Rhythmen des Lebens - Die erste Genesis-Autobiografie. Mike Rutherford
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Als Gast durfte ich mich anstandshalber nicht entziehen. Die Vorstellung, während eines Probeschlags eine Rückenzerrung zu simulieren, war ausgeschlossen.
Zu gegebener Zeit stand ich im Angesicht einer erwartungsvollen Menschenmenge an der ersten Abschlagstelle. Ich fühlte mich jedoch nicht nervös, was vermutlich den Drinks und dem Lunch geschuldet war. Eine unbekümmerte Stimmung überkam mich. Falls ich wie ein erbärmlicher Popanz aussah – was soll’s!
Da es sich hier nur um ein kurzes Einlochen handelte, wählte ich einen eisernen Schläger mit einem Kopf, der einer Schaufel glich. Ich vermied einen Übungsschlag, da ich vermutlich nur ein Stück der Rasennarbe herausgepflügt hätte, nahm Ziel und holte aus.
Meine Schutzengel, die Drinks und der Lunch hielten mich davon ab, zu früh aufzublicken. Der Ball schoss kerzengerade entlang des Fairways, was die Zuschauer mit einem beeindruckten Gemurmel honorierten.
Wie oft bei solchen Anlässen übersteigt die tatsächliche Leistung die Erwartungshaltung.
Mir war es egal, wer gewann, und ich hatte nicht die geringste Ahnung vom Punktestand, da mein liebeswürdiger Opponent die Karte ausfüllte. So nahm ich eine entspannte Grundhaltung ein, ohne Ängste oder Hemmungen. Meine Abschläge waren selbstsicher und meine Putts todsicher. Auch die Schutzengel verließen mich nicht. Als einer der angeschnittenen Schläge von der Tangente abprallte und in Richtung einiger Gebäude flog, traf der Ball einen Baum und flog wieder auf den Fairway.
Nach einem weiteren Putt traf der Ball hart auf die Rückseite des Lochs, stieg in die Luft und fiel exakt hinein. Plötzlich meinte mein Gegner: „Potzblitz – Ihr Spiel!“ Bei der Rückkehr zum Tee fand ich heraus, dass ich den besten Spieler der gegnerischen Mannschaft geschlagen hatte. Die Leute sagten: „Wenn sie 14 Jahre nicht mehr gespielt haben, müssen sie damals ein Ass gewesen sein, das sogar mit verbundenen Augen noch siegte!“
Den Rest meiner Zeit in Singapur drückte ich mich vor Turnieren mit wahren Golfspielern.
Ich spielte zehn Jahre nicht mehr und nahm dann, als Pensionär, am Väterspiel der Vorschule meines Sohnes teil …
Am Tag des Spiels von Dad war mir natürlich nicht klar, dass ich ihm eigentlich erst einige Drinks hätte verabreichen müssen, bevor er sich auf den Parcours begeben sollte. Wir standen beim ersten Abschlag. Dad holte einen rostig wirkenden Golfschläger mit hölzerner Stielummantelung aus der Tasche, der für mich wegen des eher prähistorischen Aussehens kaum einem Schläger ähnelte, besonders auch, weil alle anderen Stahlschläger benutzten. Als er den ersten Schlag mit solch einem Elan ausführte, dass er noch nicht mal den Ball traf, hätte ich mir am liebsten ein Loch gebuddelt, um mich selbst einzuputten.
Unbeeindruckt holte Dad zum nächsten Schlag aus und ließ sich von nichts abhalten, meiner Verlegenheit überhaupt nicht gewahr. Glücklicherweise steigerte er sich danach. Obwohl wir letztendlich nicht gewannen, hatte ich viel Spaß.
Die Sonntage zählten während meiner Zeit in The Leas zu den Höhepunkten, denn dem Lunch mit meinen Eltern außerhalb des Internats folgte Pick of the Pops. Sonntags die Vorschule zu verlassen glich dem Freigang eines Gefängnisinsassen: Draußen sahen die Farben klarer aus, die Luft roch besser … und es gab Roastbeef. Meine Eltern kamen früh morgens an, um an dem Gottesdienst in der Kapelle teilzunehmen. Dad trug Hosen aus Twill, nahm eine aufrechte und gefasste Körperhaltung ein, während Mum winkte und mich freudig und lautstark begrüßte. Dann ging es nach Hoylake, wo wir den Lunch in einem Hotel zu uns nahmen. Danach setzte sich mein Vater hin und führte sich ausgiebig die Times zu Gemüte. Im Sitzbereich hockte ich mich nahe an das Radio. Ich trug immer noch die kurzen grauen Schulhosen und die blaue Mütze – und drängelte andere Jungs aus The Leas weg, falls sich möglicherweise welche dort aufhielten.
