In jeder Beziehung. Birgit Schmid
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Kann sein, dass du manchmal denkst, die Frau deines Lebens spricht mit der Katze zärtlicher als mit dir.
Kann sein, dass du dich fragst, warum dein Mann noch einmal mit dem Hund hinausgeht abends um halb elf. Er geht hinaus, weil er allein sein möchte, deine Fragen jetzt nicht hören und nicht reden mag.
Nach ein paar Jahren geht ihr öfters zu verschiedenen Zeiten zu Bett, was ihr euch heute noch nicht vorstellen könnt. Manchmal wird einer von euch so tun, als schlafe er bereits. Der andere merkt es und schweigt.
Ihr denkt: Was ist aus uns geworden.
Wo sind wir hingekommen, denkt ihr.
Wir sagen euch: Das ist noch nicht das Ende. Solche Tage gehören dazu, wenn man verheiratet ist. Seid unbesorgt, aber vorbereitet. Ihr werdet leiden, sogar hassen.
Ihr seid euch zu nah, um euch nicht immer wieder fremd zu werden. Erwartet viel heute, aber seid später großzügig und denkt an den Weg, den ihr bereits gegangen seid.
Es gibt auch die anderen Tage, so setzt man zum Schlusswort an: Ein Blick über den Tisch hinweg in einer Runde, und du weißt, du würdest dich wieder in sie verlieben. Seine Worte im richtigen Moment, die nur einer sagen kann, der dich kennt. Man hat Ja gesagt und wirft das nicht einfach fort. Wenn ihr die Ehe eines Tages mit all diesen Gesichtern erlebt und noch immer zusammen seid, dann habt ihr vieles gut gemacht.
Damit endet die ehrliche Hochzeitsrede. Es sei denn, man wurde vorher aus dem Bankettsaal geworfen.
DUMME FRAGEN AN
KINDERLOSE
Menschen ohne Kinder bekommen ja immer wieder seltsame Dinge zu hören, und dies allein des Umstands wegen, dass sie keine Eltern sind. Entsprechende Bemerkungen häufen sich, seit wir wieder in kinderseligeren Zeiten leben. Die Geburten nehmen zu, abzuzählen auch an den Kinderwagen, die sich in Trams und Bussen drängen. Es ist nichts dabei zu fragen, ob man Kinder habe. Man dürfte ja sonst bald nichts mehr fragen. Wird die Familie mit Kindern aber zur Norm für eine Lebensgemeinschaft erhoben, wie sie auch immer mehr Homosexuelle ersehnen; wird dereinst ein unerfüllter Kinderwunsch nicht mehr verstanden, weil ihn die moderne Medizin eigentlich nicht zulässt: Dann bekommt die Kinderfrage etwas Wertendes. Man gerät unter Druck, muss sich rechtfertigen.
Es wird einem zum Beispiel gesagt:
Du wärst eine wunderbare Mutter.
Das kannst du nur verstehen, wenn du Kinder hast.
Sei froh, dass du keine Kinder hast, sonst könntest du nie so leben.
Hast du dir schon einmal überlegt, wer unsere Renten dereinst finanziert?
Schau nur mal Pamela und Yves, für sie stand immer die Karriere zuvorderst. Jetzt ist es für Kinder zu spät, und es bleibt ihnen wenig.
Zur Selbstverwirklichung haben wir als Eltern keine Zeit.
Du verdrängst das doch, irgendwann holt der Kinderwunsch jede Frau ein, das ist in einer Frau angelegt.
Hast du manchmal nicht Angst, dass im Alter niemand nach dir schaut?
Und ein Bekannter sagte mir einmal:
Ich saß mit meiner Frau im Garten bei einem Glas Wein, wir besprachen die Schulnoten unseres Sohnes, dass die Kleine so wenig schläft und die Große neuerdings die Tür zum Badezimmer abschließt, und dachten an euch, ob ihr wohl auch gerade bei einem Glas auf dem Balkon sitzt und worüber man redet, wenn man keine Kinder hat. Weil Kinder doch den Gesprächsstoff vorgeben. Was hat sich ein Paar ohne Kinder zu sagen?
