In jeder Beziehung. Birgit Schmid
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Das beliebteste Wort im deutschsprachigen Raum ist »Schatz«. Austauschbar und deshalb am gesellschaftstauglichsten. Fantasielos. »Schatz, schau dir das an!«, ruft es im Zug. Ein Schatz ist ursprünglich nicht nur etwas, was kostbar ist und beschützt werden muss, sondern meint im religiösen Kontext ein Heiligtum, nur Auserwählten zugänglich. Vielleicht nervt es darum, unbeteiligt Ohrenzeuge von Kosewörtern zu werden, wie einmal jemand gesagt hat: Man fühlt sich wie der Atheist, der in eine Messe geraten ist.
Das Zwiespältige an Kosenamen ist die Infantilisierung. Der andere wird verniedlicht und verkleinert. Viele scheinen sich beim Spaziergang durch den Zoo zu inspirieren. Mein Bär, mein Pinguin. Es ist eine Verniedlichung ins Asexuelle, die sich mit der Babysprache fortsetzt. Beginnt ein Paar früh damit, wird das zum Sexkiller wie ein Ganzkörperfrotteepyjama. Dabei will man bloß eine neue Sprache finden, weil jedes »Ich liebe dich« abgedroschen klingt. Fantasiewörter, verdrehte Syntax, Brabbellaute drücken nichts als ein Wohlgefühl aus. Man könnte auch zu schnurren beginnen.
Im Gegensatz dazu schafft der Vorname, den man kaum mehr verwendet, plötzliche Distanz: Seine Nennung macht das Gesagte dringlich. Im Streit, in einem feierlichen Moment. Wegen ihrer Einfachheit mag ich auch »Liebste« und »Geliebter«. Oder ihn »meinen Mann« zu nennen oder sie »meine Frau«, auch wenn man nicht verheiratet ist. Hier ist die Wiederverwendung in der nächsten Beziehung nicht einmal stillos.
Sympathisch, dass auch weltläufige Menschen eine »underground relationship« führen. So hat die Psychologin Wendy Langford die private Liebesrede bezeichnet. Theodor W. Adorno nannte seine Ehefrau Gretel »mein Herztier «. Edmund Stoiber sagt seiner Karin »Muschi«. Prinz Philip ruft Queen Elizabeth »Cabbage«. Gewiss haben auch Diktatoren daheim Kosenamen. Und sie haben öffentliche: »Baby Doc« für den Haitianer Jean-Claude Duvalier. Kim Jong-il, »der liebe Führer«. Väterchen Stalin. Massenmörder zum Streicheln.
Übrigens: Spätestens dann, wenn ein Kosename zum Ersatz für das Gefühl wird, das er herzustellen behauptet, sollte man seine Verwendung hinterfragen. Oder dann einen ehrlichen Namen benutzen, wie es die Engländerinnen tun. Sie nennen ihren Mann »my headache«. Wenn er nicht da ist.
MEINE WAFFEN
ALS FRAU
Frauen erleben nur Schlimmes mit Männern und sind ihnen ausgeliefert. Das ist der Eindruck aus aktuellen Gründen. Der Eindruck ist falsch. Eine Frau hat ihre eigenen Waffen, mit denen sie ihre Stärke ausspielt. Zwar wird in der Sexismus-Debatte auch gefordert, dass sie diese Waffen streckt, um sich nicht angreifbar zu machen. Aber das wäre schade und langweilte sowohl Frauen wie Männer. Hier sind die Gründe:
Augenaufschlag: Mädchen üben ihn vor ihren Vätern, um zu bekommen, was sie sich wünschen. Gelehrt hat ihnen das niemand. Man verlernt diesen spielerischen Einsatz auch später nicht, als gälte es Mata Hari zu übertreffen. Mit ihrem Augenaufschlag erlangte die Spionin und Erotiktänzerin Macht über die Männer. Die Generäle fielen reihenweise.
Aussehen: Keine Frau kann leugnen, dass Absätze, ein feinstoffliches Kleid, rote Lippen eine Wirkung haben können. Und manchmal sollen. Das abzustreiten wäre nicht ehrlich. Je nachdem, was für Termine anstehen an einem Tag oder wen wir treffen, überlegen wir morgens vor dem Spiegel, was wir anziehen werden. So wie damals, als ich mich als Studentin im sorglosen Mini für eine Wohnung bewarb. Und sie bekam.
