Lebe Lang ... und was ich auf meinem Weg lernte. David Fisher

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„Beweg dich hier nicht so viel. Möglicherweise ist eine Gletscherspalte in der Nähe.“

      Naja, um eins musste er sich wirklich keine Sorgen machen – dass ich mich hier oben ausgedehnt bewegen würde.

      Ein Ja auszusprechen, ist ein Beginn. Antwortet man mit Nein oder ausweichend, verbaut man sich eine Möglichkeit. Das ähnelt dem Verhalten, auf ein Blind Date mit einem Nein zu reagieren. Der Mann oder die Frau mögen vielleicht nicht der ideale Partner sein, aber mal ein nicht wünschenswertes Dinner mit einem Serienmörder ausgeschlossen, verbaut man sich damit die Chance, eine neue Welt kennenzulernen, neue Menschen zu treffen, neue Abenteuer zu erleben.

      Manchmal ist ein Ja auch vorzuziehen, obwohl die Logik und der gesunde Menschenverstand zu einem Nein tendieren lassen. Das kann vielleicht eine bedeutende Entwicklung im Leben anstoßen. Am Anfang meiner Karriere hatte ich das Glück, beim Stratford Festival für den großartigen Regisseur Tyrone Guthrie arbeiten zu dürfen. Für einen jungen Schauspieler stellte es eine bemerkenswerte Gelegenheit dar, mit den Besten der Zunft zu arbeiten. Ich fungierte als Nebendarsteller, der jede noch so kleine und freie Rolle übernahm. Bei der Aufführung von Heinrich V. spielte ich den Herzog von Gloucester und studierte als Ersatz für Christopher Plummer die Hauptrolle ein.

      Ich stand ungefähr fünf Minuten auf der Bühne, und Chris Plummer dominierte das Stück. Es ist eine der größten jemals von Shakespeare geschriebenen Rollen. Sie ist hochkomplex und erfordert das langsame Enthüllen der Seele eines Menschen. Chris Plummer brillierte bei seiner Darstellung und erhielt tosenden Beifall. Da ich der Arbeit mit Fleiß nachging, studierte ich seine Rolle ein. Ich war mir sicher, dass es sich auf eine Chance zum Lernen beschränkte, da diese Produktionen meist nur eine kurze Zeit liefen und die Hauptdarsteller oder Hauptdarstellerinnen so gut wie nie einen Auftritt verpassten. Da wir zudem während der Saison schon das nächste Stück probten, bot sich den Nebendarstellern so gut wie niemals eine Gelegenheit, sich auf der Bühne zu beweisen.

      Tatsächlich konnte höchstens der Tod oder ein extrem schmerzhafter Nierenstein den Hauptdarsteller von der Bühne fernhalten. Eines Morgens erhielt ich einen Anruf vom Produktionsbüro: Chris Plummer plagten unerträgliche Schmerzen, verursacht durch eben einen Nierenstein. Ob ich wohl an dem Abend auf die Bühne könne?

      Auf die Bühne? Einen der respektiertesten jungen Theaterdarsteller ersetzen, eine der komplexesten Shakespeare-Rollen in einem Stück übernehmen, das ich noch nie in dieser Rolle geprobt hatte? Ich hatte den Text ja noch nicht mal laut gesprochen, war einigen der anderen Schauspieler noch nie näher begegnet! Wir hatten Heinrich V. noch kein einziges Mal zusammen aufgeführt, und ich wusste gar nicht, ob mir das Kostüm passte. Meine gesamte Vorbereitung beschränkte sich auf die Beobachtung Plummers in seiner Rolle.

      Auf die mir gestellte Frage gab es jedoch nur eine einzige korrekte Antwort: „Auf jeden Fall!“ Ich signalisierte mein Einverständnis, hätte gar nicht gewusst, wie man Nein sagt.

      Natürlich zog ich nicht mal das Risiko in Erwägung, das ich da einging. Ich war ein junger Schauspieler, von dem noch niemand etwas gehört hatte, und spielte mit dem Risiko eines Desasters. Meine Karriere hätte an dem Abend enden können. „Shatner? Ist das nicht der Kerl, der sich beim Stratford Festival total blamiert hat?“

      Wenn ich nun zurückschaue – 60 Jahre später –, empfinde ich für diesen jungen Typen große Bewunderung. Ich kann mich nicht erinnern, was ich damals wohl dachte, aber es freut mich immer noch, dass ich den Mumm hatte, „Ja“ zu sagen, sogar zu so einem frühen Zeitpunkt meines Lebens. Es gibt Menschen, die mit „Nein“ geantwortet hätten, und das wäre eindeutig die vernünftigste Antwort gewesen. Doch nicht für mich. Es ist ein weiterer der roten Fäden, die durch mein Leben liefen. Ich sage „Ja“.

