Harras - der feindliche Freund. Winfried Thamm

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Harras - der feindliche Freund - Winfried Thamm

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war sein Grinsen eher verlegen und sein Blick ging nach unten. Wir tranken und rauchten. Dann machte er weiter:

      „Dafür hattest du das mit den Mädels ja überhaupt nicht raus. Wenn du wüsstest, wie viele Tussis dich wegen deiner Musik, deinen Weltverbesserungsliedern und deiner sanften Stimme angehimmelt haben. Aber du hast das überhaupt nicht gemerkt und dich immer in die Falschen verguckt. Selbst die hast du nur aus der Entfernung angestarrt, nicht mal ordentlich angebaggert, sondern platonisch angeschmachtet und dir nachts allein einen runtergeholt.“

      Er lachte lauthals auf. Mir blieb das Lachen im Hals stecken.

      „Ja, stimmt. Du Arschloch. Du bist echt noch so übel drauf wie früher.“

      Ich spürte wieder den Feind in ihm.

      Ein Friedensangebot meinerseits: „Mit den Mädels hattest du überhaupt keine Probleme. Du warst immer so arrogant und selbstbewusst, dass sie dir nur so zuflogen. Das habe ich nie verstanden. Manchmal hatte ich den Eindruck, sie suchten deine Demütigungen.“

      „Ich habe die Frauen nicht erfunden. Warum sie so sind, dafür kann ich nichts. Ich kann halt Liebe nur und sonst gar nichts“, sang er schräg, wie immer.

      Er schaute dabei so pseudo-unschuldig und charmant, dass ich es schon fast wieder verstand.

      „Und du hast dann die Ulli angemacht, obwohl du wusstest, wie unsterblich ich in sie verliebt war, du Sausack. Aber lang ist’s her, Schwamm drüber.“

      „Ich wollte dir nur mal zeigen, wie einfach das ist. Es war eine Lektion, mehr nicht. Aber du mit deinen katholisch verklebten Augen hast das nicht verstanden. Klappt es denn jetzt besser mit dir und den Frauen?“

      Ich stellte die Ohren auf. Ob wir in diesem Augenblick die Kurve zur Gegenwart kriegten? Denn es interessierte mich schon, was der jetzige Harras so machte.

      „Du kannst beruhigt sein, ich brauche keine neuen Nachhilfestunden mit dem Holzhammer von dir. Ich habe nach langem Suchen und Ausprobieren eine wunderbare Frau gefunden, die ich vor sieben Jahren geheiratet habe. Und wir haben einen siebenjährigen Sohn zusammen, den kleinen Karl. Danke, es geht mir gut.“ Ich sah ihn stolz an.

      „Ja, so was Ähnliches hab’ ich mir gedacht. Also doch nichts dazugelernt.“ Er lachte lauthals seine Hyänenlache und stieß mit mir an.

      „Prost, du alter Biedermann.“

      „Prost, du altes, arrogantes Arschloch.“

      Wir tranken.

      „Und wie geht es dir mit den Frauen?“, forschte ich nach.

      „Ich war und bin ein Jäger. Die Jagd an sich ist spannend. Das Balzen und Turteln und Lügen und Machen. Und das Erlegen. Der Fick. Danach ist tote Hose. Herz, nein danke. Ach, weißt du, Anna, die hatte was, was ich bei keiner wiedergefunden habe. Dass ich die habe sausen lassen, war ein großer Fehler. Der Leichtsinn der Jugend. Ansonsten, die Liebe ist ein Ideal. Und jede Frau hat nur einen kleinen Teil dieses Ideals in sich. Keine kommt da nur annähernd dran. Ich sammle diese Teile wie ein Puzzle, ich bin ein Neandertaler, wenn du verstehst. Am liebsten raube ich sie aus den Armen anderer Männer, vorzugsweise Piraten. Das ist geil und ziemlich spannend. Das mit der Kleinfamilienidylle wäre nichts für mich. Die Gattin ficken und dabei an andere heiße Teile denken, nee.“

      „Du bist und bleibst der Typ der diabolischen Nachsätze.“

      „Komm, jetzt frag schon, was ich beruflich mache, womit ich meine Brötchen verdiene. Dann haben wir’s hinter uns.“ Und wieder dieses Grinsen.

      „Genau, das wäre die nächste Frage gewesen. Jetzt sag schon.“ Ich fühlte mich durchschaut. Der alte Seher war er auch immer noch.

