Sternstunden der Wahrheit. Группа авторов

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Sternstunden der Wahrheit - Группа авторов страница 7

Sternstunden der Wahrheit - Группа авторов

Скачать книгу

die leider aus rechtlichen Gründen in diesem Buch nicht mehr veröffentlicht werden dürfen, wie zum Beispiel die Satire von Gerhard Henschel mit dem Titel »Sex-Schock! Penis kaputt?« (8.5.2002). Darin wurde behauptet, dass der Chefredakteur der Bild-Zeitung, Kai Diekmann, eine Penisverlängerung an sich habe vornehmen lassen. Diekmann verklagte daraufhin die taz. Im sogenannten Penis-Prozess wurde der taz gerichtlich untersagt, den Artikel noch einmal zu veröffentlichen. Allerdings erhielt Diekmann auch nicht das von ihm geforderte Schmerzensgeld, da er in seiner exponierten Stellung als Chefredakteur der Bild-Zeitung mehr Kritik erdulden müsse als andere Personen des öffentlichen Lebens, wie das Gericht urteilte. Damit schrieb die Wahrheit zumindest Medienrechtsgeschichte. Der Bild-Chefredakteur aber bekannte später in einem Interview, dass der »Penis-Prozess« die größte Dummheit seines Lebens gewesen sei.

      Bei soviel öffentlich wirksamen Kontroversen blieben Konflikte innerhalb der taz nicht aus. Und selbstverständlich hat die Wahrheit auch Fehler gemacht. Einmal handelte sie sich eine Rüge des Deutschen Presserats ein, auf die sie nicht stolz ist. Denn auf der Wahrheit-Seite wurde eine Todesanzeige verspottet, und der Wahrheit war nicht klar, wie weit sie zu weit gegangen ist. Aber legen wir über all den Ärger mit der taz-Chefredaktion, mit taz-Kollegen oder mit taz-Lesern lieber das Schweigen des Mäntelchens der Geschichte. Sonst würde der Rahmen dieses Buchs gesprengt.

      Bedauerlicherweise kann hier einiges nicht gezeigt werden, das wesentlich für die Wahrheit ist. An erster Stelle sind da die einzigartigen Cartoonstreifen von ©Tom: der touché, den ©Tom seit nunmehr 18 Jahren täglich außer sonntags frisch zeichnet. ©Tom ist damit neben Ralf Sotscheck, der ebenfalls seit 18 Jahren dabei ist und jeden Montag seine Kolumne auf der Seite veröffentlicht, der beständigste Mitarbeiter der Wahrheit. Hier können nur zwei touché stellvertretend für ©Toms unglaublich konstante Komik abgebildet werden. Auch fehlen hier die regelmäßigen Cartoons und Zeichnungen von Rattelschneck oder Ari Plikat oder Anna Zimmermann, die immer wieder die Wahrheit-Seite zieren.

      Nicht vergessen werden darf an dieser Stelle ein Element der Wahrheit, das manchmal arg am Rande steht und viel zu wenig gewürdigt wird, obwohl es seine treuen Fans hat: das samstägliche Rätsel »wahrhaftig und verborgen«, das Ulrich Danielowski beharrlich für die Wahrheit produziert und mit Fragen spickt, die schon manchen Kopf zum Rauchen gebracht haben.

      Auch nicht wiedergegeben werden können all die vielen Fotogeschichten der vergangenen Jahre: So zeigte die Wahrheit zum Beispiel »weltexklusiv: Jacques Chirac nackt auf dem Balkon« (31.8.2001). Sie präsentierte »Die Achsel des Bösen« (7.2.2002). Eine ganze Boulevardseite widmete die Wahrheit einem schockierenden Bericht: »Effe spannt Kanzler Frau aus – Deutschland geschockt« (6.5.2003). Sie begrüßte den Kokainfreund Christoph Daum mit Fotos von berühmten Koksern: »Willkommen im Klub« (13.6.2003). Die Wahrheit fragte nach dem Tod von Johannes Paul II.: »Wer wird der nächste Papst?« und bot Kim Jong Il, Marcel Reich-Ranicki, Alice Schwarzer, Fernandel, Mel Gibson und Erwin Teufel als Nachfolger an. Während des Streits um die Mohammed-Karikaturen bildete die Wahrheit eine Woche lang den »Mohammed des Tages« ab: von Mohamed Zidan bis Muhammad Ali (7.-11.2.2006). Nach dem Ende der Fußballweltmeisterschaft 2006 enthüllte die Wahrheit »das schwarze Loch nach der WM« (10.7.2006). Und während der Europameisterschaft 2008 bewies sie mit den Flaggen von Ländern wie »Badvorlegistan« oder »Leopardien«, die in deutschen Städten aus Fenstern und von Balkonen hingen, dass nicht jedes Land Europameister werden kann (20.6.2008).

      Nicht annähernd gewürdigt werden können hier die Aktivitäten des Wahrheitklubs, dessen bekannteste Mitglieder wohl Harry Rowohlt und die Hartmetaller von Manowar sind. Mit seinen rund 1.300 Mitgliedern steht der Vorstand das Jahr über im regen Austausch, und zweimal jährlich tagt der Vorstand öffentlich: auf der Leipziger und auf der Frankfurter Buchmesse. Berühmt-berüchtigt sind ©Toms Spiele für Wahrheitklubmitglieder, die offenbar alles mitmachen, solange es nur der Klubdevise dient: »ridentum dicere verum«. Lachend die Wahrheit sagen.

