Lebe Lang ... und was ich auf meinem Weg lernte. David Fisher
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Die einzigen Menschen, die mich wirklich kannten, waren meine vier Frauen. Mit jeder führte ich eine grundsätzlich andere Beziehung.
Die zweite Erinnerung aus der Kindheit, die in meinem Leben einen langen und massiven Widerhall fand, betrifft meine Mutter. Oh nein, nicht schon wieder ein jüdisches Kind mit einem Mutterkomplex! Allerdings werde ich mich bis zum Tod an einen bestimmten Augenblick erinnern – nicht nur an die damals gesprochenen Worte, sondern auch an die damit einhergehenden Gefühle: Wie normal und unschuldig ich in dem Moment doch war, und wie sehr die Implikationen einem Erdbeben in meiner Persönlichkeitsentwicklung gleichkamen! Ich war nicht älter als sieben Jahre, und ich erinnere mich glasklar daran. Ich stellte die Frage, die wohl jeder kleine Junge seiner Mutter stellt: „Wen liebst du mehr, mich oder Daddy?“
Sie zögerte noch nicht einmal: „Daddy, denn er schenkt mir immer etwas.“
Und so tauchte die Psychiatrie in meinem Leben auf! Glauben Sie mir, alle Psychologen der Welt hätten mich nach dem Zwischenfall nicht mehr „geradebiegen“ können. Meine späteren Beziehungen zu Frauen lassen sich größtenteils auf diesen speziellen Tag zurückführen. Ich lebte bis zum Abschluss an der McGill University zuhause und war damals 21 Jahre alt. Ich kann mich dabei weder an negative noch positive Ereignisse erinnern, doch die Episode mit Mutter leuchtet strahlend in meinem Gedächtnis.
Ich sehe mir gerne Sportveranstaltungen an und höre Athleten, die zu ihrer glorreichsten Zeit oftmals voller Liebe über ihre Mütter sprechen. „Ich widme dir den Sieg, da du immer für mich da warst.“ Und wenn ich das höre, kehrt das Gefühl der Leere zurück. Denn ich habe das nie so empfunden, hatte niemals das Gefühl, dass meine Mutter für mich da war.
In meinem Leben gab es eine Zeit, in der ich das Gefühl der Einsamkeit mit Hilfe von Frauen vertreiben wollte. Ich erinnere mich an das erste Mal, an dem ich einer Frau einen Heiratsantrag machte. An der Universität hatte sich eine Gruppe zusammengefunden, die Theateraufführungen organisierte und sogar Musicals. Es war die einzige Gruppe, der ich damals beitrat. Ich spielte Theater, schrieb Texte und führte bei einigen Stücken sogar Regie. Zu den Mitgliedern gehörte auch eine wunderschöne studentische Hilfskraft. Sie war attraktiv und lieb, weshalb ich mit ihr ausging. Sie lebte damals in New York, wo ich sie dann besuchte. Bei einem Spaziergang im Central Park machte ich ihr einen Antrag. Ich wusste genau, warum ich mich so verhielt: Ich wollte einfach nicht allein sein. Natürlich hatte ich nicht den blassesten Schimmer, was die Ehe überhaupt bedeutet. Sie schien ein netter Mensch zu sein, war hübsch, und warum sollte ich sie nicht heiraten? Glücklicherweise sagte sie nein.
Ich war vier Mal verheiratet und habe das ganze Leben mit der Suche nach Liebe verbracht. Die fehlende Liebe stellte die Hauptantriebskraft auf meinem Weg dar. Entstand ein Vakuum, musste dies so schnell wie möglich gefüllt werden. Die Frauen mögen immer andere gewesen sein, doch der Drang zu heiraten verschwand niemals – das Bedürfnis, jemanden im Haus zu wissen, der auf mich wartet und sich meine Rückkehr wünscht.
Vor meinem geistigen Auge sah ich stets das Bild eines erleuchteten Fensters. Dieses Fenster repräsentiert alles, nach dem ich je gesucht habe. Bei einer Auto- oder Zugfahrt schweifte mein Blick in die Ferne, auf der Suche nach einem hellen Fenster. Vielleicht stand eine Lampe daneben, vielleicht leuchtete es bernsteinfarben und gelblich. Das Fenster war klar zu sehen, und das Haus sah einladend aus. Es symbolisierte für mich das Zuhause, einen Ort der Wärme und Liebe. Der dahinterliegende Raum strahlte Liebe aus, dort hielten sich Menschen auf, die mich in die Arme schlossen. Das Essen wurde als Ausdruck einer großen Zuneigung serviert. In dem Zimmer stand ein Bett, das Leidenschaft ausdrückte. All das befand sich auf der anderen Seite des Fensters.
Bei jeder Reise suchte ich nach dem Fenster, egal ob es Tag oder Nacht war.