Ich antworte ihm gerne:
Kinderlose Leute reden darüber, wohin sie das nächste lange Wochenende fahren.
Sie reden über das neue Buch von Jonathan Franzen.
Sie reden über die Aussage von Kim Cattrall, der Schauspielerin, die in einer Frauensendung auf BBC gesagt hat: »Ich bin keine biologische Mutter, und doch bin ich eine Mutter.« Dass sie junge Kolleginnen habe und Neffen und Nichten, denen sie nahestehe, die sie umsorge und berate und denen sie Vorbild und Mentorin sei, und dass der eigene Name nicht auf einem Geburtsschein stehen müsse, um sich als Mutter zu fühlen.
Sie beraten über das Restaurant, in dem sie am nächsten Abend essen.
Sie erzählen sich von ihrem Arbeitstag.
Sie reden darüber, ob man seinem Leben mehr Bedeutung gibt, wenn man sich in Kindern verewigt.
Sie reden über den Freund, der den Kontakt zu seinen Eltern abgebrochen hat.
Sie schenken sich noch ein Glas Champagner ein.
Sie küssen sich.
Sie überlegen sich, ob sie in die Nachtvorstellung gehen sollen.
Sie schauen zu, wie der Mond aufzieht.
Der eine von ihnen sagt: Das Kind wäre jetzt sechs Jahre alt. Wie es wohl aussehen würde?
Der andere sagt: Und was wohl mit uns passiert wäre?
WAS IN DIESEM ZIMMER
ALLES PASSIERT IST
Wenn zwei ein Hotelzimmer betreten, betreten sie einen Raum ohne Geschichte. Der Raum wirkt unberührt, es riecht nach nichts, obwohl hier immer andere Leute wohnen. Einsame Geschäftsmänner standen am Fenster und starrten in die Nacht, früher wählten sie den »Adult«-Channel, zu dem sie in Hotels berechtigter schienen, da es nicht unter Aufsicht geschah: des Ehepartners, des Über-Ichs, des Haustiers. Es muss hier Liebesnächte gegeben haben, heimliche und altvertraute. Es wurde Treue geschworen, ein Name geflüstert und das Ende beschlossen, es wurden Schwüre gebrochen und Pillen geschluckt, um es bis zum andern Morgen auszuhalten.
Zum Glück wissen die Neuankömmlinge nichts davon. Sie sind unbelastet. Fühlen sich selber fremd und ohne Bezüge, und ob man nicht auf der Stelle von Heimweh befallen wird, hängt davon ab, wer neben einem den Koffer zieht.
Verstörend ist ja bereits die Ankunft im Hotel, umso mehr in großen, gutklassigen Hotels. Als eine Passage von einem Ort an einen Nicht-Ort hat der amerikanische Autor Geoff Dyer in seinem Essay »Sex and Hotels« diesen Moment beschrieben. Die dienende Zurückhaltung des Portiers, der einem das Gepäck abnimmt. Der höfliche Gleichmut des Desk Managers, der um den Ausweis bittet. Dann das Durchschreiten der Lobby, als hätte man diplomatische Immunität erhalten. Man lässt seine Herkunft zurück, die niemanden interessiert. Alles wird bedeutungslos, ob man zusammengehört oder Namen hat, die nicht zusammengehören.
Nur eine Zimmernummer ist jetzt mit dem eigenen Namen verbunden. Man ruft den Lift, fährt hinauf. In der Spiegelkabine wird man spätabends nach dem letzten Drink die Anwesenheit als Paar mit einem Foto bezeugen, das man anderntags wieder löscht. Den langen Gang entlang, vorbei an Türen mit der