2030. Thomas Flichy De La Neuville
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Der Ausschluss der armen Peripherieländer aus der Währungsunion
Verkörpert Griechenland die Missstände Europas? Indem dieses Land seine Zahlen schönte, um in die Eurozone aufgenommen zu werden, setzte es sich in frevelhaftem Übermut über das rechte Maß hinweg, welches das Schicksal vorgesehen hatte. Für die alten Griechen hatte dieses Verbrechen einen Namen, Hybris, und löste den gerechten Zorn der Götter aus, Nemesis, um das gestörte Gleichgewicht wiederherzustellen.
Doch nicht nur Griechenland ist mit Vermessenheit geschlagen, sondern die ganze Europäische Union. Gefangen in der Schuldenspirale, unfähig zur Wiederankurbelung der Wirtschaft, die möglicherweise nur eine Abwertung des Euro aus ihrer Lethargie holen kann, gebeutelt von sozialen Unruhen, die den Nährboden für Populismen verschiedenster Couleur bilden, beschließen Athen und Brüssel schließlich eine Scheidung in beiderseitigem Einvernehmen. Natürlich ist die Trennung nicht endgültig: Griechenland bleibt in der EU, aber in einem peripheren Maße, das an Margret Thatchers maximale Forderungen für eine Unabhängigkeit Großbritanniens erinnert.
In der EZB-Zentrale in Frankfurt wird das Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone zum Anlass genommen, um die europäische Einheitswährung grundlegend zu überdenken. Als starke Währung orientiert sich der Euro an der Deutschen Mark17, allerdings hat sich gezeigt, dass die Stabilität dieser Euro-Mark mit den weniger wettbewerbsfähigen Volkswirtschaften der südeuropäischen Länder, deren Handelsbilanzen traditionell defizitär sind, nicht zu gewährleisten ist. Ausgehend von der Feststellung, dass 20 Jahre Scheitern und Hyperinflation eine Verarmung der privaten Haushalte mit sich gebracht haben, verkleinert sich die Eurozone auf die verlässlichsten Mitglieder. Griechenland und Portugal scheiden als erste aus, gefolgt von Italien, Spanien und Zypern, wo der Rubel sich im Alltag durchgesetzt hat.
Der Euro bleibt zwar eine starke und stabile Währung, doch der Vertrauensverlust der privaten Haushalte ist groß. Um dem massenhaften Abziehen von Kapital vorzubeugen, werden die Spareinlagen der Bürger teilweise eingefroren, außerdem die Finanzströme erheblich beschränkt, um das Bankensystem vor dem Zusammenbruch zu retten. Zum Ausgleich erhalten die Sparer Staatsanleihen, die nur schwer konvertierbar sind und deren Wert vergleichbar ist mit dem von toxischen Wertpapieren, was teilweise zu heftigen Protesten führt. Doch dessen ungeachtet ergreifen die Regierungen sehr unpopuläre Maßnahmen, um das Währungs- und Finanzsystem zu stabilisieren.
Um Steuerstreiks vorzubeugen, erfolgt der Steuerabzug nun allgemein an der Quelle. Dadurch wird eine Steuerreform möglich, um neue Steuerzahler zu generieren. Neben einer Mehrwertsteuererhöhung und der Einführung eines Sonderbeitrags zur Finanzierung des Gemeinschaftshaushalts kommt es durch die Einführung der Steuerprogression, die 70 Prozent der Haushalte erfasst, zu einer allgemeinen Verringerung der Lasten, da diese jetzt nicht mehr nur von einem Drittel der Steuerpflichtigen getragen werden, von denen sich übrigens viele aus der Mittelschicht der Bewegung der „Steuerflüchtigen“ angeschlossen hatten.
Das Mittelmeer als Bollwerk gegen Migrationsbewegungen
Eine der größten Herausforderungen der 2010er Jahre ist der massive Zustrom von Migranten aus der afrikanischen Vierten Welt, die an den Küsten Europas stranden, nachdem sie tausend Gefahren überlebt haben, an Bord von Schiffswracks, die von Händlern gepachtet werden, die ihr Geschäft mit dem Elend machen. Wie soll man ein so lukratives Geschäft unterbinden, da der einstige Grenzschützer Libyen sich in einen failed State, einen gescheiterten Staat gewandelt hat, durch den die Routen der Schleuser führen, deren Ziel die italienische Küste ist?
