Die sieben Todsünden. Corey Taylor

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die sieben Todsünden - Corey Taylor страница 5

Die sieben Todsünden - Corey Taylor

Скачать книгу

gewertet. Anschuldigungen, sie seien verdorben und lasterhaft, wurden ihnen nicht zur Last gelegt. Nur wenn sie einen Gleichgestellten ermordeten, mussten sie sich mit zögerlichen und vorsichtigen Nachfragen abplagen. Wenn sie gleich zur Geburt ihren theokratischen Freifahrtschein erhielten, ja, wo liegt für uns, die wir in der Moderne leben, der Unterschied? Die alte Logik ist natürlich eine Reflektion mittelalterlicher Ignoranz. Aber sie unterscheidet sich von der Definition der Grundpfeiler, auf denen die Vereinigten Staaten von Amerika aufgebaut wurden, markiert also eine alte Epoche, die wir längst vergessen haben müssten. Wir sind alle gleich. Was für den einen Sünde ist, ist für den anderen ein Hochgenuss. Blaues Blut verklumpt sich jeden Tag, um die Wünsche und Bedürfnisse der oberen Kruste zu erfüllen. Und wenn wir in der Mittel- oder Unterschicht uns so verhalten, sollen wir im Hause des christlichen Butzemanns schmoren? Warum sollen wir für unsere Ausgelassenheit an Wochenenden verdammt werden, wenn diese für die oberen Zehntausend zum ganz normalen Tagesablauf gehört?

      Und so lasse ich verlauten: „Bis hierher und nicht weiter!“ Begehre das Leben mit jeder Faser deines Körpers. Schätze die Geister, die dir das Gefühl der Lebendigkeit und Energie schenken. Faulenze an deinen freien Tagen, wenn du schon die Woche mit dem Geldverdienen verbringst, um die Familie über Wasser zu halten. Nimm dir das, was du willst, denn schon morgen kann es gegen ein Gesetz verstoßen. Schlag dir die Vorsicht aus dem Kopf und befreie dich von den Fesseln des Aberglaubens. Glaube, wenn du willst, aber handele nach deinem Glauben. Die Tage der Furcht sind vorüber. Sie werden niemals wiederkehren.

      In diesem Buch finden sich einige wenige eskapistische Stellen, ein bisschen Spaß und viele Gedanken über die Freiheit der Seele. Wir alle werden zu Hoffnungsträgern mit Tiefgang, wenn uns eine Ahnung überkommt, warum wir hier sind. Warum also sollten wir uns das Leben mit vermeidlichen Unterschieden unnötig schwer machen, wenn wir doch alle gleich fühlen? Nur weil wir etwas denken, ist das noch lange keine Sünde. Es macht uns nicht zu Sündern, nur weil wir etwas begehren und uns das holen. Und nur weil wir etwas fühlen, sind wir erst recht keine Sünder. Es liegt eine unvergleichliche Vitalität darin, den Verlockungen des Lebens nachzugeben. Lass deinem Geist freien Lauf, und du rettest vielleicht deine Seele. Okay, vielleicht sollte ich hier einen kleinen Tipp zur Errettung anbieten.

      Natürlich ist nichts dagegen einzuwenden, sich von den Sünden zu befreien, loszulösen. Viel zu viele Menschen stellen sich aber auf einen Sockel, nur weil sie sich natürliche Wünsche versagen. Na gut, wenn ihr scheinheilig und heuchlerisch sein wollt, dann macht das. Wir zumindest erfahren uns durch die Lebendigkeit.

      Möglicherweise werden dir mit Hilfe dieses Buches einige Dinge klar. Sehr wahrscheinlich ist es aber, dass es mir hilft, mit üblem Scheiß aus meinem eigenen Leben fertig zu werden. Ich mag ein Arsch sein, bin aber kein total mieser Typ. Klar, ich habe Sachen angestellt, auf die ich nicht stolz bin, würde sie aber nie als Sünden bezeichnen – eher als Fehler. Aus Sünden darfst du nichts lernen, denn sie werden dir dein ganzes Leben lang unter die Nase gehalten. Es sei denn, du bist katholisch. Die Beichte gleicht dem Kleingedruckten in einem wasserdichten Vertrag, und ich bin mir sicher, dass Menschen anderen Glaubens euch beneiden.

      Fehler? Zum Teufel, wir machen alle Fehler, und man erwartet von uns, dass wir daraus eine Lehre ziehen. Darin besteht ein Teil unserer Reise. Dadurch bewegen wir uns aus der Unschuld zur Krone der Weisheit. Durch Fehler entwickeln wir uns und haben nicht mit 90 die Psyche eines Kleinkindes. Dadurch scheißen wir uns nicht in der Öffentlichkeit zu und andere Menschen an! Sie bewirken das ständige Lernen, sind ein GPS, durch das wir uns in diesem so genannten Leben immer wieder aufs Neue anpassen und „feintunen“.

