Zehn Jahre nach Oscar Cullmanns Tod: Rückblick und Ausblick. Группа авторов

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Zehn Jahre nach Oscar Cullmanns Tod: Rückblick und Ausblick - Группа авторов Basler und Berner Studien zur historischen Theologie (BBSHT)

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hatte. Ich musste ihr erklären, was ein «Theologe» ist und tut. Als der Anblick eines überfüllten Bücher­regals sie zur Frage veranlasste: «Ist schon so viel über ihn publiziert worden?», war die Überraschung gross, als ich ihr sagte: «nicht über ihn, sondern von ihm!», und auch die hand­schriftlichen Widmungen von drei Päpsten in einigen prächtigen Ge­schenkbänden verfehlten ihre Wirkung nicht.10 Was die Dame eigentlich wissen wollte, war der Geldwert des Gan­zen und der Umfang dessen, was zu behalten und was als Altpapier aus­zuscheiden sei. Nach drei Tagen, in denen ich mir einen Über­blick über das Vorhandene verschaffte, war die Antwort klar: Einen Geldwert habe der Papierberg nicht, erklärte ich, aber die gelehrte Welt würde es der Fondation de France nie verzeihen, wenn auch nur ein Blatt weggeworfen würde. Es handle sich um einen bedeu­tenden Gelehrtennachlass, wie man ihn nur selten zu Gesicht be­kommt, und der müsse erhalten bleiben. Das Argument hatte die gewünschte Wir­kung. Meine Stichproben hatten mich überzeugt, dass praktisch alles Schriftliche aus Cullmanns langem Leben aufbewahrt |15| worden war und es damit eine das gesamte 20. Jahrhundert umspannende einzigartige Quelle der Theologie- und Kulturgeschichte zu retten galt.

      Im Herbst 1999 verpackten Armin Mettler und ich, unterstützt von Mathieu Ar­nold und der langjährigen Cullmann-Freundin Ingalisa Reicke,11 den gesamten vorhan­denen Bestand an Papieren, Büchern und Dokumenten grob sortiert in 133 Kartons, die mitten im Winter von einer Basler Trans­portfirma nach Chamonix transportiert und im Keller der Villa Alsatia auf­gestapelt wurden. Im Haus bestand die erste Aufgabe darin, dem Archiv den nötigen Platz zu schaffen. Im Oberstock richteten wir die ehemalige Zweit­küche mit geschenkten und billig beim Althändler erstandenen Re­gistra­turkästen als Archivraum ein. Das vorher kaum benutzte Fami­lien­zimmer daneben, ausgestattet mit den Möbeln aus der Basler Studierstube und dem Strassburger Familientisch als Zentrum, diente als Arbeitsraum. Das Aus­packen begann mit den Bücherkartons. Die Sammlung der Veröffentli­chungen Oscar Cull­manns füllte den grossen Bücherschrank im Arbeitsraum. Ausgehend von den ge­druckten Bibliographien von Willy Rordorf (1962), Heiko Heck (1972), und Matt­hieu Arnold (1992 und 1999) stellte ich in einer elektronischen Datei eine neue Gesamtbibliographie zusammen, die heute 833 Nummern umfasst.12 Jedes Buch und jeder einzelne Aufsatz, gleich in welcher Sprache, erhielt eine annähernd chronolo­gisch bestimmte Ord­nungszahl, die wir auf die vorhandenen Archivexemplare auf­klebten. Der Hausherr hatte im Hinblick auf den Plan eines Cullmann-Zentrums in der Villa Alsatia schon zu seinen Lebzeiten in den meisten Zimmern Bücher­regale einbauen lassen. Auf diesen stellte ich die Arbeits­bibliothek, von der leider kein Katalog existiert, nach Sachgebieten geordnet auf, soweit Platz vorhanden war. Einige Kategorien wie die patristische Literatur und vor allem die Sammlung der (grob geschätzt) 10 000 Sonder­drucke blieben bis zum Schluss ungeordnet in ihren ursprünglichen Kartons. Mit der Auf­stellung der Veröffentlichungen und der Biblio­thek im Haus war das wich­tigste Arbeitsinstrument geschaffen, an der sich die Auf­arbeitung des Ar­chivmaterials orientieren musste.

      Die eigentliche Arbeit an den Papieren begann im Frühjahr 2000. Es muss hier daran erinnert werden, dass diese Arbeit unter alles andere als idealen Bedingungen geleistet wurde. Die Hauptlast fiel mir als «Ruhe­ständ­ler» zu, aber angesichts viel­fältiger anderer Verpflichtungen und Projekte in Europa und den USA, wo ich mei­nen eigentlichen Wirkungskreis hatte und |16| noch habe, konnte ich immer nur ab und zu Zeit für das enorme Projekt frei machen. Über die Jahre waren es in der Regel zwei oder drei Blöcke von zwei bis vier Wochen pro Jahr, die ich im Archiv verbringen konnte. Natürlich hatte ich wertvolle Hilfe. Im Sommer 2001 kam Willy Rordorf für vier bis fünf Tage und verzeichnete eine Reihe von Manuskripten. Im gleichen Jahr war Matthieu Arnold für zehn Tage im Haus und arbeitete an den Briefen des Kar­tons 73. Seit 2006 kümmerte sich Armin Mettler in eigener Verant­wortung um die Erschliessung des Materials zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Armin Mettler war es auch, der sich von Anfang an getreulich und kom­petent der praktischen Seiten unseres Arbeitslebens in der Villa annahm. Wenn er da war, sorgte er für eine anständige Küche, reparierte das Nötige und hielt Haus und Garten in Ordnung. Er hielt die Verbindung zu den örtlichen Bekannten, verhandelte mit den Handwerkern und schaufelte bei Schneefall den Pfad zur Strasse frei. Ohne ihn wäre nichts gelaufen, auch nicht die Verpackung und der Transport des Archivs nach Basel im Frühjahr 2009. Es kamen andere Erschwernisse hinzu. Für die Arbeit benutzten wir unsere eigenen Computer, Drucker und Büromaterialien. Ein Scanner oder eine Kopierma­schine waren nicht vorhanden, und zur Erledigung von E-Mail und Recherchen im Internet mussten wir in den Ort gehen, wo das Touristenbüro freien Internetzugang anbot.

