Zehn Jahre nach Oscar Cullmanns Tod: Rückblick und Ausblick. Группа авторов
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Im Herbst 1999 verpackten Armin Mettler und ich, unterstützt von Mathieu Arnold und der langjährigen Cullmann-Freundin Ingalisa Reicke,11 den gesamten vorhandenen Bestand an Papieren, Büchern und Dokumenten grob sortiert in 133 Kartons, die mitten im Winter von einer Basler Transportfirma nach Chamonix transportiert und im Keller der Villa Alsatia aufgestapelt wurden. Im Haus bestand die erste Aufgabe darin, dem Archiv den nötigen Platz zu schaffen. Im Oberstock richteten wir die ehemalige Zweitküche mit geschenkten und billig beim Althändler erstandenen Registraturkästen als Archivraum ein. Das vorher kaum benutzte Familienzimmer daneben, ausgestattet mit den Möbeln aus der Basler Studierstube und dem Strassburger Familientisch als Zentrum, diente als Arbeitsraum. Das Auspacken begann mit den Bücherkartons. Die Sammlung der Veröffentlichungen Oscar Cullmanns füllte den grossen Bücherschrank im Arbeitsraum. Ausgehend von den gedruckten Bibliographien von Willy Rordorf (1962), Heiko Heck (1972), und Matthieu Arnold (1992 und 1999) stellte ich in einer elektronischen Datei eine neue Gesamtbibliographie zusammen, die heute 833 Nummern umfasst.12 Jedes Buch und jeder einzelne Aufsatz, gleich in welcher Sprache, erhielt eine annähernd chronologisch bestimmte Ordnungszahl, die wir auf die vorhandenen Archivexemplare aufklebten. Der Hausherr hatte im Hinblick auf den Plan eines Cullmann-Zentrums in der Villa Alsatia schon zu seinen Lebzeiten in den meisten Zimmern Bücherregale einbauen lassen. Auf diesen stellte ich die Arbeitsbibliothek, von der leider kein Katalog existiert, nach Sachgebieten geordnet auf, soweit Platz vorhanden war. Einige Kategorien wie die patristische Literatur und vor allem die Sammlung der (grob geschätzt) 10 000 Sonderdrucke blieben bis zum Schluss ungeordnet in ihren ursprünglichen Kartons. Mit der Aufstellung der Veröffentlichungen und der Bibliothek im Haus war das wichtigste Arbeitsinstrument geschaffen, an der sich die Aufarbeitung des Archivmaterials orientieren musste.
Die eigentliche Arbeit an den Papieren begann im Frühjahr 2000. Es muss hier daran erinnert werden, dass diese Arbeit unter alles andere als idealen Bedingungen geleistet wurde. Die Hauptlast fiel mir als «Ruheständler» zu, aber angesichts vielfältiger anderer Verpflichtungen und Projekte in Europa und den USA, wo ich meinen eigentlichen Wirkungskreis hatte und |16| noch habe, konnte ich immer nur ab und zu Zeit für das enorme Projekt frei machen. Über die Jahre waren es in der Regel zwei oder drei Blöcke von zwei bis vier Wochen pro Jahr, die ich im Archiv verbringen konnte. Natürlich hatte ich wertvolle Hilfe. Im Sommer 2001 kam Willy Rordorf für vier bis fünf Tage und verzeichnete eine Reihe von Manuskripten. Im gleichen Jahr war Matthieu Arnold für zehn Tage im Haus und arbeitete an den Briefen des Kartons 73. Seit 2006 kümmerte sich Armin Mettler in eigener Verantwortung um die Erschliessung des Materials zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Armin Mettler war es auch, der sich von Anfang an getreulich und kompetent der praktischen Seiten unseres Arbeitslebens in der Villa annahm. Wenn er da war, sorgte er für eine anständige Küche, reparierte das Nötige und hielt Haus und Garten in Ordnung. Er hielt die Verbindung zu den örtlichen Bekannten, verhandelte mit den Handwerkern und schaufelte bei Schneefall den Pfad zur Strasse frei. Ohne ihn wäre nichts gelaufen, auch nicht die Verpackung und der Transport des Archivs nach Basel im Frühjahr 2009. Es kamen andere Erschwernisse hinzu. Für die Arbeit benutzten wir unsere eigenen Computer, Drucker und Büromaterialien. Ein Scanner oder eine Kopiermaschine waren nicht vorhanden, und zur Erledigung von E-Mail und Recherchen im Internet mussten wir in den Ort gehen, wo das Touristenbüro freien Internetzugang anbot.
