht schlicht so aus. Spätestens, wenn sie aus dem Ofen kommt. Die Arme feiert also jetzt ihren 30. Geburtstag und hat all ihre Freunde eingeladen: den gefrorenen Quader Rahmspinat, die eisigen Fischstäbchen, das tiefgekühlte Pfannengemüse, das bibbrige Vanilleeis und wie sie alle heißen. Und wie jedes Jahr wird die bekotzte Teppichfliese Seit an Seit mit ihren Gästen regungslos verharren, bis ihr Geburtstag wieder vorbei ist. Und wie jedes Jahr wird die Partystimmung später als »etwas unterkühlt« kritisiert werden. Wenn nicht jemand den Teppich vollkotzt.

      (8.11.2000)

      Wahre Lokale: Das sandalöse antike Striptease-Restaurant »Pirr« in Moskau

      Jahrzehntelang schilderte die sowjetische Presse

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