      Die Systematik der Bearbeitung des Nachlasses war anfangs denkbar einfach. Wir öffneten einen Karton nach dem andern und versuchten, seinen jeweiligen Inhalt zu sortieren und dann elektronisch in Computerdateien zu verzeichnen. Ich hatte schon früh eine vorläufige Liste von 45 Sachkategorien zusammengestellt, die alle in den Glasschränken des Arbeitsraums ihren Platz erhielten und sich langsam füllten. Das Problem war, dass in der Basler Wohnung nur einiges wenige geordnet vorlag. Das meiste Material fand sich überall verstreut und sorgte beim Auspacken immer wieder für Überra­schun­gen. Es ist mir eine gewisse Genugtuung, dass die vorläufige Eintei­lung sich im Ganzen bewährt hat. Das von der Universitätsbibliothek jetzt eingerichtete «Findbuch», das nach den Regeln moderner Nachlass­bear­beitung mit der ihr eigenen Systematik angelegt ist und die Benutzung der Materialien ermög­licht, liess sich aufgrund dieser intuitiven Vorarbeit ohne grosse Schwierigkeiten herstellen.13

      Als eine genügende Anzahl von Kartons geöffnet und ihr Inhalt auf die entspre­chenden Stösse von Papieren verteilt war, ging es an die Analyse des Materials. Es war uns klar, dass die wichtigsten und umfangreichsten Kate­gorien die Manuskripte und die Korrespondenz sein würden. Wir fassten |17| den Begriff «Manuskripte» sehr weit und ordneten hier alles von Oscar Cullmann selbst Geschriebene ein, vom Ein­zelblatt bis zum voll­ständigen Buch- oder Vorlesungsmanuskript. Auch alle seine erhaltenen Briefentwürfe und -kopien gehörten ursprünglich hier hin. Anfangs be­gnüg­ten wir uns mit sehr kurzen Inhaltsangaben in einer sich ständig erwei­ternden Computer­datei. Die Durchsicht der ersten Vorlesungsmanuskripte zwang aber schon bald zu einer sehr viel eingehenderen Beschreibung, und am Schluss bestand die Datei aus etwa 700 chronologisch geordneten Einträgen, die auf zwei Zeilen Datum, Sprache, Schriftform (Handschrift oder Maschinenschrift), Umfang, Genre und Titel angeben und dann mehr oder wenig ausführliche Anmerkungen zum Inhalt bieten. Die Origi­nale liegen in Mappen, deren Eti­ketten die ersten zwei Datenzeilen kopieren und in die ein Beschreibungs­blatt mit diesen Angaben und den Anmerkun­gen eingelegt ist. Als in den letzten Jahren deutlich wurde, dass doch mehr Briefko­pien und -entwürfe von Cullmanns Hand vorhanden sind, als wir annahmen, wur­den die Brief­manuskripte Oscar Cullmanns als Sonder­gruppe unter die Korrespondenz eingereiht.14 Diese Sondergruppe könnte noch beträchtlich wachsen, wenn, wie es dankenswerterweise schon anläss­lich des Symposiums zum 100. Ge­burtstag im Jahr 2002 der Fall war, möglichst viele Freunde und Bekannte ihre an sie gerichteten Cullmann-Briefe im Original oder in Fotokopien dem Archiv zur Verfügung stellen würden.

      Die Gesamtkategorie «Korrespondenz» selbst ist ausserordentlich um­fang­reich. Zwar schrieb Cullmann alle Korrespondenz von Hand15 und in der Regel eben ohne Kopie oder Durchschlag, so dass das Archiv weitgehend ohne die eine Seite des Briefwechsels auskommen muss. Trotzdem sind die Briefe seiner Korrespondenten fast vollständig vorhanden. Cullmann warf praktisch keine erhaltene Post fort. Wir fanden viele Briefe geöffnet in ihren ursprünglichen Umschlägen, freilich meist ohne die Briefmarken, welche die Cullmanns für ihre Sammlungen auszuschneiden pfleg­ten. Ihre Briefmarken­sammlungen, einschliesslich der vom Schwager Fritz Klein16 geerbten, hat die Fondation de France schon 1999 verkauft. Es existieren vier Grup­pen von Mappen mit Korrespondenz. Abgesehen von der bereits erwähnten Sonder­gruppe der Briefe Cullmanns besteht die Hauptgruppe aus etwa 1700 |18| alphabetisch geordneten Mappen von Korrespondenten, in denen jeweils gesammelt ist, was als von diesen Personen an Cullmann geschrieben iden­tifiziert werden konnte.17 Bis in die letzten Monate der Archivarbeit tauchten immer wieder neue Briefpakete und Einzelbriefe auf, wenn andere Kate­gorien bearbeitet wurden. Aus diesem Grund ist der Inhalt dieser Map­pen noch nicht im Einzelnen beschrieben, etwa nach der Anzahl der vor­handenen Schriftstücke, die von zwei Stücken bis zu Dutzenden von Briefen betragen

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