Aus der heutigen Perspektive betrachtet, ist es schwierig, ein damaliges Ereignis wie Pick of the Pops zu erklären. Mittlerweile ist es möglich, sich alle musikalischen Wünsche überall zu erfüllen: In jedem Restaurant läuft Musik, in jedem Geschäft, am Flughafen und in jedem Fahrstuhl. 1963 beschränkte sich Popmusik auf drei Stunden jeden Sonntagnachmittag. Die Vorfreude darauf war einfach unglaublich. Man zählte die Tage bis zur Veröffentlichung eines Beatles-Albums, und wenn Alan Freeman dann endlich „She Loves You“ oder „Please Please Me“ spielte, war die Aufregung riesengroß – ich kann das Gefühl heute noch nachempfinden. (Das Gitarren-Riff von „You’ve Really Got Me“ der Kinks fällt auch in diese Kategorie. Seitdem hat es nie wieder so etwas Großartiges gegeben.) Die damalige Popmusik lässt sich mit einer weißen Leinwand vergleichen. Es gab keine Vorläufer. Alles war neu, einzigartig und aufregend. Ich liebte sie alle: The Who, die Stones, die Small Faces, Joan Baez, Arthur Brown … jedoch war mein erster Held zweifellos Cliff Richard.
Nicky entfachte meine Begeisterung für Cliff.
Obwohl Dad das Theater und das Varieté liebte, waren meine Eltern nicht musikalisch. Zuhause beobachtete ich ihn, wie er The Good Old Days mit Leonard Sachs sah und so tat, als würde er die Stücke dirigieren. Doch Mum und Dad besaßen keine Schallplatten (angesichts der durch die Marine bedingten Umzüge besaßen sie allgemein wenige Habseligkeiten). So gab es nur einen Plattenspieler, der im Zimmer meiner Schwester stand, was mich ständig nervte.
Nicky lauschte hautsächlich den Songs von Tommy Steele und Elvis – dem Balladen-Elvis –, der mich überhaupt nicht berührte. Erst als ich „Move It“ von Cliff und den Shadows hörte, diesen wilden, auf einer Gitarre basierenden Sound, packte mich die Musik, und zwar am ganzen Körper. Und dann war da noch Cliff als Person: Seine schnittigen Anzüge, das nach hinten gegeelte Haar, die Bewegungen – und dazu noch der packende Sound. Cliff begeisterte alle.
Mein erstes Konzert – ich überredete meine Eltern, mich dorthin zu bringen – fand im Apollo in Manchester statt: Es waren Cliff und seine Shadows. Wenige Tage davor kaufte ich Brylcreem, und kurz vor der Abfahrt geelte ich mir eine Art Tolle, um so cool wie Cliff auszusehen. Mum fand meinen Look nicht sonderlich toll, marschierte mit mir nach oben und steckte meinen Kopf unter den Wasserhahn.
Witzigerweise wirkte sich die unfreiwillige Haarwäsche nicht auf das Erlebnis aus. Cliff trug ein weißes Jackett sowie ein schwarzes Hemd und war so gut, wie ich gehofft hatte. Dennoch dachte ich nicht im Entferntesten daran, selbst Musiker zu werden, denn als Erwachsener repräsentierte er eine Welt, die außerhalb meiner Reichweite lag.
Ebenso sehr wie den typischen Sound mochte ich die Form der Gitarre. Ich hatte vorher schon Fotos einer roten Höfner mit einem doppelten Cutaway gesehen, wobei ich speziell die Symmetrie mochte. Meine erste Gitarre – eine billige Konzertgitarre – war hingegen eher eine Enttäuschung, vergleichbar mit Bert Weedons Lehrwerk Play in a Day, denn genau das erhoffte ich mir. Allerdings schaffte ich es nicht an einem Tag. Auf dem Cover des Buches ist ein Foto von Bert, der einen Anzug trägt und eine Halbakustik in Händen hält, doch er verlor mich schon auf der dritten Seite.
Aber ich ließ mich nicht so schnell von meinem Traum abbringen: Ich konnte ja immer noch eine Platte auflegen und vortäuschen, ich würde spielen. In Far Hills gab es dafür keine geeigneten Spiegel. In Nickys Zimmer stand ein Garderobentisch mit seitlichen Spiegeln, doch wenn ich die Dinger in eine Position bringen wollte, in der ich gut aussah, musste ich sie mit einem Buch festklemmen. Was mich noch mehr ärgerte – ich durfte ihr Zimmer nur betreten, wenn sie nicht da war. Bei den Ferienaufenthalten in der Morris Lodge fand ich dann einen großen, alten und dunklen Kleiderschrank mit zwei langen Spiegeln an den Türen. Ich verbrachte viel Zeit davor!
Dad musste wohl Mitleid mit mir empfunden