2030. Thomas Flichy De La Neuville

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2030 - Thomas Flichy De La Neuville

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reagieren und so den Zusammenbruch des Bankensystems beschleunigen würden. Über eine fatale Krise für den Euro hinaus würden vermutlich die Prinzipien der Freizügigkeit und der wirtschaftlichen Integration der EU vor dem Hintergrund politisch-gesellschaftlicher Proteste und einer Rezession in Frage gestellt.

      Die zweite, weniger dramatische Hypothese eines langsamen Niedergangs betrifft den Fall, dass notwendige Strukturreformen scheitern. Selbst wenn die schlimmsten Folgen der Wirtschaftskrise vermieden würden und die EU-Institutionen erhalten blieben, würde das Wirtschaftswachstum bei null verharren, aber vor allem der wachsende Euroskeptizismus zu einer „Renationalisierung der Auslandspolitik der einzelnen Staaten“ führen.

      Immerhin beschließt der Bericht seine drei kurzen Vorhersagen zu Europa – auf gerade einmal drei Seiten! – mit einer etwas optimistischeren Note. Dem Prinzip von Krise und Erneuerung folgend, könnte Europa sich auf dem föderalistischen Projekt einer Gruppe zugkräftiger Staaten gründen, das auch die Völker Europas unterstützen. Trotz der Spaltung in ein Europa der zwei Geschwindigkeiten „würde Europas Einfluss wachsen und dadurch die Rolle Europas und der multilateralen Institutionen auf globaler Ebene gestärkt werden“.16 Wie das geschehen soll, verschweigt der Bericht geflissentlich.

      Im Jahr 2030 steht es schlecht um die europäische Wettbewerbsfähigkeit, deren Grundpfeiler die Jugend, die Kreativität und das hohe Bildungsniveau der aktiven Bevölkerung, die Hochschulen und die Forschung bildeten. Die europäischen Gesellschaften sind überaltert, halten krampfhaft an ihren alten Gewissheiten fest und kultivieren die Freizeit als letzten Sinn und Zweck. Durch den zunehmenden Konkurrenzdruck insbesondere seitens der indischen, chinesischen, russischen, iranischen, brasilianischen, algerischen und mexikanischen Eliten gehen den europäischen Volkswirtschaften immer mehr Marktanteile verloren. Da die Exportverträge an einen signifikanten Technologietransfer in Richtung der Abnehmer gebunden sind, sehen sich die europäischen Industrien zur „Exzellenz“ gezwungen, um einen nennenswerten Vorsprung zu halten. Der Fachkräftemangel und das Fehlen einer proaktiven Politik lassen die Kunden von gestern, die den ethischen Arbeitsstandards inzwischen Folge leisten, 2030 zu aggressiven Konkurrenten werden. Die Verträge der Unternehmen der Flugzeug-, Raumfahrt-, Pharma-, Rüstungs-, Energie- und Transportindustrie werden nicht mehr auf Englisch, sondern auf Chinesisch und Arabisch abgefasst. Obwohl dies strategische Industriezweige sind, können die Golfstaaten ungehindert einzelne oder sogar sämtliche Flaggschiffe der europäischen Industrie mit Staatsfonds in ihren Besitz bringen – Hauptsache, die Defizite werden ausgeglichen und der immer weniger attraktive Euro wird gestützt.

      Der Grexit, ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone, und das damit verbundene Ende der Währungsunion würden unmittelbar zum Verlust der europäischen Einlagen in Athen und zum Anstieg der Defizite um mehrere Prozentpunkte führen. Die kolossalen Verluste würden nicht nur die ohnehin kränkelnden Volkswirtschaften der Länder zusätzlich schwächen, die Folge wäre auch eine Vertrauenskrise in die europäische Währung.

      Angesichts des Versagens sämtlicher politischer Lösungen wenden sich die Europäer massiv von der Politik ab. Das Machtwechselspiel auf nationaler Ebene und das demokratische Defizit der Europäischen Union nähren den Populismus und den Euroskeptizismus. Das Problem der Kontrolle der EU-Außengrenzen durch die Mitgliedstaaten zur Eindämmung der illegalen Einwanderung mit „Müll-Schiffen“ über das Mittelmeer wird so drängend, dass Länder wie Italien mit einem Austritt aus dem Schengenraum drohen.