Und es lag immer in weiter Entfernung.
Manchmal entdeckte ich ein Fenster, das einladend wirkte, und dachte: Mein Gott, könnte ich nur dorthin fahren, an die Tür klopfen und sagen: „Hey, Bill Shatner hier, dürfte ich eintreten und Sie fest in den Arm nehmen?“
Ich habe mich einen Großteil meines Lebens mit weniger abgefunden. Häufig stelle ich mir die Frage, wie oft ich – auf dem Höhepunkt des Ruhms – auf dem Weg in ein „unglückliches“ Zuhause an einem Hotel vorbeifuhr und dachte: Wenn ich mich dort nur verstecken könnte, wenn ich doch anonym wäre und dortbleiben könnte – vielleicht würde ich mich dann glücklich fühlen.
Doch ich brauchte immer meine Hunde um mich herum. Und so kehrte ich in ein anderes unglückliches Haus zurück, lebte ein unglückliches Leben, bis es sich auflöste und einer anderen Existenz wich.
Ich lernte schnell, dass der Bund fürs Leben an sich nicht ausreicht. Während der ersten Ehe hatte ich dieses erleuchtete Fenster, eine Frau, die mich liebte, und drei wundervolle Babys, die ich aufzog und vergötterte. Es war alles, wovon ich geträumt hatte – und es wurde von einer Reihe von Geschehnissen zerstört, die ich nicht verstand und gegen die ich nichts ausrichten konnte. Es reichte nicht aus, und ich war unfähig, es zu kontrollieren. Ich war kein guter Ehemann und musste sicherlich noch viel lernen. Ich fühlte mich während der ersten Ehe so unglücklich, dass alles aus dem Ruder lief. Die Schuld lag bei mir.
Viele Jahre lang stand ich vor der Kamera und spielte einen anderen Menschen. Während der Aufnahmen zu Raumschiff Enterprise sollte ich eine geborene Führungsperson verkörpern und als Schauspieler absolut überzeugen. Ich musste also vor der Kamera stehen und lügen. Tja, das machte ich auch. Ich überzeugte die Menschen, dass ich mein Leben größtenteils kontrollierte und dass ich die Entscheidungen traf. Nachdem Raumschiff Enterprise ein Kulthit geworden war und wir deutlich mehr Aufmerksamkeit erhielten, als man sich jemals hätte vorstellen können, beschwerten sich einige der Schauspielkollegen, dass ich mich zurückhaltend und vermeintlich abgehoben gäbe. „Shatner ist wohl viel zu berühmt oder zu gut für uns …“
Das traf niemals zu. Ich wusste nur nicht, wie ich mich hätte anders verhalten können, wie man ein wahrer Freund ist. Im wirklichen Leben glich ich einem verängstigten Kind, das alles verloren hatte, was Schutz und Zurückgezogenheit anbelangte.
Wenn ich mich auf die Kindheit zurückbesinne, taucht noch eine dritte Erinnerung auf, eine Erfahrung, die einen deutlichen Unterschied ausmachte. Wir lebten im Westen Montreals, damals befanden sich dort die englischsprachigen Bezirke. Es war zugleich das Stadtende, sodass nur ein oder zwei Blocks entfernt ein Stall lag, der Reitunterricht anbot. Die Schüler ritten an den Feldern der Farmer entlang, die das Areal umgaben. Ich war ungefähr zehn oder elf Jahre alt und wollte um alles in der Welt reiten. Soweit ich wusste, hatte ich noch nie auf dem Rücken eines Pferdes gesessen, ein Umstand, der auch auf die Familie insgesamt zutraf. Vater schneiderte billige Anzüge, er ritt nicht, und Mutter sorgte sich ständig um ihr Aussehen, und allein der Gedanke, dass sie auf dem Rücken eines Pferdes sitzt, ist grotesk.
Die Geschichte, die ich Ihnen erzähle, handelt davon, dass ich die Ställe ausmistete, um genügend Geld für eine Reitstunde zu verdienen. Ich glaube aber nicht, dass sie exakt der Wahrheit entspricht. Irgendwie gelang es mir, das Geld zusammenzukratzen und mir ein Pferd zu mieten. In der Erinnerung sehe ich mich allein, doch ich denke nicht, dass das stimmt. Ich glaube nicht, dass die Besitzer einem Kind – welches nie auf einem Pferd gesessen hat – allein den Ausritt erlaubt hätten. Die Erinnerung ist lückenhaft, doch ich sehe mich im Schritttempo und leichtem Galopp in diesen Feldern. Am Ende der Stunde tauchten meine Eltern auf. Ich preschte auf den Platz und zügelte das Pferd.
Das aber ist wahr. Meine Mutter fragte – und das sind ihre exakten Worte: „Wo hast du denn das Reiten gelernt?“ Ich glaube, ich antwortete: