Rhythmen des Lebens - Die erste Genesis-Autobiografie. Mike Rutherford

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Rhythmen des Lebens - Die erste Genesis-Autobiografie - Mike Rutherford страница 11

Rhythmen des Lebens - Die erste Genesis-Autobiografie - Mike  Rutherford

Скачать книгу

darum verbot mir Chare das Gitarrespielen.

      Ich hielt mich im oberen Teil des Hauses in einer Art Zimmer zum Entspannen auf und spielte zu Sgt. Pepper Gitarre. Das Album war gerade erschienen, und ich hatte noch nie etwas Aufregenderes gehört. Vermutlich hatte Chare ein unerfreuliches Meeting der Hausvorsteher gehabt, denn er stürmte daraufhin in den Raum, wütete und packte mich beim Kragen. „Rutherford“, zischte er zwischen den Zähnen hindurch, „das ist ab jetzt verboten. Du wirst nicht mehr Gitarre spielen, Rutherford.“ Er drückte mich nach unten und verpasste mir Schläge mit dem Holzstock. Es war 20 Uhr, und ich trug schon meinen Schlafanzug. Nach dem Zwischenfall machte ich trotzdem weiter, und es gab niemanden, der mich aufhalten konnte. Es lag wohl auch daran, dass das wichtigste Konzert meiner Charterhouse-Karriere in wenigen Wochen stattfinden sollte.

      Ich war bei The Anon eingestiegen. Ant stellte die treibende Kraft hinter der Band dar, doch ihrem Sänger Richard Macphail fiel der Name ein. Ursprünglich wollte er die Gruppe „Anon“ nennen, was dem Namen eines unbekannten Dichters ähnelt, doch niemand kam mit dem Namen ohne den Artikel klar.

      Rich lässt sich nur als großartig beschreiben. Er konnte singen, sah gut aus und hatte die Bewegungen eines Sängers drauf: Wir nannten ihn Mick Phail, da seine Show der eines Jaggers ein wenig ähnelte. Er hatte eine unglaublich lebensfrohe Natur, war einfach ein sehr positiver Mensch. Nach dem Ende seiner Schulzeit ließ er sich die hellblonden Haare bis zu den Ellbogen wachsen. Ich sah ihn häufig barfuß bei Konzerten.

      Zur Besetzung zählten auch Rob Tyrell an den Drums – Mein Gott, der Mann war gut – und Rivers Job am Bass, der mit Ant die Vorschule besucht hatte. Rivers Job – hat man schon mal einen cooleren Namen gehört? Er war sehr klein. Der Bass wirkte für seinen Körper viel zu groß, was aber gleichzeitig auf irgendeine Art passte. (Rivers verließ Charterhouse nach den O-Levels. Das nächste Mal sah ich ihn mit der Savoy [Brown] Blues Band in einem Pub in Guildford, die damals große Erfolge feierten. Ich schaute zur Bühne hoch und dachte: „Der schafft’s wirklich …!“) Nach Rivers’ Ausscheiden übernahm ich den Bass.

      Ant war der bessere Gitarrist, und so empfand ich den Instrumentenwechsel nicht als Degradierung, sondern als zwangsläufige Entscheidung. Trotzdem muss ich mich wohl über etwas geärgert haben, denn kurz darauf verließ auch ich beleidigt die Band. Ant verhielt sich allgemein egoistisch. Entweder man tanzte nach seiner Pfeife, oder es lief gar nichts. Wahrscheinlich dachte er, dass ich wegen mangelnder Fähigkeit zur Disziplin ausgeschieden wäre, was durchaus im Bereich des Möglichen lag. Egal, ich zog mich mit einem gewissen Stolz zurück, was letztlich zur Gründung meiner neuen Band The Climax führte, die nur zwei Semester lang zusammen spielte. Das Beste an uns war wohl der Bandname. Ant besuchte uns in der Halle, wo wir probten, lachte und ging direkt wieder raus.

      Während dieser beiden Semester erschien in dem Schulmagazin von Charterhouse ein Artikel mit der Überschrift: „Warum nicht Pop?“ Man beschrieb darin auch The Climax, die „einen passablen Sound“ spielten, obwohl wir eher „einem Schatten als der Realität“ glichen (wahrscheinlich eine faire Einschätzung). The Anon (ohne mich) wurden mit einem doppelt so langen Artikel geehrt:

      Ihre Musik fällt in die Kategorie Rhythm and Blues, mit Nummern von den Stones, den Yardbirds, John Mayall’s Bluesbreakers und The Cream. Dazu spielen sie noch eine stattliche Anzahl Eigenkompositionen …

      Die Gruppe vertritt eine interessante Sichtweise: Sie streiten energisch ab, dass sich die Musik auf ihre Arbeit auswirkt … „Wir müssen wissen, ob es funktioniert oder nicht, da wir uns schon einigen Ärger eingehandelt haben.“ Als Reaktion auf die Schwierigkeiten, denen man sich als Gruppe stellen muss, hegen sie die Hoffnung auf mehr Freiheit in der Zukunft. Momentan lässt sich die Einstellung ihrer Eltern eher als lauwarm beschreiben. Es wird dringend Geld für neues Equipment benötigt. Da sie eine Schulband sind, sehen sie sich mit der Schwierigkeit konfrontiert, Termine während der Ferien abzusprechen … Doch solche Frustrationen – und da sind sich alle einig, werden durch die Zeit kompensiert, wenn die Band zusammen ist und gut spielt.

      Meine Eltern reagierten sicherlich auch „lauwarm“, doch sie zeigten es nicht. Wenn Mum mich bei Ferienbeginn abholte, lud ich das Equipment in den Kofferraum ein. Sie drehte sich noch nicht mal um, obwohl ich zu der Zeit schon eine Box mit vier 12“-Inch-Lautsprechern besaß sowie eine Höfner Verythin Gitarre, für die mir Jean Granny das Geld gegeben hatte. („Alles, was du willst, du musst mich nur fragen“, sagte sie immer, wenn ich sie in Morris Lodge besuchte. Wenn ich sie jedoch beim Wort nahm, bekam Jean Granny einen derartigen Schock, dass sie fast aus dem Bett fiel. Die meisten Bewohner hielten sich dort tagsüber in ihren Betten auf, denn die unteren Räume waren zu unwirtlich eingerichtet.)

      Mum mochte meine drastische Lautstärke, obwohl ich beim Üben wohl ziemlich viel Krach gemacht haben muss. Hinzu kam, dass ich ein Nachtmensch war. Erst als sie zu Bett gegangen waren, ging ich ins Esszimmer, zündete die Kerzen in Captain Woods Kronleuchter an, um es mir gemütlich zu machen, und begann zu spielen. Obwohl sie sich nie beschwerten, weiß ich, dass Vater sich wegen meines Lebenswegs Sorgen machte. In den Schulberichten standen oft Phrasen wie: „In diesem Quartal schlich sich wieder die alte Angewohnheit ein, die gestellten Aufgaben nicht zu bearbeiten“ (Mathe), oder: „Er hat sich in dem Fach in keinerlei Hinsicht bemüht. Es ist unvermeidlich, dass er durchfallen wird“ (Physik). Dad wusste von meinen Problemen mit Chare.

      Wenn ich zu Hause war, vermied Dad in den ersten Tagen Gespräche über diese Probleme. Er gab mir ein wenig Zeit, während er sich vorbereitete und Notizen machte. Erst wenn er genau wusste, was er mir sagen wollte, rief er mich ins Esszimmer, schloss die Tür und meinte: „Na, wie läuft es denn so?“

      Die Unterredung glich eher einem Dienstgespräch als einer netten Plauderei. Er hatte seine Notizblöcke und Stifte vor sich ausgebreitet, und ich konnte mir gut vorstellen, dass er sich exakt so vorbereitet hatte, wenn es um ein Dienstaufsichtsverfahren handelte, bei dem ein junger U-Boot-Lieutenant wegen Fehlverhaltens zur Rede gestellt wurde.

      Grundsätzlich respektierte ich Vaters Autorität – ganz im Gegensatz zu den Regeln und Bestimmungen in Charterhouse erkannte ich den Sinn, hinter dem, was er sagte –, doch ich war mir dessen bewusst, dass er all das verkörperte, was ich unbedingt vermeiden wollte.

      Bis zu meiner Generation wünschten sich Jungs nichts sehnlicher, als den Weg ihrer Väter fortzuführen, in Twill-Hosen und braunen Wildlederschuhen. Den Söhnen in der Generation meines Vaters wurde eingebläut: „Du wirst nie so ein anständiger Mann wie dein Vater werden.“ Als Dad sich das anhören musste, empfand ich es als extrem einengend, wie er in seinen Memoiren schrieb.

      Dad wollte wie sein Vater werden, doch ich konnte mir kein deprimierenderes Leben vorstellen. Mit den Beatles war eine neue Ära angebrochen. Die Kids meiner Generation opponierten in jeder Hinsicht gegen ihre Eltern. Verrückt, wie schnell das alles geschah – die Beatles blieben nur sechs Jahre zusammen, während Hendrix’ Karriere noch kürzer war. Trotzdem veränderte sich in dieser Zeit einfach alles. Die Zeitungen platzten förmlich vor Storys über das skandalöse Benehmen der damaligen Jungend – und prophezeiten das Ende der Welt. Wenn ich in das Zimmer schlenderte, während meine Eltern vor dem Fernseher saßen, sah ich Reginald Bosanquet beim Verlesen der Nachrichten, dessen Geschichten scheinbar immer von der Revolution handelten, die meine Altersgenossen anführten.

      Ich setzte dem Ganze die Krone auf, denn ich war erst 16: Ich wollte nicht, dass Dad mein Leben begriff. „Du kapierst das nicht, du verstehst es einfach nicht.“ Manchmal sagte ich das nur aus Trotz und nicht aus Überzeugung. Doch letztendlich steckte eine Wahrheit dahinter. Zu allen Zeiten hatten Kids das Gefühl, ihre Eltern seien altmodisch, doch diesmal tat sich wirklich eine tiefe Kluft auf.

      Befürchtete Dad das herannahende Ende der Welt? Sicherlich nicht: Er hatte zwei Weltkriege erlebt und den Globus mehrmals umrundet. Er verstand die sich abspielenden

Скачать книгу