Die sieben Todsünden. Corey Taylor
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Du kannst die Grenzen so weit hinausschieben, wie du willst, musst aber die Landesgrenze beachten! Manchmal vergessen wir, dass die Zeit auf unserer Seite ist – und nicht für ein anderes Team schlägt. Ich habe nichts gegen Gott, aber nicht, weil ich an ihn glaube. Es liegt wohl daran, dass ich ihn noch nie getroffen habe. Und wenn ich mir seine Erfolgsziffern anschaue, muss ich ihm auch gar nicht begegnen.
Falls es wirklich einen Gott gibt (ich behaupte nicht, dass er existiert), lässt er sich mit einem Footballteam vergleichen, das eine ausgeglichene Bilanz vorweist. Manchmal kriegt er alles auf die Reihe und manchmal nicht. Ich muss ehrlich sein: Sogar die amerikanische TV-Wahrsagerin Ms. Cleo kann bessere Statistiken vorweisen, und sie hatte darüber hinaus noch eigene Werbespots. Wenn du jetzt erwiderst: „Klar, es gibt einen Gott“, dann brauchst du nicht dein Kristallkreuz zu schwenken, denn das zählt für mich nicht. Es ist nicht cool, das Vaterunser darin zu sehen und wie ein scheinheiliger Fernsehprediger aufzutreten – das ist doch nur gruselig und beängstigend. Diese Typen sind doch die gleichen Leute, die dir einen Grillwagen verkaufen, der von den Amischen hergestellt wurde, dieser täuferisch-protestantischen Glaubensgemeinschaft, die die moderne Technik ablehnt. Wir würden diesen angeblichen Vertrauenspersonen keinen Glauben schenken.
Das ist der erste Schritt auf dem Weg, die mythologischen Regeln abzuschaffen, damit sie von einer menschlichen, sehr menschlichen, aufrichtigen und herzlichen Sichtweise abgelöst werden, um so zur nächsten Stufe der Evolution zu gelangen. Wir sollten unsere kleinen Götter und die Grundrichtlinien, die sie uns auferlegen, hinter uns lassen. Wir sollten unsere veralteten Ideen wie eine Tasche in den Müll werfen und uns am Flughafen was Neues zulegen. Wir sollten dem künstlichen Schoß der Gottheiten entfliehen, die wir kreieren, und einen neuen „Anbieter“ in Craig’s List suchen [Online-Netzwerk für Dienstleistungen]. Hört auf solchen Druck auszuüben! Die Menschen haben gerade erkannt, dass sie ihren Willen frei umsetzen können. Ich frage dich: Wenn du Gott wärst, mit nur einem Gedanken alles haben und verändern könntest, warum würdest du noch länger als nötig auf dieser experimentellen Ameisenfarm rumhängen, statt eine neue zu erschaffen? Wir sind nicht Puppen von Papisten [Glaubensgemeinschaft im England des 17. Jahrhunderts; Demokratiefeinde und Dogmatiker]. Wir sind kein Beiwerk in einem verdammten, experimentellen Film der Zeugen Jehovas. Wir sind viele Menschen auf der Suche nach Antworten, und für mich hat die Religion den gleichen Wert wie das Lehrbuch aus dem letzten Jahr – längst überholt und verunstaltet durch viel zu viele Randbemerkungen des letzten Lesers.
Vielleicht wird den Leuten ein Licht aufgehen. Na ja, möglicherweise auch nicht. Der Kampf liegt in unserer Natur, genau wie die Tendenz Führern zu folgen. Ehrlich, das soll jetzt keine Warnung sein, sondern nur das menschliche Verhalten beschreiben. So sind wir nun mal. Wir Menschen wollen uns verändern, aber unsere Seelen sind mit genug Pisse und Senf beschmutzt, dass wir gewaltige Anstrengungen unternehmen müssen, um uns aus der moralischen Spirale, dem Loop, zu befreien und Erleuchtung zu finden.
Versuche zu verstehen und lies weiter. Denk an das Leben, wie es ist, und beweg dich vorwärts. Da ich mich schon auf die möglichen Konsequenzen dieses Buchs vorbereitet habe, solltest du dich auf meine winzigen, kleinen Rügen, Sticheleien und Provokationen einstellen. Wenn das Buch des Lebens fortgeschrieben wird, können wir Drehungen und Wendungen einbauen, zu Gunsten einer besseren Zeit und neuer Wege. Wenn das geschieht, sitzen wir wieder auf der Schulbank, dazu bereit, unsere Prüfungen mit Bravour zu bestehen. Mein Credo lautet: Behandele alle Menschen wie Geburtstagskinder, aber sei vorsichtig, denn sie könnten in der nächsten Sekunde auf die Geburtstagstorte kotzen. Wir leben nicht in einer Zeit, in der wir uns gemütlich auf einen Zaun setzen können – es ist an der Zeit, diesen verfluchten Zaun niederzureißen. Setze ein Zeichen auf dem Weg der Selbstfindung und versuche diese Mühlsteine namens Sünden hinter dir zu lassen.
Der Glaube an sich ist großartig, denn er eröffnet ungeahnte Möglichkeiten. Ich möchte, dass du dir das holst, was dir schon immer gehört hat. Wenn das Licht, das du suchst, hell genug leuchtet, wird sich ein Weg eröffnen. Wenn du dich bedrückt fühlst, kannst du immer eine neue Glühbirne in die Fassung drehen. Lasse es niemals zu, dass die Beschränkungen deines Verstehens dich daran hindern, weiter zu kommen. Wir können bessere Menschen werden und damit bessere Menschen sein. Vertraue mir – es ist so einfach, wie es klingt.
Bevor es weitergeht, muss ich erst mal was klarstellen. Mir ist bewusst, dass ich einige Leute provozieren werde und mich somit zahlreichen Beschimpfungen aussetze, aber offen gesagt, habe ich so was schon erlebt. Hier kurz eine Tatsache. Ich weiß es und du weißt es. Tief in uns, in diesem bizarren Wartezimmer, das wir Seele nennen, sind wir uns alle einig, dass die bekannte Komikerin Roseanne Barr niemals lustig war – das ist eine unumstößliche Wahrheit. Niemand traut sich eine weitere Meinung offiziell zu verkünden, und so bin ich der Motherfucker, der das macht.
Kino-Nachos sind keine echten Nachos.
Sie sind es nicht! Kino-Nachos sind nicht mehr als Chips und Dip. Zuallererst haut man sich seine Nachos nicht selbst zusammen, und schon recht nicht in einem großen, dunklen Saal ohne Tisch. Zweitens: Echte Nachos sind mehr als beschissene Tortilla-Dreiecke in luftdicht verschlossenen Plastikbecherchen, voller würzigem, glibberigem Käse – und mir ist es scheißegal, wie lange der Mist in der Mikrowelle gebrutzelt wird.
Wahre Nachos sind ein unvergleichliches Erlebnis, eine den Gaumen betörende Mischung aus Fleisch, Käse, Pfeffer, Hühnchen, saurer Soße, Avocado-Pürree und knusprigen Maiswürstchen, zubereitet für zwei oder mehr Personen, die es darauf abgesehen haben, einen Frontalangriff auf die Magenwände zu starten. Nachos müssen eine gigantische Feuersbrunst im Mund entfachen, eine majestätische Tex-Mex-Erfahrung sein, bei der jeder Biss zu einer einzigartigen Delikatesse wird.
Kino-Nachos dagegen sind eine verdammte Verarsche. Sie sind der deutliche Hohn auf alles Essbare und eine Verarschung der Moral. Die Industrie hat so eine beschränkte Sichtweise, dass sie nicht mehr weiß, was einen Snack ausmacht, versucht damit eine ehemalige Gaumenfreude wieder ins Spiel zu bringen. Es ist nicht unsere Schuld, dass sich ihre Verkaufsschlager seit Jahren nicht geändert haben – Popcorn, Limo und Süßigkeiten. Das haben sie sich selbst zuzuschreiben. Hätten sie uns eine breitere Palette an Leckereien angeboten, wäre jetzt diese dämliche Diskussion überflüssig. Ich aber werde nicht meine geliebten Nachos dem Diktat der Konzerne opfern. Mit jedem Atemzug werde ich für meine unverfälschten, reinen und unglaublich raffinierten Nachos kämpfen. Mit jedem Atemzug, ihr Motherfucker.
Gut, jetzt bin ich so richtig angepisst. Also ist es der ideale Zeitpunkt, um über Zorn zu sprechen.
Du kennst das Gefühl. An beiden Seiten deines Blickfelds tauchen schwarze Balken auf. Deine klare Sicht verschwimmt. Du kannst schon die Dämonen erkennen, die deinem Blick folgen, der durch den Raum schweift. Deine Mundhöhle wird trocken. Statt der Spucke scheint sich ein gefährliches Gift gebildet zu haben. Die Fäuste ballen und öffnen sich, und aus der Handinnenfläche rinnt Blut, das sich auf die traurige Reise zu deinen Fingern begibt, eine Art Karte von den Ereignissen zeichnet, die zu dieser labilen Gemütsfassung führten. Psychologisch betrachtet sind jetzt unterschiedlichste Ausdrucksformen möglich. Du kannst laut und aggressiv werden, deine Freunde und die Familie beschimpfen, fluchen und/oder intellektuell auf das unterste Niveau abstürzen. Es ist auch möglich in eine Todesstille zu verfallen, der so genannten Ruhe vor dem Sturm. Mit der Stille erstickst du die Umwelt, die ahnt, dass gleich die Hölle aus den Tiefen ausbrechen wird. Doch es gibt eine Parallele zu einer anderen Emotion. Die Leidenschaftlichkeit des Zorns oder der Wut lässt sich in ihrer Intensität kaum von der Liebe unterscheiden – beide bilden jeweils ein episches Ende des Malstroms, der uns zu Menschen macht.
Klar,