In jeder Beziehung. Birgit Schmid
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Hat man sich dann einmal an jemandem sattgeküsst, wird Küssen leider oft vernachlässigt und vergessen. Die Münder schlafen ein, Ende der Oral History. Dabei sind Paare, die schon lange zusammen sind und sich häufig küssen, zufriedener mit ihrer Beziehung. Küssen ist für die Zufriedenheit sogar wichtiger als häufiger Sex. Es macht einander zugeneigter als vieles sonst. Und Küssen kann sogar ein Unfallschutz sein: Männer, die ihre Frau zum Abschied küssen, bevor sie das Haus verlassen, geraten auf dem Weg zur Arbeit weniger oft in Unfälle und leben länger.
Legen Sie jetzt also das Buch weg.
VATER UND
MUTTER
Ein Sonntagmorgen am Küchentisch der Eltern. Die Mutter schneidet das selbst gebackene Brot, mein Vater liest die Zeitung. Sie trägt ihre geblümte Bluse und sagt zu ihm, er sollte sich wieder einmal rasieren. Mein Vater murmelt und blättert. Meine Mutter hält nichts von der heutigen Bartmode. Sie hat sich schon früher meistens durchgesetzt. Und so wird es auch diesmal sein.
Meine Mutter und mein Vater, eine Frau und ein Mann. Mit ihnen habe ich die ersten zwanzig Jahre meines Lebens verbracht, bis heute bin ich ihr Kind. Oft denke ich darüber nach, wie meine Eltern mich geprägt haben und mein Verhalten mitbestimmten; wie ich zu der wurde, die ich bin, weil sie es waren, die sie sind. So sehr verschieden und so sehr zusammen, eine tiefe Stimme und eine hohe, er trug Anzug, sie ein Kleid.
Es gibt immer mehr Varianten der Elternschaft, gleichgeschlechtliche Paare haben Kinder, neuerdings werden auch platonisch Kinder gezeugt, unter Freunden, um die romantische Beziehung nicht durch Nachwuchs zu belasten. Ich kann nichts gegen all das vorbringen. Ich weiß nicht, wie es ist, mit zwei Vätern oder zwei Müttern groß zu werden, ich habe es nicht erlebt. Aber ich bin froh, mit einer Mutter und einem Vater herangewachsen zu sein.
An den weichen Körper der Mutter gedrängt einzuschlafen, die Handcreme zu riechen, mit der sie nach einem strengen Tag abends im Bett ihre Hände einrieb. Sie streckte sie dabei in die Dunkelheit, als ob sie betete. Zwischen meinen Eltern zu liegen, aber immer näher bei ihr, der Matratzengraben wie die symbolische Grenze zum anderen, meinem Vater.
Sie als Liebespaar wahrzunehmen, auch wenn das selten geschah. Aber so unnötig mir schien, dass sie als solches auftraten, so selbstverständlich war es auch, denn darum gab es mich. Wegen dem Mann mit Zylinder auf jenem Bild aus den Siebzigerjahren, der Frau in weißen Schlaghosen. Als Kind denkt man lieber nicht daran: Aber sobald ich zur Romantikerin wurde – auch daran werden sie ihren Anteil haben –, war es okay, mir ihre Vereinigung vorzustellen.
Mein Vater war der erste Mann, dem ich gefallen wollte. Wer heute kritisiert, wenn ein Mädchen beim Vater den Augenaufschlag übt und ausprobiert, wie viel mit Verführung zu erreichen ist, der hat Sigmund Freud nicht verstehen wollen. So merkte ich irgendwann, dass mein Vater schon an meine Mutter vergeben war. Und wollte ihn erst recht gewinnen, so wie meine Schwestern dasselbe wollten; ein frühes Üben, schmerzhaft auch, weil man nicht immer die Erste war. Trug er uns zu dritt die Treppe hoch, so saß nur eine auf seinen Schultern.
Nicht immer waren beide gleich anwesend, aber war der eine überfordert, übernahm der andere. Ging zum Elternabend, kochte Tee bei Fieber, tröstete, wenn eine Katze starb. Es war meine Mutter, die vieles zusammenhielt; mein Vater würde es nicht bestreiten. Mein Vater: ein Meister des Schweigens. Das habe ich von ihm. Und wie das Glück und die Geborgenheit, so blieben auch die Risse, die durch ihre Beziehung gingen. Später hörten wir meine Mutter sagen, was es durchaus an den Männern auszusetzen gab, sie könne das Heiraten nicht nur empfehlen. Meine Mutter: die das Leben liebt.
