In jeder Beziehung. Birgit Schmid
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Wie kommt es, dass etwas, das eigentlich verbindend wäre und im wahrsten Sinn beziehungsaufbauend so zum Stresstest wird? Das Magazin »The Atlantic« fragte weitere Fachleute nach den Gründen.
Im Showroom trifft ein Geschmack auf den andern. Da heute schon ein Sideboard Ausdruck der Persönlichkeit ist, fühlt man sich schneller angegriffen, wenn etwas nicht gefällt. Ist er für das Malsjö und sie für das Bestå, stellen sich grundsätzliche Fragen: Wollen wir dasselbe Zuhause? Das gleiche Leben? Wer bist du überhaupt? Zudem hat jeder sein eigenes Tempo, dem es sich beim Spaziergang durch die Möbelwelt anzupassen gilt.
Zu Hause geht es weiter. Macht man sich am selben Tag ans Zusammensetzen, sind die Nerven bereits aufgebraucht. Gelingt einem bei der Montage nicht auf Anhieb, was in der Anleitung so einfach klingt, wird ein Schuldiger gesucht. Oft verflucht man die Anleitung, manchmal ist es aber auch praktisch, dass der assistierende Schuldige neben einem steht. Es geht um Macht, und wer die Führung übernimmt. Besser, ihn dann nicht auszulachen, wenn man von den Stühlen rutscht, weil er die Sitzfläche falsch herum montiert hat.
Das leuchtet alles ein. Doch etwas haben die Verhaltensforscher nicht herausgefunden, und ich rede hier aus eigener Erfahrung. Nämlich, wie eng einem werden kann beim Gang durch das saubere aufgeräumte Ikea-Dasein. Das schlägt am stärksten auf die Stimmung. Die drapierten Kissen auf den Polstergruppen, die Vasen in der Glasvitrine: Läuft ein Paar nicht in die Falle, wenn es so ein Ziel anstrebt? Sich einzurichten heißt, angekommen zu sein. Der Liebe aber genügt eine Matratze. Es konnte kein Zufall sein, dass der klassische Ikea-Rollwagen mit den vielen Schubladen Helmer heißt. So heißt auch das Ehepaar in »Nora oder Ein Puppenheim« von Henrik Ibsen, einem Norweger zwar. In diesem Drama wird ein »gemütlich und geschmackvolles, aber nicht luxuriös eingerichtetes Zimmer« zum Ehegefängnis.
Das Romantischste am Einkauf bei Ikea ist, dass die Möbel so erschwinglich sind und es keine Gütertrennung braucht. Für den Fall einer späteren Scheidung.
DU STEIGST MIR
IN DIE NASE
Bei manchen Liebesgeschichten wird einem schlecht. Da lernt man jemanden kennen, findet ihn interessant, klug und schön, unterhält sich bestens. Doch nach der ersten gemeinsamen Nacht ist es gelaufen. Man kann den anderen nicht riechen.
Die Nase ist ein unterschätztes Organ. Müsste man sich entscheiden, ob man lieber das Augenlicht oder den Geruchsinn verlöre, würde man eher auf das Riechen verzichten, als blind zu sein. Man zöge auch das Hören dem Riechen vor. Das ist, nun ja, kurzsichtig: Denn die Nase entscheidet mit, ob jemand zu einem passt. Wenn man den Partner und seinen Eigengeruch nicht am liebsten inhalieren möchte und davon high wird – ja, was soll dann werden? Man beschnuppert die Haut des andern, atmet seinen Atem ein, wühlt die Nase in sein Haar, liegt in seinem Schweiß. So muss es sein.
Weil zumindest die Wissenschaft weiß, wie uns unsere Nase durchs Leben führt, betreibt sie rege Forschung auf dem Gebiet. So hat vor Kurzem ein Team an der Universität Bern herausgefunden, dass der Geruch von Frauen an ihren fruchtbaren Tagen Männer besonders betört. Man ließ die männlichen Probanden an den Baumwolltüchern riechen, die Frauen während ihres Eisprungs nachts in ihre Achselhöhlen legten. Fast ausnahmslos rochen die Männer die Frauen am liebsten, die einen hohen Östrogenspiegel aufwiesen. Vom weiblichen Sexualhormon wird in der fruchtbaren Phase am meisten produziert. Das zog die Männer an.
Was mich an solchen Befunden immer erstaunt – wie dankbar sie wiedergegeben werden. Als böten sie nun eine Erklärung für alles. So lesen Männer ja angeblich auch an erweiterten Pupillen ab, wann eine Frau empfängnisbereit ist. Doch Studien, die Begehren allein mit Biologie erklären, verleiten zu einer reduktionistischen Sicht. Warum sich ein Mann am liebsten in der Achselhöhle einer Frau verstecken möchte, das ist nicht auf die Essenz »Reproduktionsfähigkeit« zu reduzieren, sondern hat viele Nebennoten.
Also stecken wir die Nase etwas tiefer hinein. Es ist ein wilder, komplexer Cocktail von Gerüchen, das heißt Molekülen, wenn sich zwei Leute begegnen. Bei dieser chemischen Kommunikation müssen Moleküle in einer bestimmten Konzentration vorhanden sein, damit beim Gegenüber ankommt: »Ich will etwas von dir.« Das sagte die Psychologin Bettina M. Pause in der »ZEIT«, wo sie gefragt wurde, wie man den Richtigen findet. Auch sie vereinfacht: Frauen zögen dominante Männer vor. Laut ihr passiert der Austausch über Gerüche aber immer in einem sozialen Kontext, und ob man verzaubert oder abgestoßen wird, sei höchst individuell. Zudem habe der Geruchssinn bei der Wahl des Partners vor allem einen Einfluss »in die negative Richtung«: Er hält uns von denen fern, die nicht zu uns passen.
Riecht jemand, dass er selber nicht gut riecht? Stößt er die meisten ab, oder riecht ein Mensch für irgendjemanden immer gut? Diese Fragen wurden nicht beantwortet, drängen sich aber beim zunehmend auch olfaktorischen Dichtestress im öffentlichen Raum auf. Und deshalb sollte man den natürlichen Körpergeruch nicht verherrlichen, finde ich. Sondern froh sein um Seifen, Parfüms und Deodorants, mit denen man die eigenen Ausdünstungen überdeckt.
Womöglich können künstliche Düfte die Liebe genauso entfachen, jedenfalls die großen mit ihren schönen Namen. »Bel Respiro«, »L’Heure Folle«, »Lonestar Memories«. Oder sie erinnern an die vergangene Liebe, sobald ihre Spur einen irgendwo streift.
Aber dann hält man vielleicht besser den Atem an.
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