      Ich möchte euch ein Beispiel dafür geben. Bei einem der verschiedenen „normalen“ Jobs, den ich vor der Zeit durchzog, in der ich „The Artist Known As Corey Fucking Taylor“ war, hatte ich Zugang zu all den Ressourcen und den Reichtümern, die dort lagerten, und nutzte jede Gelegenheit, mit meinen Fingerchen in die Schatullen und Kisten zu grabschen. Ich missbrauchte meine Position, da ich das Sicherheitssystem in allen Einzelheiten kannte. Das Stehlen war so leicht, dass sogar die Manager sich „vergriffen“. Ich machte mit, nicht weil ich grundsätzlich übermütig, sondern weil ich pleite war. Ich verdiente nur einen Hungerlohn. Nun habe ich seit 30 Jahren nichts mehr gestohlen. Mit 13 durchlebte ich meine Ladendiebstahl-Phase, bei der ich harmloses Zeug mitgehen ließ wie Schokoriegel oder Playboy-Magazine. Für mich war die Erfahrung des Diebstahls beim späteren Job neu und aufregend – Kohle mitgehen zu lassen, Merchandise-Artikel zu klauen und darüber hinaus noch Sex am Arbeitsplatz zu haben. Um es anders auszudrücken – ich war ein totaler Mistkerl. Man kann mich als totalen Mistkerl bezeichnen: Ich stahl in einer Nacht mehr Geld, als ich in einer Woche verdiente. Ich zelebrierte Orgien in den Hinterzimmern. Und ich verließ den Laden mit Großhandelsprodukten im Wert Tausender von Dollars. Der wahre Grund für den Diebstahl lag aber in der Gelegenheit zu klauen. Reicht das als Legimitation aus? Auf gar keinen Fall.

      Bis zum heutigen Tag wird mir kotzübel, wenn ich darüber nachdenke. Es war ein Lebensabschnitt, für den ich mich rückblickend schäme. Es hätte mir egal sein sollen, dass die anderen auch stahlen oder dass die Geschäftsführer es verdient hatten, denn sie waren betrügerische Ganoven, die Tausende von Dollars nicht in den Büchern erscheinen ließen, aber uns, den Leibeigenen, einen Hungerlohn zahlten. Ich habe mich schon immer mit Vehemenz gegen Diebstahl ausgesprochen, verhielt mich aber konträr, klaute bis zum Abwinken und scherte mich nicht im Geringsten um die Konsequenzen. Ich nutzte ein System aus, dessen Aufrechterhaltung mir übertragen worden war, und plünderte aus Habsucht und Gier. Nach dieser Zeit habe ich nie mehr gestohlen – auch nicht das Geringste. Darauf bin ich aber nicht stolz. Ich kenne einfach meine Grenzen und habe mir geschworen, sie nie wieder zu überschreiten. Hätte ich heute so ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl, wenn ich damals nicht so weit gegangen wäre? Wer weiß, ob ich mich heute so sehr darüber aufregen würde, wenn ich damals nicht diesen ganzen Mist gebaut hätte? Die fehlgeleiteten Taten meiner Vergangenheit führten mich zu den Tugenden der Gegenwart und werden mich hoffentlich in eine wunderbare Zukunft leiten. Aber ich bezeichne sie nicht als Sünden, sondern als Fehler, als Kapriolen einer jugendlichen Leichtsinnigkeit. Ich fand meine moralische Grenze, weil ich sie überschritten habe, und mich dabei schlecht fühlte.

      Das kann mir keiner vorwerfen. Diesen Job müssen nur mein Bewusstsein und meine Seele leisten. Nur ich kann mein Handeln beurteilen und bewerten, denn niemand kennt mich besser, als ich selbst. Wer kann meinen zurückgelegten Weg verstehen, wenn er auf keiner Karte verzeichnet ist? Der Unterschied zwischen der Selbsterkenntnis und dem Selbstvertrauen ist gering, aber die sich daraus ergebenden Konsequenzen reichen ins Unendliche. Viele Gläubige werden dem widersprechen, behaupten, dass Er dich besser kennt! Ja, das ist in Ordnung und so weiter, aber ich habe niemals einen Beweis seiner Existenz gesehen, mal abgesehen vom nihilistischen Gefasel Tausender seiner Anhänger – und so verlasse ich mich lieber auf mich selbst, vielen Dank auch. Wie ich eben schon sagte, keiner kennt mich so gut, wie ich selbst, und ich lerne aus meinen Fehlern.

      Ein Leben ohne diese sieben kleinen Gewürze – wäre das nicht langweilig? Wir reden von der Faulheit, aber würden Frauen und Männer überhaupt aufstehen, wenn es nicht die Lust gäbe, die sie zur „Jagd“ antreibt? Warum sollten Leute in einer Band spielen wollen, wenn sie nicht den Adrenalinkick des Zorns spürten, der sie am musikalischen Tisch speisen lässt? Kann sich ein Mensch zurückziehen, von der Welt lösen, ohne dass seine kleine Seele von der Gier verunreinigt wird? Warum sollte sich die Welt drehen, wenn da nicht ein paar kleine Regeln wären, die man brechen kann? Oder einige Revolutionen, die es anzuzetteln gilt? Oder anders gesagt: Warum sollst du tief Luft holen, wenn du dann den verdammtem Atem anhalten musst?

      Klar, ich stelle mich auf die Seite der Angeklagten, aber um es zu wiederholen – die meisten belanglosen „Sünden“ dienen nur dazu, aus dem System auszubrechen und sich lebendig zu fühlen. Warum hat denn der Mensch einen freien Willen, wenn er nicht erst ein paar kleine Proberunden drehen darf? Ein Vergleich zwischen einem Schwerverbrechen und einem geringfügigen Vergehen ist hilfreich: Süßigkeiten zu klauen kann nicht mit Mord gleichgesetzt werden und Wollust steht nicht für Vergewaltigung. Es ist wichtig, sich

Скачать книгу