      „Ich verdiene mein Geld als Geier. Mit guten Drähten zu Banken, Steuerbehörden und anderen wichtigen Leuten. Auch das Internet ist da eine große Hilfe. Ich kaufe Immobilien von Leuten, die schlecht bei Kasse sind, billig auf und verhökere sie teuer an Leute, die Geld haben. Vorher lasse ich diese Objekte optisch gut durchrenovieren. Ich kenne da so ’n paar Polen, die das preiswert hinkriegen, und dann gehen sie weg wie warme Semmeln. Ich arbeite zu Hause nur mit PC, Internet und Telefon. Hier und da bin ich zu Hausbesichtigungen auch mal unterwegs. Wenn ich das nicht täte, täte es ein anderer. Tätärätätä.“ Sein Grinsen war keineswegs schuldbewusst. „Und du? Um dieses langweilige Thema abzuschließen.“

      „Du nimmst es von den Loosern, ich nehme es von den Aufstrebenden. Für Betriebsleiter mittelgroßer Firmen, Manager der mittleren Ebene und Geschäftsführer sozialer Einrichtungen führe ich Seminare durch zu Zeitmanagement, Qualitätssicherung und Personalführung. Ich habe ein kleines Büro mit fünf Mitarbeitern in der Schulung und einer Sekretärin. Das läuft ganz gut. Du bist der Leichenfledderer und ich der Geburtshelfer, siehste.“ Ich grinste hämisch.

      „Prost, du guter Mensch von Sezuan. Du machst dir doch nichts vor, oder?“

      „Nein, an unseren alten Maßstäben gemessen sind wir beide auf der falschen Seite gelandet.“

      „Nicht an unseren, an deinen Maßstäben gemessen, achte drauf. Damit bist du das Schwein.“

      „Prost, auf mich, das Schwein und auf dich, den Satan.“ Wir lachten und tranken und erzählten wieder von früher und damals. An diesem Abend war auch das Gefühl von alter, unerschütterlicher Freundschaft wieder da. Schließlich gab ich ihm meine Visitenkarte, wir bestätigten uns gegenseitig einen netten Abend und er versprach, sich bald zu melden. Als ich das Fest verließ, so gegen halb vier, war ich ziemlich betrunken.

      Kapitel 6

      13. Juli 2001

      Zwischendurch will ich wieder einmal zu mir in der Jetztzeit zurückkommen. Bisher habe ich ja nur ein „äußeres Bild“ vermittelt. Sie sollten schon etwas Geduld aufbringen, etwas über mein Innenleben und meine Einstellung zur Welt als Mann in den mittleren Jahren zu erfahren, bevor ich das schildere, was dann alles geschah, was mich schließlich aus der Bahn warf und überrollte.

      Ich liege also jetzt im Krankenhaus und habe Zeit, Zeit für die Warum-Fragen des Lebens. Als ich zum ersten Mal wahrnahm, eben diese Zeit zu haben, nach den ersten heftigen und akuten Schmerzen in meiner neuen Lebenssituation, war ich so aufgedreht, dass ich gar nicht wusste, wo ich anfangen sollte. Woher komme ich, wohin gehe ich, wann fährt der letzte Bus. So ein Woody-Allen-Syndrom befiel mich wie ein allergischer Juckreiz. Und es wurde mir schon klar, anhand meiner Themenprioritätenliste – schließlich bin ich vom Fach – dass es mir nicht um die grundlegende Infragestellung von zivilisatorischen Werten ging. So versuchte ich zuerst, durch die Erstellung einer Negativ-Mindmap die Warum-Fragen, die mich nicht so berührten, auszuschließen:

      Die Frage, was vor dem Urknall war, finde ich immer noch interessant, hat mir aber ein Schlaukopf namens Stephen Hawking beantwortet: Vor dem „Big Bang“ existierten einfach weder Raum noch Zeit. Und wenn es damals keine Zeit gab, dann gab es auch kein „Vorher“. Dass ich mir das nicht so richtig vorstellen kann, finde ich nicht so tragisch, weil mich das bisher weder von meinem nächsten Seminar noch vom Squashspielen abgehalten hat.

      Wie und warum das Leben sich über die diversen Millionen von Jahren so entwickelte, dass der Mensch nicht das Ende der evolutionären Fahnenstange ist und wir deshalb unsere arroganten Nasen ruhig etwas weniger hoch tragen sollten – vielleicht ging es uns ja bald ähnlich wie den Dinosauriern, nur eben selbstverschuldet – das hatte ich ja schon

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