Die Systematik der Bearbeitung des Nachlasses war anfangs denkbar einfach. Wir öffneten einen Karton nach dem andern und versuchten, seinen jeweiligen Inhalt zu sortieren und dann elektronisch in Computerdateien zu verzeichnen. Ich hatte schon früh eine vorläufige Liste von 45 Sachkategorien zusammengestellt, die alle in den Glasschränken des Arbeitsraums ihren Platz erhielten und sich langsam füllten. Das Problem war, dass in der Basler Wohnung nur einiges wenige geordnet vorlag. Das meiste Material fand sich überall verstreut und sorgte beim Auspacken immer wieder für Überraschungen. Es ist mir eine gewisse Genugtuung, dass die vorläufige Einteilung sich im Ganzen bewährt hat. Das von der Universitätsbibliothek jetzt eingerichtete «Findbuch», das nach den Regeln moderner Nachlassbearbeitung mit der ihr eigenen Systematik angelegt ist und die Benutzung der Materialien ermöglicht, liess sich aufgrund dieser intuitiven Vorarbeit ohne grosse Schwierigkeiten herstellen.13
Als eine genügende Anzahl von Kartons geöffnet und ihr Inhalt auf die entsprechenden Stösse von Papieren verteilt war, ging es an die Analyse des Materials. Es war uns klar, dass die wichtigsten und umfangreichsten Kategorien die Manuskripte und die Korrespondenz sein würden. Wir fassten |17| den Begriff «Manuskripte» sehr weit und ordneten hier alles von Oscar Cullmann selbst Geschriebene ein, vom Einzelblatt bis zum vollständigen Buch- oder Vorlesungsmanuskript. Auch alle seine erhaltenen Briefentwürfe und -kopien gehörten ursprünglich hier hin. Anfangs begnügten wir uns mit sehr kurzen Inhaltsangaben in einer sich ständig erweiternden Computerdatei. Die Durchsicht der ersten Vorlesungsmanuskripte zwang aber schon bald zu einer sehr viel eingehenderen Beschreibung, und am Schluss bestand die Datei aus etwa 700 chronologisch geordneten Einträgen, die auf zwei Zeilen Datum, Sprache, Schriftform (Handschrift oder Maschinenschrift), Umfang, Genre und Titel angeben und dann mehr oder wenig ausführliche Anmerkungen zum Inhalt bieten. Die Originale liegen in Mappen, deren Etiketten die ersten zwei Datenzeilen kopieren und in die ein Beschreibungsblatt mit diesen Angaben und den Anmerkungen eingelegt ist. Als in den letzten Jahren deutlich wurde, dass doch mehr Briefkopien und -entwürfe von Cullmanns Hand vorhanden sind, als wir annahmen, wurden die Briefmanuskripte Oscar Cullmanns als Sondergruppe unter die Korrespondenz eingereiht.14 Diese Sondergruppe könnte noch beträchtlich wachsen, wenn, wie es dankenswerterweise schon anlässlich des Symposiums zum 100. Geburtstag im Jahr 2002 der Fall war, möglichst viele Freunde und Bekannte ihre an sie gerichteten Cullmann-Briefe im Original oder in Fotokopien dem Archiv zur Verfügung stellen würden.
Die Gesamtkategorie «Korrespondenz» selbst ist ausserordentlich umfangreich. Zwar schrieb Cullmann alle Korrespondenz von Hand15 und in der Regel eben ohne Kopie oder Durchschlag, so dass das Archiv weitgehend ohne die eine Seite des Briefwechsels auskommen muss. Trotzdem sind die Briefe seiner Korrespondenten fast vollständig vorhanden. Cullmann warf praktisch keine erhaltene Post fort. Wir fanden viele Briefe geöffnet in ihren ursprünglichen Umschlägen, freilich meist ohne die Briefmarken, welche die Cullmanns für ihre Sammlungen auszuschneiden pflegten. Ihre Briefmarkensammlungen, einschliesslich der vom Schwager Fritz Klein16 geerbten, hat die Fondation de France schon 1999 verkauft. Es existieren vier Gruppen von Mappen mit Korrespondenz. Abgesehen von der bereits erwähnten Sondergruppe der Briefe Cullmanns besteht die Hauptgruppe aus etwa 1700 |18| alphabetisch geordneten Mappen von Korrespondenten, in denen jeweils gesammelt ist, was als von diesen Personen an Cullmann geschrieben identifiziert werden konnte.17 Bis in die letzten Monate der Archivarbeit tauchten immer wieder neue Briefpakete und Einzelbriefe auf, wenn andere Kategorien bearbeitet wurden. Aus diesem Grund ist der Inhalt dieser Mappen noch nicht im Einzelnen beschrieben, etwa nach der Anzahl der vorhandenen Schriftstücke, die von zwei Stücken bis zu Dutzenden von Briefen betragen