      Die Alterung der europäischen Bevölkerung führt zu einer Überrepräsentation der Senioren in der Gesellschaft. Die auf Umlageverfahren beruhenden Rentensysteme kollabieren und stürzen die „Oldie-Boomer“ in prekäre Verhältnisse oder in eine – nicht nur finanzielle – Abhängigkeit von den jüngeren Generationen. Alt werden ist eine Sache, dabei gesund zu bleiben eine andere. Durch Umweltverschmutzung und elektromagnetische Strahlung, der die Menschen fast permanent ausgesetzt sind, nehmen die Krebsraten zu; nicht alle Hilfsbedürftigen können sich die Dienste eines Roboters, der in der Anschaffung sehr teuer ist und dafür vergleichsweise wenig kann, oder einer der seltenen Pflegekräfte leisten. Die wenigen vorhandenen Senioreneinrichtungen können sich nur einige Privilegierte leisten, gleichzeitig müssen viele öffentliche Einrichtungen schließen, weil die Finanzierung nicht mehr gesichert ist. Nicht selten ist das in harter Arbeit ein Leben lang erworbene Vermögen schon nach wenigen Jahren für die Finanzierung eines eher traurig zu Ende gehenden Lebensabends verbraucht.

      Die mit der digitalen Revolution verbundenen neuen Technologien, die lange Zeit als Domäne der jungen Generationen galten, durchdringen jetzt die Gesamtheit der europäischen Bevölkerung. Die Generation 65+ ebenso wie die 40-Jährigen, die mit diesen Technologien aufgewachsen sind oder seit Jahrzehnten damit leben, haben sie komplett in ihre Lebensweise integriert, die immer stärker von Chips, Displays und virtuellen Anwendungen abhängig ist.

      Die Entwicklung der Automatisierung verändert das Verhältnis zum Menschen grundlegend. Die Robotertechnik stellt inzwischen eine glaubwürdige Lösung für das immer drängendere Problem der Abhängigkeit der Senioren dar und bietet erstaunliche Lösungen, von denen alle profitieren. In Erweiterung der E-Dienste schweben leistungsstarke Drohnen durch die Lüfte der Siedlungen und beliefern diejenigen, die nicht mehr in der Lage sind, die Drive-ins anzusteuern, die jetzt fast alle Geschäfte ersetzt haben, mit Paketen und Vorräten.

      Künstliche Organe, insbesondere Herzen, beseitigen den leidigen Mangel an Spenderorganen. Exoskelette ermöglichen nicht nur Menschen mit Bewegungseinschränkungen das Gehen, sondern auch gesunden Menschen das Tragen von tonnenschweren Lasten, was für bestimmte Berufe einen großen Fortschritt bedeuten würde. Der wunde Punkt dieser Roboterrevolution ist jedoch, dass dadurch die meisten minderqualifizierten Arbeitsplätze überflüssig werden, während Berufe rund um die Programmierung oder Wartung der neuen Maschinen Hochkonjunktur haben.

      Das zwingende Bedürfnis, permanent und überall online zu sein, wird durch die „Chiplementierung“ gelöst, die Einpflanzung eines Chips in den menschlichen Organismus. Der Chip enthält nicht nur den fälschungs- und diebstahlsicheren Personalausweis, sondern auch Lebenslauf, Gesundheitskarte, Bankkarte, Adressbücher, Autoschlüssel, Wohnungsschlüssel usw. und vielleicht sogar die elektronische Fußfessel, die im Zusammenhang mit bestimmten Straftaten angewendet wird. So können besorgte Eltern entsprechende Benachrichtigungen erhalten, wenn beispielsweise ein Pädophiler nach Abbüßen seiner Strafe sich der Schule ihrer Kinder oder ihrem Haus nähert. Das einzige, was diese Entwicklungen aufhalten kann, die bereits im Gange sind, scheinen juristische Gründe zu sein.

      Während das Erscheinen der Smartphones in den 2000er Jahren das Verhältnis von Wissen und Erinnerung tiefgreifend veränderte – Gedächtnis- oder Wissenslücken lösten ein hektisches Tippen auf winzigen Displays aus, um eine Antwort im Netz zu finden –, verknüpfen jetzt integrierte Systeme aus intelligenten Brillen und elektronischen Implantaten die Menschen immer stärker untereinander und isolieren sie zugleich voneinander. Die Illusion der permanenten, grenzenlosen Kommunikation geht mit einem Unverständnis der elementarsten menschlichen Beziehungen einher. Weil der Andere über seine digitale Identität nicht zu begreifen ist, wird er immer ein Unbekannter bleiben.

      Im Bereich Fortbewegungsmittel bewahrheiten sich die sagenhaften Vorhersagen für das Jahr 2000 von fliegenden oder auf dem Wasser schwebenden Autos nicht, dafür gibt es aber selbstfahrende Autos. Die Entwicklung der Hybrid- und Elektroautos ist von Region zu Region unterschiedlich und hängt insbesondere vom politischen Willen und vom Zugang zu fossilen Rohstoffen ab, die in manchen Gegenden durch die Förderung von Ölsanden und Schiefergas in größeren Mengen verfügbar sind. In den USA beispielsweise verschwindet der Verbrennungsmotor zwar nicht, aber hubraumstarke Spritschlucker kommen aus der Mode, da sie als wenig ökologisch gelten in einem Land, in dem Benzin teuer bleibt.

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