Sternstunden der Wahrheit. Группа авторов

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– ein Tabu wird gebrochen« ein Tabu nach dem anderen vornahm und es mitleidlos zwischen ihren masturbationsgestählten Fingern zerquetschte. Und Tabus lauerten überall. »Das Tabu des bestimmten Artikels« beispielsweise, beschrieben 1985 in System ubw – Zeitschrift für klassische Psychoanalyse. Auch »Der Tod in der Astrologie. Das Tabu-Thema astrologischer Todeskonstellationen in neuem Licht« wurde fachgerecht tranchiert. Vorwitzig registrierten Hans Filbinger und Konsorten 1986 via Buchtitel: »Die Medien – das letzte Tabu der offenen Gesellschaft«. Irrtum, meine Herren – zehn Jahre später erschien das »Handbuch Grundschule und Computer« mit der vielsagenden Unterzeile: »Vom Tabu zur Alltagspraxis«.

      Ende der Neunzigerjahre dann schien das Tabu zeitweilig von der Ausrottung bedroht, doch haben sich die Bestände unterdessen nicht nur prächtig erholt, sie könnten gar im Begriff sein, sich erneut zur Plage auszuweiten. Sicherlich ist es verfrüht, Katastrophenalarm auszurufen, doch für eine vorsichtige Warnung ist hinlänglich Anlass gegeben. Sage hinterher bloß niemand, er habe es nicht gewusst.

      Harald Keller (28.8.2002)

      Am frühhen Morgen passierte es. In der Warheit ereignete sich ein schwerer Anfall von Rechschreibschwäche. Verstöhrt berürte der betrofene Wahrheit-Redaktör die Tasten, aber der Text wolte und wollte nich die korekte Form annehmen. Besohrgte Kollegen eilten herbei, konnten aber auch nich helfen. Erste eilig eingeleitete Gegenmaßnamen zeigten keinerlei Wirkunk. Im Gägenteil: Die Feler lißen nicht nach, sondarn namen tsu. Auch ein Anruv bei der Düden-Redaktion ergahb nur kurzfristig eine Besserun. Bereits wenihge Minuten speter herrschte wieder der Felerteufel. »Wir müßßen die Uhrsache finden, den Auslöser für den Anvall«, schlusfolgerte eine chlaue Kolegin und sah sich die Tikkermeldungen an, die der Wahreit-Redaktör zuletztz geläsen hatte. »Da!«, rief die Kollegin und verwies auf eine Meldung der Nachichtenagentür AP:

      »Lese-Rechschreib-Schwäche. Das ist kein lebenslanges Schicksal«. – »Das ist der Grund: Rechschreibschwäche!«, jubelte die clevere Kollegin, und sobald sie das Wort aussprach, war der Schwächeanfall sofort forbei.

      (26.4.2003)

      Normalerweise kann man die Bild-Zeitung nicht abonnieren. Doch die Wahrheit ist im Besitz eines der raren Bild-Abonnements und bekommt täglich das Blut-und-Sperma-Blatt von der anderen Seite der Berliner Kochstraße. Feindbeobachtung ist schließlich wichtig. Aus unerklärlichen postalischen Vertriebsgründen landet die Bild jedoch jeden Morgen im Nachbarbüro des taz-mag. Wir haben uns inzwischen daran gewöhnt, und auch den Kollegen Reinhard Krause scheint es Tag für Tag mehr zu amüsieren, dass er uns das Fischeinwickelblatt hereinreicht. Wir allerdings denken stets an Robert Gernhardts Gedicht »Deutung eines allegorischen Gemäldes«. Gernhardt beschreibt fünf Personen auf einem Gemälde, die jeweils für etwas stehen: Tod, Pest, Leid, Hass. Und der fünfte? »Der fünfte bringt stumm Wein herein / das wird der Weinreinbringer sein«. Tod, Pest, Leid, Hass bringt die Bild, aber im Gegensatz zum Weinreinbringer ist der Bild-Reinbringer nicht stumm. Ja, mittlerweile sind wir jeden Morgen gespannt, wie er die heutige Schlagzeile kommentieren wird: »Sie ziehen Michelle Hunzikers ›Wunderhexe‹ schon den 15. Tag!« oder »Als Frau ist Bärbel Schäfer sehr verletzt – nur als Frau!« oder »Uschi Glas – muss die sich nackig machen mit 59?« Eigentlich brauchen wir die Bild überhaupt nicht mehr, allein der Kommentar des Reinbringers bringt’s.

