Rhythmen des Lebens - Die erste Genesis-Autobiografie. Mike Rutherford

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Rhythmen des Lebens - Die erste Genesis-Autobiografie - Mike  Rutherford

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war der Unterricht nicht viel besser als die Tipps eines Bert Weedon. Ich wollte weder Tonleitern noch Noten von einem Typen in einem Tweed-Jackett lernen. Ich wollte Songs lernen! Nach einigen Wochen brach ich den Unterricht ab, was Dad sicherlich enttäuschte.

      Als Gitarrist – auch wenn man nicht so gut war – hatte man einen großen Vorteil, denn man hob sich automatisch von den anderen in The Leas ab. Dort spielte jeder Klavier oder Flöte.

      Mein erster Auftritt fand während des dritten Jahres bei einer Schulversammlung statt, wo ich eine Solo-Fassung von „Michael Rowed The Boat Ashore“ zu Gehör brachte. (Das Programm an dem Abend beinhaltete noch „Dry Bones – A Negro Spiritual“ und endete mit dem Schullied „Deo Parere Libertas“.)

      Ich gehörte zum Schulchor, obwohl meine Stimme nicht sonderlich gut klang. Als wäre das nicht schon schlimm genug, stieß so ein Idiot meine Gitarre – die ein Klassenlehrer für mich gestimmt hatte – vor dem Auftritt um. So musste ich die ganze Aufführung mit einer schrecklich verstimmten Gitarre bestreiten. Ich war ein eher introvertierter und schüchterner Mensch, doch noch zu jung, um mich von solchen Nichtigkeiten aus der Bahn werfen zu lassen. Unbeeindruckt kämpfte ich weiter. Der Erfolg des Abends übermannte mich so sehr, dass ich daraufhin eine Band gründen wollte.

      Die Chesters bestanden aus fünf Mitgliedern, obwohl nur zwei Instrumente spielten. Dimitri Griliopoulis und ich. Er war Schlagzeuger, und so lag es auf der Hand, dass wir uns zusammenschlossen. Wir machten uns natürlich keine Gedanken darüber, dass die drei anderen nur aus Spaß mitmachten. Hauptsache, man konnte damit angeben, in einer Band zu spielen – das war uns allen klar! Ein Instrument spielen zu können, darum ging es erst mal nicht.

      Wir leiteten den Gruppennamen von der Tatsache ab, dass The Leas nur 15 Minuten von Liverpool entfernt lag, einer Stadt, aus der die wichtigsten musikalischen Impulse kamen. The Liverpools klang nicht besonders gut, und so entschieden wir uns für Chesters, dem nächstgelegenen größeren Ort, dessen Namen wir mochten.

      Wir übten in der Haupthalle. Scheinbar jedes Mal schaute ein Musiklehrer vorbei und riet uns, dass wir einen Querflötisten oder Blockflötisten aufnehmen sollten, obwohl das für unser Image nicht hilfreich gewesen wäre – ebenso wenig wie die Kricketpullover, die Dimitri und ich auf den Promo-Fotos trugen.

      Während eines Ferienaufenthalts überredeten wir Nicky verzweifelt dazu, sich mit uns ablichten zu lassen. Sie sah tatsächlich so aus, als gehöre sie zu einer Band, was man von Dimitri und mir nicht gerade behaupten konnte.

      Dimitri und ich schrieben einige Songs mit Textzeilen wie: „We used to be so happy / We said one day we’d marry.“ Als er sich klammheimlich mit den Echoes, der anderen Band in The Leas verbündete, nahm ich ihm das nicht übel, denn ich hatte genug damit zu tun, das Spiel auf der neuen E-Gitarre zu erlernen.

      Mit Mum einen Gitarrenladen zu besuchen, mag nicht sonderlich vorteilhaft ausgesehen haben. Sie trug ein Kleid aus Tweed und ein Kopftuch, aber auch ich gab mit meinen Shorts und den Start-rite-Sandalen sicherlich kein gutes Bild ab. Mum kleidete mich immer schick und hatte eine Bürste in ihrer Handtasche parat, mit der sie meine Haare kämmte, bevor wir irgendwo hin gingen.

      Ich hatte nicht den blassesten Schimmer, was für eine Gitarre ich haben wollte, und der Laden raubte mir fast den Atem. Die Instrumente, die an den Wänden hingen, wirkten recht cool und schüchterten mich ein wenig ein. Der Verkäufer hätte uns jede nur erdenkliche Klampfe andrehen können, was er dann auch machte. Ich verließ das Geschäft mit einer Fender Jazz-Gitarre, deren Seitenabstand zum Griffbrett mehr als 0,6 Zentimeter betrug. So eine Höhe wünscht man keinem Anfänger. Mein Verstärker war ein Selmer Little Giant – eindrucksvoller Name, aber ein winziges Ding, in der Größe 30 cm x 45 cm. Vor diesem Tag hatte ich überhaupt nicht darüber nachgedacht, einen Verstärker zu benötigen. Die Zeitungen waren damals voller Cartoons von langhaarigen Typen, die in ihren Zimmern E-Gitarre spielten, während die Eltern – meist waren es die Väter – die Augen voller Entsetzen und Qual verdrehten. Das Gitarrenkabel führte bei den Zeichnungen eigentlich immer zur Steckdose. Ich fand das plausibel.

      Meine leicht naturfarbene Gitarre in dem mit grünem Plüsch ausgeschlagenen Koffer zu sehen war an sich schon ein aufregendes Erlebnis. Wieder in Far Hills angekommen, eilte ich auf mein Zimmer und spielte einen nicht sonderlich musikalischen Rhythmus. Sogar ich empfand den Klang als laut, wunderschön laut, doch ich kann mir schwerlich vorstellen, wie das bei Dad ankam, denn seine Generation kannte keine verstärkte Musik.

      Seitens meines Vaters bestand eine weitläufige Verwandtschaft mit Percy Bysshe Shelley, dem Dichter aus der Epoche der Romantik. Die Mutter der Mutter meiner Großmutter war die Schwester von Shelleys Mutter, und so erwartete Mum wohl eine künstlerische Ader in mir. „Liebling“, sagte sie. „Es liegt dir im Blut: Es ist Shelleys Blutlinie!“ Dad jedoch – obwohl er mich nie an der Musik hinderte – muss wohl besorgt gewesen sein, zumindest, was das Haus anbelangte. Jedes Mal, wenn ich spielte, schritt er das Gebäude ab und klopfte an das Gemäuer. Er glaubte wohl, dass ich den Putz von den Wänden rockte (was möglicherweise zutreffen mag – aber nur ein bisschen). Trotzdem beschwerte er sich nie bei mir. Ach ja, es erübrigt sich wohl zu erwähnen, dass das Haus niemals einstürzte.

      Abgesehen von Dimitri schloss ich in The Leas Freundschaft mit einem Jungen namens David Sandford, der aus Irland stammte. Während des letzten Schuljahres lud man mich dorthin ein. Es war meine erste Flugerfahrung, und David Sandfords Vater, ein Truthahnzüchter aus Strangford, holte mich vom Belfast Airport in einem klapperigen alten Rover ab.

      Ich schätze mal, dass Mr. Sandford meinen Aufenthalt möglichst gewinnträchtig nutzen wollte, denn David und ich mussten beim Füttern seiner Truthähne und der Ernte helfen. Es hielten sich dort auch noch einige ältere Jungen auf. Wir wohnten in einem eigenen Caravan hinter der Scheune. Für Davids Vater bedeutet mein „Urlaub“ eine kostenlose Arbeitskraft, doch ich verspürte das Gefühl der Freiheit: Im Alter von zwölf Jahren fühlte ich mich wie ein Erwachsener.

      Zu der Zeit rauchte ich gelegentlich eine Player’s No. 6, doch in diesen zehn Tagen durfte ich so viel rauchen wie ich wollte (was ich auch tat). Darüber hinaus machte ich die Entdeckung, dass der Cidre, den die älteren Jungs tranken, recht erträglich war. Als Heranwachsender hatte ich es immer auf den Sherry meiner Eltern abgesehen. Gin Tonic und Gin mit Wermut interessierten mich nicht, denn der Sherry zog mich aufgrund der lieblichen Farbe an. In einem Jahr boten die beiden mir ein Glas an. Ich fand den Geschmack ekelerregend, obwohl ich ihnen das nicht sagen durfte. Mit einem „Mm! Schön!“ zwang ich mir das Zeug durch die Kehle. Cidre stellte eine eindeutige Verbesserung dar.

      Die Schattenseite der Reise nach Irland lag in der geringen Entfernung des Caravans zu 17.000 Truthähnen, denn das Gefährt stand nur wenige Meter vom Gehege entfernt. Allein beim Gedanken an Strangford zieht mir ein penetranter und anhaltender Ammoniak-Gestank durch die Nase. Seit dieser „Truthahnerfahrung“ und dem Sherry hat sich mein Weihnachtsessen grundlegend verändert …

      Mal von einigen Zwischenfällen in der Vorschule und den „berauschenden“ Irlandferien abgesehen, kann man mich als einen Jungen mit guten Mainieren beschreiben. Mein Vater hat mir immer die Bedeutung von Höflichkeit, Vertrauen und Ehre eingetrichtert, und ich glaube, dass er für diese Charakterzüge in den Krieg gezogen ist.

      1941 kehrte er mit seinem Schiff, der „Excellent“ zu einer Generalüberholung in den Hafen von Portsmouth zurück – einen Tag nach dem ersten schweren und überraschenden Bombenangriff. Er war schockiert, die „rauchenden Ruinen unseres Heimathafens“ zu sehen.

      Ich ging an Land, um mich umzuschauen. Mich überkam ein unverhältnismäßiger Wutausbruch. Ich inspizierte den Schaden an den Pubs, wo wir so manche fröhliche Stunde verbracht hatten, wo wir die Bedienung nach der Sperrstunde zu einer Tanzveranstaltung in den lokalen Versammlungsräumen einluden

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