      Woran ich mich am besten erinnern kann, wenn ich an den Abend zurückdenke? Die fehlende Angst. Ich hätte nervös sein müssen. Ich stand davor, auf die Bühne hinauszugehen, beinahe unvorbereitet und das auch noch vor einem vollen Haus in einem der prestigeträchtigsten Theater der Welt. Warum empfand ich keine Angst? Woher kam nur das Selbstvertrauen? Oder war ich vielleicht so naiv, dass ich es nicht besser wusste?

      Die Inszenierung war mir hinsichtlich der Details nicht geläufig, weshalb meine größte Sorge darin bestand, eventuell einen der Kollegen umzurennen. Andere Darsteller während einer Aufführung anzurempeln, wird als ganz schlimmer Fauxpas angesehen. Wenn ein Stück Premiere hat, „friert“ der Regisseur es ein, was bedeutet, dass die Schauspieler bei jeder einzelnen Darbietung von nun an die gleichen Bewegungen machen und dieselben Texte sprechen. Schon die kleinste Abweichung verursacht einen wellenförmig um sich greifenden Effekt, der die Kollegen dazu zwingt, darauf zu reagieren.

      Am Abend, an dem ich Christopher Plummer vertrat, war die Inszenierung recht simpel, da ich meine Rolle als Nebendarsteller kannte: Wenn sich Plummer hinsetzte, stand ich auf, wenn er aufstand, setzte ich mich hin.

      Der Auftritt wurde wunderschön und lief außergewöhnlich gut. Die anderen Schauspieler unterstützten mich, und ich spürte, wie ich dem Publikum ans Herz wuchs. Ich verpatzte weder Zeilen, noch missachtete ich ein Zeichen – bis zu einer der letzten Szenen. Als die französische Prinzessin hereinkam, schaute ich sie direkt an – und hatte eine Mattscheibe. Ich wusste, dass jetzt eine Zeile von mir kommen musste, hatte aber nicht den blassesten Schimmer, wie sie lautete. (Vielleicht: „Hi, Prinzessin, was geht so ab?“)

      Exakt in dem Moment wurde mir klar, dass „Ja“ vielleicht doch nicht die richtige Antwort gewesen war. Ich stand da und praktizierte edles Schweigen.

      Zum Ensemble gehörte auch der hervorragende junge Schauspieler Don Cherry, der meinen jüngeren Bruder verkörperte. Was in dem Moment am wichtigsten war? Don Cherry durfte sich eines fotografischen Gedächtnisses rühmen. Er kannte das gesamte Stück auswendig – Wort für Wort. Deshalb improvisierte ich eine abweichende Inszenierung. Ich ignorierte die französische Prinzessin, ging zu Don Cherry rüber, warf meinen Arm über seine Schulter und flüsterte: „Wie lautet die Zeile?“

      Don Cherry grinste verlegen, denn in dem Augenblick wusste er es auch nicht. Doch dann – wie aus heiterem Himmel – fiel mir die Zeile ein. Ich sprach sie mit einer Inbrunst, als hätte ich sie die ganze Zeit über parat gehabt. Nur die Kollegen wussten, was geschehen war. Und ich durfte mich der Standing Ovations und überschwänglicher Kritiken erfreuen. In vielerlei Hinsicht verwandelte ich mich in dieser Nacht von einem angehenden Darsteller zu einem Schauspieler. Es markierte den tatsächlichen Beginn meiner Karriere. In Stratford verpflichte man mich von nun an für größere Rollen, wodurch sich weitere Möglichkeiten eröffneten.

      Ich sagte „Ja“, und dadurch verlief mein Leben anders.

      Zugegebenermaßen gab es auch andere Situationen, bei denen ich meine Zustimmung signalisierte und die keinen guten Ausgang nahmen.

      Früher im Leben, ungefähr vor 50 Jahren, war ich Jäger. Die Vorstellung fällt mir nun schwer, wie ich damals das Töten von Tieren als Sport überhaupt praktizieren konnte, aber ich tat es. Ich gehörte nicht zu der Gruppe, die behauptet, sie müsse der Nahrung wegen jagen, denn zum Essen besuchte ich Restaurants. Für mich war es ein Sport. Heutzutage bin ich gegen das Jagen – aus philosophischen Beweggründen, sozialen, moralischen und empirischen. Doch zu der Zeit trat ich mehrmals in diesen Outdoor-Jagdshows auf, denn die Öffentlichkeitswirksamkeit wurde für einen Schauspieler als karrierefördernd angesehen.

      Ich jagte mit Pfeil und Bogen, war recht gut darin und stellte mich sogar einem Wettkampf im Cobo Center in Detroit. Doch dann lud man mich ein, Wildschweine auf Catalina Island zur Strecke zur bringen. Natürlich antwortete ich mit dem üblichen „Ja“. Im Rahmen der Show wollten wir das Tier nach dem Erlegen auch essen. Ich entdeckte also ein Wildschwein, ließ den Pfeil von der Sehne schnellen und traf es. Das verwundete Tier rannte in das dichte Unterholz, wodurch

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