      (18.7.2003)

      Hier war früher mal die Mauer,

      Wo, das weiß ich nicht genauer.

      Links die Römer, rechts die Goten,

      Drübersteigen war verboten.

      Das ist die Weser, äh, die Spree,

      Die fließt hier in den Bodensee.

      Im Reichstag, da zur linken Hand,

      Ist Rosa Luxemburg verbrannt.

      Und das dahinter, nein, davor,

      das ist das Brandenburger Tor.

      Das steht hier schon seit letztem Jahr,

      Weiß auch nicht, was da vorher war.

      Die goldne Kuppel hinten links

      Gehört zum Dom, ach nein, zum Dings,

      Ich glaub, es heißt Schloss Sanssouci,

      So weit im Osten war ich nie.

      Das oben auf dem Kreuzberg? Klar:

      Das ist der Pergamonaltar.

      Die halbe Kirche? Keine Ahnung,

      Vielleicht für irgendwas als Mahnung.

      Jetzt habt ihr einen Überblick.

      Da geht der Zug! Kommt gut zurück!

      Kathrin Passig (19.5.2004)

      Eigentlich ist es ein Fall für das »Streiflicht« in der Süddeutschen Zeitung, jene immer leicht verschnarcht daherkommende Glosse auf Seite eins, die gern ein zeitloses Thema auf die aktuelle Lage herunterbricht und in gebildeter Form Adam und Eva, Athen und Rom, Stock und Stein herbeizitiert. Oft werden die Sprache und ihre Blüten in gelehrtem Tonfalle behandelt. Und deshalb ist es fast sicher, dass einer der Schreiber des »Streiflichts« die gestrige Meldung der Nachrichtenagentur dpa aus Rom gelesen hat. Spätestens in drei Tagen werden wir also etwas über das rhetorische Stilmittel der »Metonymie« erfahren, ist doch das folgende dpa-Zitat wie geschaffen für einen abschweifenden Exkurs über die ars rhetorica: »Historische Statuen in Rom durch Vandalen schwer beschädigt«. Wie bitte?, wird sich das »Streiflicht« fragen, die Vandalen sind wieder in Rom? In der Ewigen Stadt, die sie im Jahr 455 n. Chr. unter Führung ihres Königs Geiserich in Schutt und Asche legten? Nein, es handelt sich lediglich um eine Metonymie, wenn nicht um ein Appellativum, bei dem ein Gattungsbegriff durch einen Eigennamen umschrieben wird wie »Casanova« für »großer Liebhaber«. Hier ist es das Volk der Vandalen, die seit dem späten Mittelalter als Inbegriff für Zerstörer und Plünderer gelten und sich in der dpa-Meldung sozusagen selbst eingeholt haben. Aber, liebes »Streiflicht«, das kannst du doch viel schöner und vor allem viel länger erklären. Wir warten …

      (16.7.2004)

      Schlechtes Essen ist gut, man isst dann nicht so viel. / Das kleine r ist der Wasserhahn des Alphabets. / Schnokelig abgolzen ist leicht, aber golzig abschnokeln ist schwer. / Eigene Gedanken kann man nicht kaufen, das ist meine Meinung! / Auf einem anderen Stern sieht das Blau fast ein wenig rot aus. / Eine Pampfel, die nicht pampfelt, ist nicht mehr als eine Pumpfel. / Die Zeit immer schön flach halten! / In einer fremden Wohnung wundert man sich jedes Mal, dass jemand darin leben kann. / Dass der Wille frei ist, kann man sich an manchen Tagen hundertmal sagen. / Das ganze Leben ist Grxmpfd. / Ich mag mich täuschen, aber die Löwen sehen nicht aus, als ob sie oft zum Frisör gingen. / Wirf

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