Wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen. Selma Lagerlöf

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Читать онлайн книгу Wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen - Selma Lagerlöf страница 27

Wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen - Selma Lagerlöf

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zwischen Federn und Flaum gebettet lag, konnte er gar nichts sehen und nur schlecht hören. Dann konnte er nicht über die Sicherheit des weißen Gänserichs wachen, und das war ja das einzige, was ihm wichtig war. Und wie gut war es gewesen, daß er in dieser Nacht nicht geschlafen hatte, sonst hätte er nicht den Marder und den Otter verjagen können. Nein, es mochte mit dem Schlaf gehen wie es wollte, er durfte jetzt nicht mehr an sich selbst, er mußte in erster Linie an den Gänserich denken.

      Der Junge saß auf einem Balkon, der nach Süden ging, so daß er die Aussicht auf das Meer hatte. Und da er nun doch nicht schlafen konnte und das Meer mit seinen Landzungen und Buchten vor sich hatte, mußte er unwillkürlich denken, wie schön das sei, wenn Meer und Land so zusammenstießen wie hier in Blekinge.

      Nach all dem, was er gesehen hatte, konnten Meer und Land auf die verschiedenste Weise zusammentreffen. An vielen Orten kam das Land zum Meer hinunter mit flachen hügeligen Wiesen, und das Meer kam ihm mit Flugsand entgegen, den es in Haufen und Wällen niederlegte. Es war, als könnten sich die beiden so wenig leiden, daß sie einander nur das Schlechteste, was sie besaßen, zeigen wollten; aber es kam auch vor, daß das Land, wenn das Meer zu ihm hinkam, eine Gebirgsmauer vor sich aufrichtete, als sei das Meer etwas Gefährliches, und wenn das Land dies tat, fuhr das Meer mit wilder Brandung darauf los, peitschte und schnaubte und schlug gegen die Klippen und sah aus, als wolle es das Hügelland zerreißen.

      Hier in Blekinge aber ging es anders zu, wenn Meer und Land zusammenkamen. Hier zersplitterte das Land sich in Landzungen und Inseln und Holme, und das Meer verteilte sich in Fjorde und Buchten und Sunde, und daher kam es vielleicht, daß es aussah, als wollten die beiden einträchtig und friedlich zusammenkommen.

      Jetzt dachte der Junge vor allem an das Meer. Es lag so einsam und verlassen und unendlich da und wälzte nur immerfort seine grauen Wogen. Wenn es sich dem Land näherte und auf das erste Eiland traf, überflutete es dieses, riß alles Grüne ab und machte es ebenso kahl und grau wie es selbst ist. Dann traf es wohl nochmals auf ein Eiland, und mit diesem ging es ebenso. Und abermals traf es auf ein Eiland, ja, und da ging es genau wie bei den vorigen. Auch dieses wurde entkleidet und geplündert, als ob es in Räuberhände gefallen wäre. Aber dann wurden die Schären immer dichter, und das Meer sah wohl ein, daß das Land ihm seine kleinen Kinder entgegenschickte, es zur Milde zu bewegen. Es wurde auch immer freundlicher, je weiter es hereinkam, es rollte seine Wogen weniger hoch, dämpfte seine Stürme, ließ das Grüne in den Spalten und Rinnen stehen und verteilte sich in kleine Sunde und Buchten, und am Land drinnen war es schließlich so ungefährlich, daß sich kleine Boote auf die sanfte Flut hinauswagten. Es kannte sich gewiß selbst nicht mehr, so hold und freundlich war es geworden.

      Alsdann dachte der Junge an das Festland. Ernst lag es da und war fast überall gleich. Es bestand aus flachen Ackerfeldern, zwischen denen hier und da ein von Birken eingefriedigter Weideplatz lag, oder auch aus langgestreckten, bewaldeten Bergrücken; es lag da, als dächte es nur an Hafer und Rüben und Kartoffeln, an Tannen und Fichten. Dann kam eine Meeresbucht, die tief ins Land einschnitt. Daraus machte sich das Land aber nichts, sondern umrandete sie mit Birken und Erlen, ganz als sei sie ein freundlicher Süßwassersee. Dann schob sich noch eine Bucht hinein. Aber auch daraus machte sich das Land nichts, sie bekam dieselbe Bekleidung wie die vorige. Doch die Meerbusen begannen sich auszuweiten und sich zu teilen; sie zersplitterten die Felder und Wälder, und da konnte das Land nicht mehr anders, es mußte Notiz davon nehmen.

