Sternstunden der Wahrheit. Группа авторов

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Sternstunden der Wahrheit - Группа авторов

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legt entrüstet auf.

      (3.3.2006)

      Es war einmal ein kleiner Blindtext, der lebte unauffällig und genügsam auf einer Reservehalde. Eines Tages erschien ihm eine wunderschöne Fee. Und die sprach zu dem kleinen Blindtext: »He, du bist so ein anspruchsloser und freundlicher kleiner Blindtext, ich möchte dir gern einen Wunsch erfüllen.« Da entgegnete ihr der kleine Blindtext: »Ach liebe Fee, ich bin doch glücklich, und mir ist kein Wunsch offen.« Doch die Fee sagte: »Wärest du denn nicht viel lieber ein weltberühmter Roman?« – »Ach nein«, sagte der kleine Blindtext, »die Welt der Großen und Schönen, die liegt mir nicht.« Die Fee dachte nach und fragte dann: »Aber vielleicht wärest du gern ein Feuilleton-Text in einem großen Wochenmagazin?« Der kleine Blindtext antwortete: »Ach nein, das kluge Schwätzen, das liegt mir nicht.« Abermals dachte die schöne Fee nach und fragte: »Aber wärest du dann nicht viel lieber ein kleiner Dreispalter auf der Wahrheit-Seite der taz?« Da strahlte der kleine Blindtext über alle Buchstaben und sagte: »Na sicher, das wäre wunder-, wunderschön!« Und schon machte es »Puff« …

      (17.3.2006)

      Es war einmal in einer Zeit

      voll Ruhe und Beschaulichkeit.

      Da gab es – vielleicht wisst ihr’s noch –

      das schöne stille Sommerloch.

      Es dehnte sich ins Land hinein,

      war nichts drin, nur der Sonnenschein

      und warmer Sand und stille Straßen

      und Langeweile. Und wir saßen

      am Frühstückstisch, schon sonnensatt,

      vor einem leeren Zeitungsblatt.

      Und jetzt? Das Sommerloch ist weg,

      ist zugespült mit Müll und Dreck

      von kräftigen Gewitterregen,

      die täglich durch die Lande fegen.

      Kaum ist der Fußballjubel aus,

      gewittert es im Bundeshaus.

      Es kracht in den Gesundheitsfragen

      Angela, fast vom Blitz erschlagen,

      entfleucht mit Bush auf den G8,

      auch da gewittert’s Tag und Nacht.

      Es kracht und blitzt im Libanon,

      auf Java schwimmt das Land davon

      Und ich? Ich schluck den ganzen Mist,

      wo draußen so schön Sommer ist.

      Kaum kann ich morgens aufrecht stehen,

      muss ich schon lesen, hören, sehen:

      Da läuft was schief, da haut es rein.

      da geht massiv was kurz und klein.

      Das schlägt mir kalt in diesen Tagen

      auf meinen sonnenwarmen Magen.

      Mein Gott, wie war es doch vordem

      im Sommerloch so angenehm.

      Nix los war. Na ja, meinetwegen

      mal zu viel Hitze, zu viel Regen.

      Vielleicht auch noch so ‘n Firlefanz wie Wimbledon und Tour de Franz.

      Du schönes stilles Sommerloch,

      sag mal, wo bleibst du? Gibt’s dich noch?

      Klaus Pawlowski (20.7.2006)

      Die Wahrheit-Sprachkritik: Journalistische Schnitzereien aus der Holzgrammatik

      Als Vertreter der vierten Gewalt im Staate schauen die Journalisten den Größen des Showbiz, der Politik, des Sports, der Wirtschaft und des Adels genau auf die Finger und mitunter auch sonstwohin, aber wehe, es untersteht sich jemand, die Arbeit der Journalisten am Satzbau zu kritisieren. Das lieben sie nicht. Auch der freundlichste Hinweis auf schmerzhafte Schnitzer wird entweder ignoriert oder mit dem tadelnden Vermerk abgewehrt, dass sich an solchen Lappalien nur sauertöpfische Oberlehrer stören könnten.

      Der Kapitän eines Bezirksligavereins, der mit dem Ball so stümperhaft umginge wie die Mehrheit der Journalisten mit der Grammatik, würde sich binnen kurzem auf der Ersatzbank wiederfinden oder im Kassenhäuschen. Die arrivierte Journalistin Isabell Hülsen aber darf ohne Angst oder Ängste um ihren Arbeitsplatz im Spiegel den Satz verbrechen: »Große Berührungsängste mit Kirch wird es bei allen Beteiligten schon deshalb nicht geben, weil man sich gut kennt.« Es hat also in diesen Kreisen niemand »Berührungsängste« mit Kirch. Aber kann man denn »mit« Kirch Berührungsängste haben? Es mag Geschäftsleute geben, die gewisse Sorgen mit Leo Kirch teilen, doch es wäre unsinnig zu behaupten, dass diese Menschen Ängste »mit Kirch« hätten oder gar »Berührungsängste mit Kirch«. Die Autorin wollte vermutlich sagen, dass die Beteiligten keine Angst davor hätten, mit Kirch zu kooperieren oder mit ihm gesehen zu werden. Geschrieben hat sie stattdessen, dass die Beteiligten keine Berührungsängste »mit« Kirch hätten, und das ist Kappes. »Ich habe keine Ängste mir dir«, sagte Romeo zu Julia. »Was für Ängste?«, fragte Julia zurück, und ihre Rosenlippen erbebten. »Na, Berührungsängste mit dir!«, erwiderte Romeo …

      Im journalistischen Jargon hat sich die Pest der falsch verbundenen »Berührungsängste« bereits unausrottbar tief eingefressen. Im Hinblick auf die Homosexualität hat Alexander Zinn, der Geschäftsführer des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg, die Öffentlichkeit wissen lassen, dass viele Lehrer »immer noch Berührungsängste mit dem Thema« hätten. Das Kuratorium Deutsche Altershilfe empfiehlt auch älteren Menschen den Zugang zum Internet: »Denn sind erst einmal die Berührungsängste mit dem neuen Medium abgebaut, kann es zu einer höheren Lebensqualität im Alltag beitragen.« Zum Tagesordnungspunkt »Heizen mit Weizen« teilt der Energiewirtschaftsjournalist Bernward Janzing uns allen mit, dass wir »keine Berührungsängste mit der Energie vom Acker« haben müssten. Die furchtlosen Musikanten der Combo Pur wiederum bekunden, dass sie »keine Berührungsängste mit Klassik« hätten, während die Fachzeitschrift Brigitte den gebärfähigen Frauen dazu rät, beim Ertasten des Zervixschleims und des Muttermunds »keine Berührungsängste mit dem eigenen Körper« zu haben. Lothar Bisky kennt »keine Berührungsängste mit der SPD«, Frieder Burda »keine Berührungsängste mit Kunst« und der Fernsehkommissar Richy Müller »keine Berührungsängste mit Stuttgart«. Google weist inzwischen mehr als 60.000 andere nichtvorhandene Berührungsängste aus; Tendenz steigend.

      »Hab keine Angst / vor dem, / der dir sagt, / er hat Angst«, dichtete einst der große Lyriker Ulrich Fried-Honecker. »Aber mach dich vom Acker,

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