      Im Rahmen des Wahrheitklubtreffens wird zudem der wahrscheinlich wichtigste Journalistenpreis Deutschlands verliehen: Der »Jieper-Preis«. Er handelt sich um einen Unterbring-Wettbewerb, denn alle Jahre wieder müssen Journalisten einen denkwürdigen Satz in einer Zeitung oder einer Zeitschrift unterbringen, um die Auszeichnung zu erhalten. Im Jahr 2000 lautete der Satz: »Wer Jieper hat, muss schmackofatzen«, und die FAZ gewann als Preis den stets ausgelobten Gran Duque d’Alba oder »die Große Ente«, wie der Brandy auch in der Wahrheit genannt wird. Im Jahr 2004 gewann erstaunlicherweise erneut die FAZ, der Unterbring-Satz hieß – weil Arabien Partnerland der Frankfurter Buchmesse war – »Wer kalift, muss mutaboren«. Im Jahr 2006 sollte in Anlehnung an die »Kartoffel-Affäre« der Satz »Beim Wullacken niemals mit dem Mottek wackeln« untergebracht werden. Erstmals ging der »Jieper-Preis« an einen Verlag, den Umschau-Verlag in Neustadt, der in dem Kochbuch »Kartoffeln« die Affäre aufgriff und den Satz prominent erwähnte. Im Jahr 2008 gewann den Jieper-Preis schließlich das Berliner Stadtmagazin Zitty, das den Satz »Wer einmal mit Obama pennt, gehört schon zum Establishment« als Aufmacherfoto der Titelgeschichte präsentierte.

      Wie also eine Ordnung hineinbringen in all die wild sprießenden Geschichten und Themen der Wahrheit? Aber will man das überhaupt? Alles ordnen und rubrifizieren? Die Lösung kam aus der Wahrheit selbst. Im Jahr 2006 hatte der Wahrheit-Spezialist Dieter Grönling eine kleine Serie entwickelt: die »wahren Schreibtische«. Gezeigt wurden die Schreibtische von Wahrheit-Redakteuren und -Autoren. Wie es im Vorspann hieß: »Jeder Koch hat seine Mise en place, seine eigene Art, in der Küche den persönlichen Arbeitsplatz einzurichten mit Gewürzen und Kochgeräten und allerlei Dingen, die zum Gelingen eines Gerichts notwendig sind. Auch Autoren und Schriftsteller inszenieren ihre Schreibtische nach sehr eigenen Vorstellungen. Die Wahrheit hat sich an den Arbeitsplätzen ihrer Köche umgesehen.« Deshalb beginnt jedes Kapitel mit dem Foto eines Schreibtischs, an dem ein Wahrheit-Autor arbeitet. Und was er dabei auf seiner Arbeitsfläche vorfindet, wird im Begleittext erklärt.

      Wir haben also versucht, die Wahrheit in zehn verschiedene Kapitel zu fassen. Da die Wahrheit sich aber nicht so leicht einordnen lässt, entzieht sich mancher Text einer Kategorisierung. So sind einige Kapitel umfangreicher geworden als andere, etwa jenes über »Feinde & Freunde«. In 18 Jahren sammeln sich da einige an – vor allem Feinde. Einige Geschichten und Figuren wandern durch verschiedene Kapitel. Wir konnten es nicht verhindern und lassen sie munter herumgeistern. Was wiederum ein paar Wahrheit-Autoren nicht mehr dürfen. Bedauerlicherweise mussten sich in den vergangenen Jahren einige Mitarbeiter von der Wahrheit verabschieden, da sie die wichtigste Spielregel der Wahrheit nicht akzeptieren wollten: Man muss immer wissen, wie weit man zu weit gehen kann. Solchen Spielverderbern können wir auch in dieser Anthologie kein Forum bieten und rufen ihnen lieber ein fröhliches »Hasta la vista, baby!« nach.

      Der größte Verlust, den die Wahrheit je erlitten hat, war der Tod von Michael Rudolf, der sich im Jahr 2007 das Leben nahm. Seit Mitte der Neunzigerjahre hatte der Bier-, Pilz- und Humorkenner für die Wahrheit geschrieben und »war einer der wenigen ernst zu nehmenden Ostautoren des deutschen Humors«, wie es in seinem Nachruf auf der Wahrheit-Seite hieß. Ihm ist ein großartiges Buch gewidmet, das zur einen Hälfte aus seinen Texten und zur anderen Hälfte aus Artikeln von Wahrheit-Autoren über Michael Rudolf besteht: »Der Mann mit den neunhundertneunundneunzig Gesichtern« (Oktober Verlag, 2008).

      Damit soll zum Schluss all jenen gedankt werden, die an der Wahrheit mitgearbeitet haben oder noch mitwirken – insbesondere allen Wahrheit-Redakteuren, die in den vergangenen 18 Jahren die Wahrheit aufgebaut und geprägt haben. Stellvertretend für sie sei Corinna Stegemann hervorgehoben, die auch schon ein paar Jährchen tapfer alles mitmacht, was auf die Wahrheit zukommt. Ein besonderer Dank geht auch an alle Wahrheit-Autoren, ohne deren Fähigkeiten die Seite nicht wäre, was sie ist.

      Die Wahrheit ist, wie es in der Selbstbeschreibung heißt, die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Arbeiten wir daran, dass die eine oder andere Wahrheit hinzukommt.

      Michael Ringel, im Januar

Скачать книгу