      „Ich glaube wahrhaftig, das Meer selbst kommt daher,“ sagte das Land und fing schnell an, sich zu schmücken. Es bekränzte sich mit Blumen, nahm Wellenform an und schob sogar kleine Inseln ins Meer hinein. Es wollte nichts mehr von Fichten und Kiefern wissen, sondern warf sie ab wie alte Werktagskleider und machte Staat mit großen Eichbäumen, Linden, Kastanien und mit blühenden Auen, und wurde so schön wie der Park eines Herrenhofs. Und als es mit dem Meer zusammentraf, war es so verändert, daß es sich selbst nicht mehr kannte.

      So weit war der Junge in seinen Gedanken gekommen, als ihn plötzlich ein langes, unheimliches Heulen, das vom Badehauspark herklang, aufschreckte. Und als er sich aufrichtete, sah er auf dem Rasen unter dem Balkon einen Fuchs im weißen Mondschein stehen. Denn Smirre war den Gänsen noch einmal nachgegangen. Aber als er den Platz, wo sie sich niedergelassen hatten, fand, sah er ein, daß er jetzt auf keine Weise zu ihnen gelangen konnte, und da hatte er vor lauter Wut laut hinausgeheult.

      Als der Fuchs so heulte, erwachte die alte Akka, und obgleich sie fast nichts sehen konnte, glaubte sie doch die Stimme zu erkennen. „Bist du es, Smirre, der heute Nacht unterwegs ist?“ fragte sie.

      „Ja,“ antwortete Smirre, „ich bins, und ich will jetzt fragen, wie euch Gänsen die Nacht gefällt, die ich euch bereitet habe?“

      „Willst du damit sagen, daß du es gewesen bist, der den Marder und den Otter auf uns gehetzt hat?“ fragte Akka.

      „Eine gute Tat soll man nicht leugnen,“ sagte Smirre. „Ihr habt einmal das Gänsespiel mit mir getrieben, jetzt hab ich angefangen, das Fuchsspiel mit euch zu treiben; ich hab auch nicht im Sinn, es zu beendigen, solange noch eine von euch am Leben ist, und wenn ich euch durchs ganze Land verfolgen müßte.“

      „Du solltest dir aber doch überlegen, ob das recht von dir ist, Smirre, wenn du, der mit Zähnen und Krallen bewaffnet ist, uns, die verteidigungslosen, auf diese Weise verfolgst,“ sagte Akka.

      Smirre glaubte jetzt, Akka habe Angst, und deshalb sagte er schnell: „Wenn du, Akka, mir den kleinen Däumling, der mir so in die Quere gekommen ist, herunterwirfst, dann will ich Frieden mit euch schließen und werde weder dir noch einer von den deinen je wieder etwas Böses tun.“

      „Den Däumling kann ich dir nicht geben,“ sagte Akka. „Von der jüngsten bis zur ältesten ist keine unter uns, die nicht gern das Leben für ihn lassen würde.“

      „Wenn ihr ihn so lieb habt,“ erwiderte Smirre, „dann soll er der erste sein, an dem ich meine Rache kühlen werde, das verspreche ich euch!“

      Akka gab keine Antwort mehr, und nachdem Smirre noch ein paarmal aufgeheult hatte, wurde alles still. Der Junge war noch immer wach und schaute durch das Balkongeländer auf die Schären hinaus. Vorhin hatte er so angenehme und frohe Gedanken gehabt. Wie Tanz und Spiel waren sie ihm durchs Gehirn gezogen, und er wünschte, daß sie wiederkämen. Aber er konnte die Landschaft nicht mehr mit denselben Blicken betrachten wie vorher, und die schönen Gedanken wollten nicht wiederkehren. Da erkannte er, daß die schönen Gedanken scheu und empfindlich sind, und daß Haß und Unfriede sie immer verjagen.

       Inhaltsverzeichnis

      Samstag, 2. April

      Es war Abend in Karlskrona und heller Mondschein. Jetzt herrschte warmes, schönes Wetter, am Tage aber hatte es gestürmt und geregnet, und die Menschen meinten sicher, es regne und stürme noch immer, denn kaum einer von ihnen wagte sich auf die Straße hinaus.

      Während die Stadt so verlassen dalag, kam die Wildgans Akka mit ihrer Schar über Vämmön und Pantarholm auf Karlskrona zugeflogen. Sie waren spät abends noch unterwegs, sich einen sichern Schlafplatz draußen auf den Schären zu suchen. Auf dem Lande konnten sie nicht bleiben, weil der Fuchs Smirre sie immer wieder aufstöberte, wo sie sich auch niederlassen mochten.

      Als nun der Junge hoch oben durch die Luft ritt und auf das Meer mit seinen Schären hinuntersah, kam ihm alles merkwürdig unheimlich und gespensterhaft vor. Der Himmel

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