Warum musste sich mein Vater immer rasieren? Sie begründete ihre Verordnung damit, dass ein Mann sein Gesicht nicht verstecken sollte. Und dass sie kein kratzendes Gesicht küssen möge. Also rasierte sich mein Vater, denn es gefiel ihm auch am besten so. Meine Mutter strich ihm über die Wangen.
Auch das habe ich von ihnen gelernt.
MEINE FREIE
ARZTWAHL
Als Kind kam nur einer infrage: ein Arzt. Ich wollte einen Arzt heiraten. Und wo lernte ich einen solchen am ehesten kennen? Im Spital. Also wollte ich Krankenschwester werden. Da ich diese Pläne lesend vornahm und darob nicht mehr ansprechbar war, hielt mich schon das davon ab, tatsächlich eine medizinische Fachangestellte zu werden, wie die korrekte Bezeichnung heute lautet. Die Traumverbindung wurde mir in den Jugendbüchern »Susanne Barden« vorgeführt, drei dicke Romanbände, in denen die Titelheldin sich zur Krankenschwester ausbilden lässt, Dr. Barry kennenlernt und heiratet.
Wie sehr die Träumerei von kulturellen Vorstellungen geprägt war, was einen Mann ausmacht (entscheidungsfreudig, zupackend) und wie eine Frau zu sein hat (fürsorglich, kümmernd), weiß ich nicht. Ich las das einfach gern. Und muss jedes Mal daran denken, wenn Umfragen gemacht werden über die Berufe, die beim andern Geschlecht gut ankommen, wie gerade eben wieder.
Die Partnervermittlung Elitepartner hat ermittelt und herausgefunden: 42 Prozent der Frauen finden Ärzte attraktiv. Die Männer wählten an zweiter Stelle mit 37 Prozent Krankenschwestern. Noch besser gefallen 45 Prozent von ihnen aber Ärztinnen. Das ist eine gute Nachricht, da eine Folge der Emanzipation: Neben Medizinern stehen nun auch Medizinerinnen auf dem nach Berufen sortierten Begehren an erster Stelle. Bei männlichen Vorlieben folgen Wissenschaftlerin, Künstlerin, Lehrerin, Architektin. Frauen zählen weiter Handwerker, Architekt, Polizist, Geschäftsführer zu den anziehendsten Berufen. Eher ungern lassen sich Frauen wie Männer mit einem Steuerberater und einer Politikerin ein.
Es ist ja eine der ersten Fragen, wenn man jemanden kennenlernt: Was arbeitest du? Meist trägt das bei zum Bild, das man sich von jemandem macht, steigert dessen Attraktivität oder dämpft das Interesse. Man assoziiert mit Berufen gewisse Charaktereigenschaften und bewertet so die Begehrlichkeit des Inhabers. Ein Ingenieur schaut dafür, dass die Wände gerade stehen, das Dach trägt und die Brücken halten. So einer ist gewissenhaft und vertrauenswürdig. Eine Lehrerin kann einem die Welt erklären, sie gilt als geduldig und verständnisvoll. Ein Arzt, der Retter. Eine Ärztin, mitfühlend.
Seien wir ehrlich: Wir definieren uns auch über das berufliche Ansehen des andern. Die Beruf-Liebeswahl ist ein Bekenntnis zum Elitären. Man wünscht sich jemanden an der Seite, der etwas darstellt, dessen Tage mit Sinn gefüllt sind. Will mit Stolz ihren Beruf nennen in einer Runde. Schlimm zu merken, da schämt sich eine für die Arbeit des Partners. Auch will man verstehen, was der andere macht, was bei heutigen Berufsbezeichnungen nicht immer einfach ist. Er ist Telematiker – und jetzt?
Damit soll nicht gesagt sein, dass sich unterschiedliche Berufe nicht ergänzen können. Und doch kann ein intellektuelles Gefälle beide einsam machen. Sich abends nicht von der Arbeit erzählen, weil die Neugier fehlt oder das Verständnis. Das Problem stellt sich bei den vielen Paaren nicht, die sich nach wie vor über die Arbeit kennenlernen. Da ist es dann eher wichtig, nicht ständig das Büro durchzunehmen.
Was folgern wir daraus? Wir wähnen uns romantisch, aber machen die Liebe sogar abhängig vom Beruf einer Person. Auch dann, wenn die Wahl zufällig scheint.
Jahre später bin ich dem Mann begegnet, er trug da gerade keinen weißen Kittel. Der Moment war wohl trotzdem entscheidend, als