Da in der EU die Personenfreizügigkeit gilt, geht diese Problematik, die einen humanitären, aber auch einen Sicherheitsaspekt hat, alle Mitgliedstaaten gleichermaßen etwas an. Terroristen haben die Gunst der Stunde genutzt und sich der Rettungs- und Aufnahmeinfrastruktur für schiffbrüchige Migranten bedient, um nach Europa zu gelangen und Anschläge zu verüben, die die Öffentlichkeit erschütterten. Die EU sieht sich zum Handeln gezwungen und stellt eine Seepolizei auf, die fast den gesamten Marineetat aufzehrt. Die unmittelbare Folge dieses Großaufgebots, das mit dem Aufgebot an Bodentruppen zur Wahrung der europäischen Binnensicherheit vergleichbar ist: Die EU gibt die Hochsee auf und zieht sich auf das Mittelmeer zurück, das alles für ein symbolisches Ergebnis, jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt einer EU-Militärintervention gegen terroristische Gruppierungen, die sich in Libyen festgesetzt haben.
In dem Bewusstsein, dass Europa nicht alle Elenden aufnehmen kann, die durch die Sogwirkung einer Politik der systematischen Rettung der Bootsflüchtlinge angezogen werden, muss die Europäische Union ihre Politik grundlegend ändern. Angesichts überfüllter Abschiebezentren und gewalttätiger Zusammenstöße zwischen Einheimischen, die sich in Selbstverteidigungsmilizen organisiert haben, und immer zahlreicher werdender Migranten haben die Entscheidungsträger auf Länder- und auf EU-Ebene drastische Maßnahmen beschlossen. Nach dem Vorbild Australiens, das seine Küsten seit vielen Jahrzehnten hermetisch abriegelt, führt die europäische Marine ein effizientes System ein, um die Migranten auf hoher See abzufangen und systematisch an die afrikanischen Küsten zurückzubegleiten. Ähnlich wie im alten Partnerschaftsvertrag zwischen Libyen unter Gaddafi und Italien enthalten auch die neuen Wirtschaftsvereinbarungen mit den Ländern Nordafrikas Klauseln über die Abriegelung ihrer Küsten und Staatsgebiete gegen Schleuser.
Eurokorps
Durch die Wirtschaftskrise 2018 sahen sich die politischen Entscheidungsträger gezwungen, eine Manövriermasse im Haushalt zu finden. Unter Berücksichtigung der erfolgten Herabstufung haben sich Deutschland, Frankreich und Großbritannien, denen sich auch Spanien, Italien, Österreich und die Beneluxstaaten angeschlossen haben, für den Weg einer immer engeren Integration ihrer Streitkräfte im Rahmen des umgestalteten Eurokorps entschieden. Dieses neue Eurokorps ist weit davon entfernt, das Instrument einer europäischen Großmacht zu sein, und ersetzt die Deutsch-Französische Brigade, die regionale Spezialisierung und historisches Erbe miteinander verbindet.
Jedes Land hat weiterhin seine eigene Streitmacht, allerdings stark verkleinert (die Landstreitkräfte bestehen aus 60.000 Soldaten), dafür sind die Mittel für die Elite-Spezialeinheiten gebündelt worden. Frankreich konnte nach Einreichung des zigsten Weißbuches die Schule für Luftlandetruppen in Pau retten und als alleiniges Ausbildungszentrum für Fallschirmjägereinheiten in Westeuropa ausbauen, musste aber die Hochgebirgstruppen opfern. Die Gebirgsjägerbrigade ist jetzt in Italien stationiert, vereint französische, österreichische, italienische und deutsche Einheiten und integriert französische und italienische Traditionslinien. Für Kampfschwimmer gibt es ebenfalls nur noch ein Ausbildungszentrum in Italien; die Einrichtung einer EU-Sondereinsatzkräfte-Brigade für die Abwehr von Terrorgefahren ist in Planung.
Der Einsatz der Marineeinheiten der EU-Staaten beschränkt sich nunmehr auf Polizeimissionen an den Mittelmeerküsten, um den täglich wachsenden Zustrom von Migranten aus Subsahara-Afrika einzudämmen. Während Frankreich das Projekt eines zweiten Flugzeugträgers endgültig aufgibt, gehen auf EU-Ebene die Ambitionen nicht