Rhythmen des Lebens - Die erste Genesis-Autobiografie. Mike Rutherford
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The Climax und The Anon waren nicht die einzigen Bands in Charterhouse. Es gab auch Garden Wall, die das Schulmagazin beschrieb als „die einzigen Vertreter echter Soulmusik. Mit der ausgesprochen erdigen Qualität ihres Sounds boten sie einen emotional beseelten Auftritt beim Charity Beat Concert im letzten Semester, wobei Peter Gabriels Gesangsstil eines der herausragendsten Kennzeichen war.“
Ant spielte sowohl bei Garden Wall als auch bei The Anon. Tony Banks war ihr Pianist (obwohl er viel Zeit damit verbrachte, sich mit Peter wegen des Keyboards zu streiten). Garden Wall hatten einen Trompeter, wozu sich meinerseits nichts hinzufügen lässt. In meiner Band gaben Gitarren und Verstärker den guten Ton an – bei Garden Wall spielten eben ein Trompeter und ein Pianist …
Ich musste wohl schon zwei oder drei Konzerte in Charterhouse gespielt haben – sie als Gigs zu bezeichnen, wäre ein wenig weit hergeholt –, doch es ging mir nicht um die Auftritte. Sich ganz einfach darüber zu unterhalten, darin lag damals der Spaß. Die Kameradschaft, die Vorbereitung und das Planen waren für mich genauso wichtig. Ich fand es sogar toll, Ants Vox-Verstärker zur Probe in ein Klassenzimmer zu schleppen, wobei er den Amp auf der einen und ich auf der anderen Seite trug. Das Ding durch die alten Kreuzgänge zu befördern fühlte sich verschwörerisch an: Es war ein symbolisches Victory-Zeichen gegenüber den altehrwürdigen Herren.
Das gesagt, will ich doch noch den „Unfall“ erwähnen, mit dem ich Chares Gitarrenverbot sprichwörtlich aus dem Weg ging: Ich spielte zwischenzeitlich wieder bei The Anon. Am großen Tag des Semester-Abschlusskonzerts machte ich mich auf den Weg in die Haupthalle: hölzerner Boden, ausgeschmückte Decken, ein Balkon, der zwei Drittel der Halle einnahm, 600 Jungen im Publikum und der Schulleiter in der ersten Reihe, Chare direkt hinter sich. Erst in dem Augenblick merkte ich, dass mein Gitarrenkabel defekt war.
Panisch suchte ich in den Fluren nach Ersatz, fand aber nur ein ungefähr ein Meter langes Kabel, was bedeutete, dass ich einen Meter vom Lichtkegel des Spotlights entfernt stehen musste – unsichtbar! Ich bin mir sicher, die anderen Bandmitglieder werteten das als einen beabsichtigten Schachzug – der Mann, der in der Dunkelheit lauert – aber ich hätte viel lieber am Rand der Bühne gestanden und Chare Stones-Cover um die Ohren gehauen. Egal, der Gig wurde ein großer Erfolg, und mir gelang es so gleichzeitig, einen Rauswurf zu umgehen.
Die Musik rettete mir während der Schulzeit das Leben, genau wie die illegale 50er-Honda, die ich mir angeschafft hatte. Ich parkte sie in einer örtlichen Garage für eine monatliche Miete, die sich ähnlich wie Schweigegeld schnell verdoppelte, da der Besitzer genau wusste, woher ich kam.
Das Motorrad sah nicht besonders cool aus. Und ich konnte mich nie vom Gegenteil überzeugen, was umso schmerzhafter war. Doch es eröffnete mir die dringend benötigte Freiheit. Da Motorradfahren zu den schwersten Vergehen gehörte, hatte ich umso mehr Spaß. Meist war es egal, wohin ich fuhr, denn es zählte die Tatsache, dass ich das Bike starten und so den Klauen des Unterdrückungs-Regimes entfliehen konnte.
Eines Nachmittags befand ich mich gerade auf dem Weg nach Guildford. Ich schaute in den Rückspiegel und entdeckte den Wagen eines Lehrers, der mir dicht folgte. Nicht, dass dort in Großbuchstaben LEHRER draufgestanden hätte, doch auf den Parkplätzen der Pädagogen fanden sich eben bestimmte Automarken, und diese Karre fiel in so eine Kategorie. Wie sehr ich auch versuchte, ihn abzuwimmeln, indem ich in verschiedene Straßen abbog, er war immer direkt hinter mir. Schließlich wurde mir klar, dass ich nur noch abhauen konnte.
