Rhythmen des Lebens - Die erste Genesis-Autobiografie. Mike Rutherford

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Rhythmen des Lebens - Die erste Genesis-Autobiografie - Mike  Rutherford

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Großtante Jean mütterlicherseits. Die Biggars besaßen drei Farmen und züchteten Galloway-Rinder. Ich schätze mal, dass dort der Wunsch in mir erwachte, Farmer zu werden. Ich liebte den Lebensstil und die freien, großen Flächen, mochte es, den Kühen nahe zu sein: Sie strahlten Sanftmut und Sicherheit aus. Ihnen beim Fressen des Heus am Abend zuzuhören, erfüllte mich mit Zufriedenheit.

      Allgemein betrachtet bestand kein liebevolles Verhältnis zwischen den Familien meiner Eltern und den nächsten Verwandten. In Southsea lebte eine gewisse Aunty Rosie, die einen Hang zur Kunst hatte und leicht exzentrisch war – speziell, wenn sie ein oder vielleicht auch zwei Glas Wein trank. Wir besuchten sie jedoch nur einige Male. Merkwürdig, denn während der Stationierung auf Whale Island trennte uns nur eine minimale Entfernung. Die Beziehung zwischen Aunty Rosie und mir nahm kein glückliches Ende: Mum rief mich eines Tages an – ich muss in meinen Zwanzigern gewesen sein – und erzählte mir, das Aunty Rosie geheiratet habe. Zumindest verstand ich das so am Telefon. Wie man es so macht, trug ich Mum daraufhin auf, ihr meine Glückwünsche zu übermitteln. Doch das kam nicht gut an.

      „Nicht geheiratet, mein Liebling! Beerdigt!“ Na ja, „married“ und „burried“ klingen phonetisch eben fast identisch …

      Onkel Berners, Mums Bruder, sah ich noch seltener – tatsächlich nur ein einziges Mal. Sein Name wurde mit leiser Stimme ausgesprochen und nur dann, wenn meine Eltern glaubten, ich sei außer Hörweite. Möglicherweise lag es an seinem Fehlverhalten, denn er weigerte sich, meine Oma zu betreuen, die wir Jean Granny nannten. Vielleicht lag der Grund für das unterkühlte Verhältnis auch in der Tatsache begründet, dass Onkel Berners, der viele Jahre als Vikar in Eton tätig war, seinen Namen im späteren Leben mit einem Zusatz versah, was meine Eltern anwiderte und abstieß. Dad tolerierte keine Großspurigkeit.

      Wegen Onkel Berners musste mein Vater schließlich für beide Omis – Jean Granny und seine Mutter Granny Malimore – finanziell aufkommen. Sie lebten beide bis in ihre Neunziger. Granny Malimore (Malimore nannte man übrigens ihr Haus in Farnham), war eine schlaue, jedoch nicht sehr aktive Frau. Jean Granny hingegen war nicht sonderlich clever, dafür aber ein lebensfroher und aktiver Mensch. Die beiden trafen sich bei Familienfeiern, wo Jean Granny immer eine Treppe fand, die sie hinaufsausen konnte, wobei sie die Frage stellte: „Oh Roberta, bin ich zu schnell für dich gegangen?“ Natürlich konterte Granny Malimore! Sie warf allerlei historische Fakten ins Gespräch und brachte Jean Granny mit Fragen in eine peinliche Situation, weil sie diese nicht beantworten konnte.

      Ich weiß wirklich nicht, wie Jean Granny ihre Lebenserwartung so hochschraubte, doch bei Granny Malimore lag das Rezept auf der Hand: Tiefkühlung! Man betrat ihr Haus in Farnham, atmete aus und sah das Kondensat wie einen dichten Nebel in der Luft – trotz des intakten Kamins! Es war einer dieser kleinen Feuerplätze mit nur geringer Rauchentwicklung. Wenn ein winziger Funke zu glühen begann und ein wenig Wärme abstrahlte, sprang sie aus dem Sessel, schnappte sich den Kohlenkübel und schüttete so viel auf die Glut, dass sie beinahe wieder erlosch.

      Granny Malimore besaß einen Fernseher – in jenen Tagen eher selten –, den ihr ein wohlhabender Cousin aus Kapstadt geschenkt hatte. Sie schaute sich alle Sendungen an, zog es aber vor, die anderen in dem Glauben zu wiegen, sie läse nur die Times. Wenn wir den Raum betraten, saß sie unschuldig da und tat so, als würde sie Zeitung lesen, doch wenn man die Hand auf den Fernseher legte, war er glühend heiß. Wahrscheinlich strahlte das Ding mehr Hitze ab als der Kamin!

      Jean Granny lebte in einem etwas heruntergekommenen „Heim für Dauergäste“ in Farnham, dem Morris Lodge Hotel. Morris Lodge spielte in unserem Familienleben eine große Rolle. Während mein Vater sich im Koreakrieg befand, zog Mum mit meiner Schwester und mir dorthin. Diese Erfahrung zählte wohl zu den Gründen, warum sie die Trennung verarbeiten konnte. Nicky und ich standen unter ständiger Beobachtung meist dieser oder jener „durchgeknallten“ Person. Ein Colonel und eine Mrs. Crosse führten das Heim, unterstützt von einigen ziemlich herrschsüchtigen Schwestern. Vermutlich wurde darum [die in einem Hotel spielende Comedy-Serie] Fawlty Towers zu einer meiner Lieblingssendungen: Ich identifizierte mich vollkommen mit den Charakteren.