Einfühlung: Vor allem Frauen können vorwegnehmen, was der Mann denkt und fühlt – und handeln entsprechend. Das klingt berechnend, muss aber nicht ausgenutzt werden. Das Gefühl der Überlegenheit genügt.
Ignoranz: Ich stelle mich dumm, um etwas nicht lernen zu müssen, das ich nicht gerne tue und das mich zu wenig interessiert. Die verwirrenden Knöpfe an der Waschmaschine, die Velopumpe und ihre Aufsetzer, ein Computerproblem.
Kochen: Gerade, weil wir uns emanzipiert nennen, überlassen wir das Kochen den Männern. Und können uns trotzdem richtige Frauen nennen. Ich blättere zum Beispiel gerne in einem Yotam Ottolenghi oder Jamie Oliver und klebe Post-its auf die Rezepte. Sie funktionieren wie Einladungen – zum Nachkochen. Ich überlasse ihm, was er gerne tut, und er zeigt den Gästen und mir noch viel öfters, was er kann. Ein Deal, der alle glücklich macht.
Muskeln: Man kann sie sich noch immer zum Vorbild nehmen, Emma Peel, die schlagfertige Agentin in »Mit Schirm, Charme und Melone«, der Fernsehserie der Sechzigerjahre. Eine Frau, die sich mit Fäusten zu wehren weiß, darf auch einen hautengen Lederanzug tragen. Ihren Namen erhielt Emma Peel übrigens von »M-Appeal«, »Man Appeal«: Männermagnet. In heutigen Actionheldinnen wie »Atomic Blonde«, die so gut küssen wie sie kämpfen, hat sie ihre Nachfolgerinnen.
Schlausein: Über das ganze Leben betrachtet ist es wichtiger, klug zu sein, als nur schön; mit Witz und Wissen zu überraschen, Humor zu haben und einen wachen, kritischen Geist. Das trägt zu Schönheit bei, die unvergänglich bleibt. Ehrlicherweise: neben gutem Aussehen.
Schüchternheit: Sollte man als Frau wohl überwinden in a man’s world, in der wir noch immer leben. Doch manchmal wird das Leise besser gehört, auf jeden Fall von den Richtigen. Warum die Lautstärke anheben, die Ellenbogen ausfahren? Bleibe dich selber.
Sex: Im Lied »Sex as a Weapon« warnt Pat Benatar davor, Sex als Waffe einzusetzen. Das war 1985, und die Sängerin sieht im Video umwerfend sexy aus mit ihrem blutroten Mund. Besser bewaffnet kann eine Frau so etwas nicht fordern. Zumal Benatar auch das Lied »Love Is a Battlefield « aufgenommen hat. Im Video umwerfend aussieht. Und alle Liebeskämpfe gewinnt.
SEINE WAFFEN
ALS MANN
Wenn kein Tag vergeht, ohne dass ein neuer Skandal die Schlechtigkeit der Männer zeigt. Wenn immer heftigere Blogs die Nulltoleranz einfordern. Wenn sogar der »Kulturplatz « des Schweizer Fernsehens diese Woche fragte: »Sind alle Männer Schweine?« – dann tut die Suche nach dem Schönen bei den Männern not. Nachdem ich letztes Mal die Waffen beschrieben habe, mit denen Frauen verführen, kommt hier also die Liste der Mittel, die Männern zur Verfügung steht.
Zuhören: Ein Mann, der nicht nur von sich redet, sondern sich für eine Frau aufrichtig interessiert, macht etwas vom Wichtigsten richtig. Er hört aber nicht therapeutisch zu, sondern fragt, bezweifelt, ermutigt, widerspricht, bejaht.
Musik schicken: Eine sehr wirksame Waffe der Männer ist, ihre Botschaft mittels Youtube-Links von Songs zu überbringen. Das muss allerdings subtil geschehen, die Titel sollten nicht zu eindeutig sein, wenn es sich erst um ein schüchternes Verhältnis handelt. Nicht »Hold Me Tight«, nicht »Nights in White Satin«, sondern lässige Lieder, die alles bedeuten. Verführen, aber unerreichbar bleiben wie die Sehnsucht, die die Musik weckt.
Einen Anzug tragen: Was Männer von Buben unterscheidet, ist die erwachsene Mode: statt Hoodie und Sneakers, die manche noch mit 55 tragen, macht ein Anzug