Nach einem schnittigen und gefährlichen Dreh in einer Einfahrt, sprang ich vom Bike und rannte durch den Garten, den Helm noch auf dem Kopf. Mir gelang es über einen Zaun in den nächsten Garten zu hechten, wobei ich beinahe eine Wäscheleine abriss. Nachdem ich über einen weiteren Zaun geklettert war, näherte ich mich wieder der Straße, erleichtert, den Wagen nicht mehr zu sehen. Es war sicherlich nicht eine meiner coolsten Aktionen …
Mich von Charterhouse zu entfernen, mit dem Bike wegzufahren und alles hinter mir zu lassen, kam mir überhaupt nicht in den Sinn. Gelegentlich hörte man Geschichten von Ausreißern – zwei Jungs aus Harrow oder einer aus Eton –, doch obwohl ich mich in meiner rebellischen Phase befand, war es oberste Priorität, Dad in keine unangenehme Lage zu bringen. Allerdings schwänzte ich den Unterricht, um im Godalminger Pub Gin und Bier mit Limettensirup zu bechern – obwohl ich den Geschmack von Gin nicht mochte. Auch bezog ich regelmäßig Prügel, da ich mich mit Ant zum Rauchen verdrückte. Dabei empfand ich es als am schlimmsten, dass der Lehrer, der uns aus den Büschen kommen sah, untätig blieb: Er berichtete es dem Hausvorsteher, der den Angeschwärzten zum Verhör zerrte. Und das bedeutete Chare.
„Hast du geraucht, Rutherford?“
„Nein, Sir.“
„Beug dich nach vorne.“
Diese unverhohlene Bestrafung wurmte mich am meisten.
Erstaunlicherweise schnappten sie mich nie, wenn ich mich von der Schule entfernte, um mir im Londoner Marquee Club Konzerte anzusehen. Allerdings gab ich mir auch große Mühe, dass mich niemand sah, wartete, bis die Dunkelheit anbrach, und stieg dann mit meinen violetten Plateaustiefeln aus dem Fenster.
Entweder fuhr ich mit der Honda zur Guildford Station oder ging den Hügel hinab zur Godalming Station, wo ich voller Erwartung auf meine Freunde Chris Piggott und Andy Dunkley wartete. Ein Schulregenmantel verbarg die damals modernen Samt-Schlaghosen. Dunkley war übrigens der Tapfere der beiden, denn er wollte mit aller Macht von der Schule geworfen werden. Was Chris Piggott anbelangt – mich wunderte, dass er noch mit mir sprach, denn ganz zu Beginn meiner musikalischen Karriere hatte ich seinen Verstärker hochgejagt. Über einer Buchse stand „DC“ [direct current] was Gleichstrom bedeutete. Ich hingegen dachte, dass alles mit der Bezeichnung „direct current“ ganz offensichtlich eine höhere Lautstärke bedeuten musste. Kurz nachdem ich die Gitarre eingesteckt hatte, stieg eine Qualmwolke aus dem Ding!
Der Marquee Club in der Wardour Street war der angesagte Laden, in dem sich alles abspielte, was mir etwas bedeutete. Es ist schon merkwürdig, aber ich empfand Soho nicht als bedrohlich, obwohl man es damals schon als ein schäbiges Viertel bezeichnen konnte. Überall gab es Strip-Shows und Läden mit schmuddeligen Magazinen. (Man ging in diese Shops schnell rein und ganz schnell wieder raus, denn allein die Tatsache zählte, dass man dort gewesen war. Die Strip-Clubs hingegen wirkten einschüchternd, denn es gab immer einen Türsteher, der einen in das Etablissement locken wollte: „Komm Sie schon rein, junger Mann.“) Die schrillen Gebäude, die roten, gelben und grünen Neonlichter bei Nacht und die coolen Londoner mit ihren Halstüchern und ungewöhnlichen Hüten – das alles hatte den Hauch des Verbotenen, wirkte jedoch nie beängstigend. Vielleicht hatte ich auch keine Angst, weil dort musikalisch so viel geschah. Es gab Folkclubs, und der 100 Club lag die Straße rauf an der Oxford Street. Die Krönung von allen aber war das Marquee, der Laden für Musiker (und nicht irgendein Nachtclub mit einer Disco).
Im Marquee sah ich die Nice mit Keith Emerson, The Herd mit Peter Frampton, Cream, The Action und The Sands (Chris Squire hatte einen fantastischen Rickenbacker Bass-Sound: Er beschränkte sich nicht auf die tiefen Töne, sondern spielte melodische Linien, was mich sehr beeindruckte.) Und ich liebte den Harmoniegesang – in jenen Tagen hatte anscheinend jede Band drei Sänger.
Die Lautstärke im Club war phänomenal. Es herrschte eine unglaubliche Hitze. Das Marquee lag direkt an der Straße, doch man hatte das Gefühl, sich in einem Kellergewölbe aufzuhalten, da alles so dunkel war und der Schweiß förmlich von der Decke tropfte. Niemand zog den Afghanenmantel aus, doch mit ein wenig Vernunft trug man eine Afghanenweste über dem gefärbten T-Shirt. Stiefel