      Noch als wir in Cheshire lebten, besuchten wir während der Ferien die Morris Lodge. Wir verbrachten die Wochenenden gelegentlich mit Angeln in der hügeligen Landschaft Derbyshires. Ich liebte das Leben an der frischen Luft, und auch heute noch bringen mich Flüsse zum Schwärmen.

      Beim Fluss in Hartington gibt es eine wunderschöne Stelle, an der sich der Lauf krümmt. Dort ist es immer ruhig und friedlich, was sich jedoch nach der Invasion der Rutherfords nebst Hund änderte. Die seriösen Angler zeigten sich schockiert, nicht zuletzt, weil Mum eine brandneue Hardy-Angelrute besaß, aber dennoch einen Wurm für das Fliegenfischen benutzte.

      Dad hingegen lag diese Freizeitbeschäftigung nicht, während ich in der ganzen Zeit nur zwei Fische aus dem Wasser zog. Doch Mum hatte ein ausgeprägtes Gefühl dafür. In ihrer Jugend in Südafrika war sie überaus sportlich gewesen: Sie ritt, nahm an Bootsrennen teil und übte sich im Schießen. Als ich aber das Licht der Welt erblickte, gehörten diese Aktivitäten indes einer längst vergangenen Ära an.

      Mutter war eigentlich ständig für irgendwelche Scherze zu haben. Sie versuchte meinen Vater etwas aufzulockern, denn er strahlte eine gewisse Steifheit und Förmlichkeit aus. Dad hatte einen Sinn für Humor, zwar einen trockenen Humor, den viele übersahen, doch er war da. Mir gegenüber verhielt er sich jedoch eher reserviert, obwohl ich mich immer geliebt und behütet fühlte.

      Vater war mit Opas Geschichten über den Burenkrieg aufgewachsen, doch er erzählte mir niemals von seinen Kriegserlebnissen, obwohl er viel zu berichten hatte. Nach der Kriegserklärung 1939 bestand seine erste Mission darin, Goldbarren im Wert von einer Million Pfund nach Kanada zu befördern. Das Gold stammte aus Frankreich und sollte zur sicheren Aufbewahrung verschifft werden. 1940, nachdem Frankreich in die Hände der Deutschen gefallen war, oblag ihm die Aufgabe, zwei französische Schiffe im Hafen von Plymouth in Beschlag zu nehmen, und 1941 befand er sich an Bord der „King George V“, die an der Versenkung der „Bismarck“ beteiligt war. Als Kind spürte ich, dass Dad nicht über den Krieg reden wollte, und hielt es für unangemessen, ihn danach zu fragen.

      Wir waren niemals eine unglückliche Familie, allerdings ernst. Ich habe Dad beim Yoga beobachtet, das er während seines Aufenthalts in Fernost gelernt hatte, doch er spielte niemals Fußball mit mir. Auch belanglose Gespräche fanden nicht statt. Schon von jungen Jahren an kannte ich seine hohen Ansprüche. Beim Dienst auf Whale Island entschied er, wer Prüfungen bestand und wer durchfiel.

      Eine Erinnerung passte jedoch nicht ins Bild: Mein Vater und ich nahmen gemeinsam das Bad, als ich noch sehr klein war. Ich besaß ein Plastik-U-Boot – eines dieser lustigen Dinger, die man in einer Cornflake-Packung fand – und füllte Backnatron hinein, damit es auf- und abtauchte. Während mich Dad dabei beobachtete, dachte er vermutlich, dass es sich nur um eine Frage der Zeit handeln könne, bis ich eine Laufbahn in der Marine antreten würde.

      Wir verbrachten nur wenig Zeit miteinander. Wenn er von der Arbeit nach Hause kam, lag ich oft schon im Bett. Im Alter von siebeneinhalb Jahren verfrachtete man mich dann ins Internat. Dad stellte letztendlich nur einen kleinen Teil meines alltäglichen Lebens dar, und gerade deshalb empfand ich die wenigen gemeinsamen Episoden auch als so wichtig.

      Was Mum anbelangt, da weiß ich eigentlich nicht, was sie den ganzen Tag lang trieb, doch was auch immer es war – sie hatte es stets eilig. Meine Erinnerung dominiert ein Bild: Mum platzt in ein Zimmer, riecht noch nach der kalten Luft von draußen, stellt etwas ab und eilt schon wieder hinaus.

      Meine Eltern hatten nicht viele Freunde. Die beiden müssen es als eine Art Schock erlebt haben, als sie sich im fortgeschrittenen Alter in der realen Welt außerhalb des Militärs zurechtfinden mussten. Dad hatte zuvor nie ein Haus besessen, denn als Captain war er ständig unterwegs gewesen. Wo auch immer er die Dienstmütze

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