Die sieben Todsünden. Corey Taylor

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Die sieben Todsünden - Corey Taylor

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wenn nicht eine potente Kombination von Zorn und Furcht? Lässt sich der Wagemut nicht darauf zurückführen, dass ein Mensch so wütend und ängstlich ist, dass ihm das Undenkbare gelingt? Wut durchdringt die Gesellschaft. Wenn die Nettigkeiten verflogen sind, kommt der uralte „Kämpfe oder flüchte“-Instinkt, der Überlebenstrieb, zum Vorschein. Können wir überhaupt mit wütenden Menschen klarkommen? Ja sicher, denn das müssen wir jeden Tag. Können wir ein Leben ohne den Zorn führen? Mit aller Deutlichkeit – nein! Eine friedliche Koexistenz ist nicht in unserer DNS festgeschrieben. Es gelingt uns, eine gewisse Freundlichkeit zu spielen, doch wir werden nie die Ruhe und den Frieden finden, in denen keine Wut existiert. Und warum sollen wir dieses Gefühl in die Kategorie „Todsünde“ einordnen? Vergiss, was Idealisten und Hippies behaupten – der Zorn ist allgegenwärtig und wird es immer sein.

      Das Thema geht mir ziemlich unter die Haut, denn ich bin immer wütend gewesen. Im Alter von neun Jahren habe ich die Fröhlichkeit und Ausgelassenheit aus meinem Leben gestrichen. Als meine Welt aus den Fugen geriet, gehörte die Idylle der Vergangenheit an. In meiner frühen Kindheit musste ich Armut, Erniedrigung, Schikanen und Missbrauch erleben, und je mehr sich meine Muskeln anspannten, desto wütender wurde ich. Mit jedem Schlag, den ich wegsteckte, ersehnte ich mir mehr und mehr den Tag der Abrechnung, an dem ich auf jeder Straße in jedem Land dieser Welt meine geballten Aggressionen ausleben könnte. Ich wünschte mir ein Karma, das Pflöcke in die finsteren Herzen derer trieb, die Schuld an der Verbitterung trugen, die mich einen Großteil meines Erwachsenenlebens plagte. Meine Erinnerung ist lückenlos: Ich erinnere mich daran, wie ich über und über mit Essen bekleckert die Schule verließ, weil die Klassenrüpel mit ihren Tabletts nach mir geworfen hatten. Ich musste mir sichere Wege nach Hause einfallen lassen, da einige Idioten scheinbar nichts besseres zu tun hatten, als mich plötzlich anzuspringen und zu Boden zu reißen. Und dann riefen sie noch an, verarschten mich und warfen Klopapier in unsere Bäume, sodass ich das Gefühl bekam, niemals geschützt und geborgen zu sein. Jeden Morgen bevor ich zur Schule ging, hätte ich in Tränen ausbrechen können. Ich erinnere mich an die Scham und die Verletzungen – und ich erinnere mich daran, in ein Haus zurückzukehren, das auch nicht sicher war.

      Ja, noch heute kann ich mich an die Namen der ganzen Typen erinnern.

      Ich weiß, was sie machen und wie ihr Leben aussieht: Jeden Morgen, jeden Mittag und jeden Abend verbringen die in einem dunklen Loch voller Ignoranz. Und weil ich immer noch wütend bin, und es immer sein werde, denke ich daran, wie diese Großkotze, die eins auf die Fresse kriegen müssten, geendet sind.

      Und ich lächele.

      Vielleicht werde ich meinen Zorn, meine Wut niemals los, aber ich werde auf immer und ewig den letzten Lacher haben.

      Ist das schlimm? In Deutschland wird das Gefühl mit dem Wort Schadenfreude bezeichnet, was so viel bedeutet wie: „Spaß daran zu haben, das Pech oder Versagen eines anderen zu beobachten.“ Ist es falsch, sich einen abzulachen, weil aus den beschissenen Rabauken meiner Kindheit noch größere Versager geworden sind, als ich es mir jemals hätte vorstellen können, dass sie sich abstrampeln und ein Leben führen, mit dem ich mir noch nicht mal den Arsch abwischen würde?

      Für einige wäre das falsch, aber für mich? Verdammt noch mal, nein!

      Ist es eine Sünde? Natürlich nicht!

      Es reicht schon an die Definition des Menschseins heran, wenn du Spaß dabei hast, dass deine Feinde in ihrem Leben eine größere Portion Scheiße aufgetischt bekommen, als du selbst. Wie könnten wir auch sonst „die schlimmsten Tage, die wir je erlebt haben“, überstehen? Für das, was wir erreicht haben, wird es immer eine Anerkennung geben, die uns aber nie ausfüllt – und wir werden uns darüber ärgern.

      Können wir aber die Verbitterung loslassen?

      Wenn du dich abreagiert hast, hinterlässt der Zorn einen widerlichen Nachgeschmack im Mund, und du fühlst dich schuldig. Auch wenn du Genugtuung erfahren hast, bleibt dennoch dieses verbitterte Gefühl. Wie ihr wisst, war ich in der Lage weiterzukommen. Ich konnte mich befreien, den Druckkessel des Hasses anzapfen und daraus etwas Positives machen. Aber diese schmerzliche Emotion umkreist mich wie stechender Zigarettenqualm. Möglicherweise wird das niemals verschwinden, aber dennoch ist es okay. Nur durch die Erfahrungen, die Reise des Lebens, kannst du dich selbst erkennen und daraus lernen.

      Gut, dann unterhalten wir uns mal über was anderes, zum Beispiel über die Vorstellung andere umzubringen.

      Bevor ihr jetzt meint, ich wäre total übergeschnappt und hätte Prügel verdient, will ich darauf hinweisen, dass so ein Wunsch nichts Ungewöhnliches ist. Jeder hat in seinem Leben schon hunderte Male völlig Fremden den Tod gewünscht. Dem Typen, der vor einem fährt und entweder eine Hausnummer sucht oder zu viele „Medikamente“ im System hat. Den Leuten auf dem Flughafen, die scheinbar über alle Zeit der Welt verfügen, vor sich hin schlendern und die anderen Fußgänger aufhalten. Dem Trottel in der Schlange bei McDonald’s, der „äh-äh-ähend“ ein Menü sucht, das es schon lange nicht mehr gibt, bis er schließlich die verfluchte Nummer 2 mit einer Coke bestellt – wie immer! Die lahmen Enten im Einkaufszentrum, die Leute, die mit ihrem Hund Gassi gehen, schnelle Spaziergänger, langsame Spaziergänger – sie alle frustrieren uns dermaßen, dass wir am liebsten Glas kauen, runterschlucken und an inneren Blutungen sterben würden. Die Ungeduld kann einen zur Raserei bringen, bis man sich heimtückischste und schäbigste Arten des Ablebens für die ausdenkt, die einem zu viel der eigenen, kostbaren Zeit klauen.

      Gott weiß, dass auch mir solche Gedanken durch den Kopf schwirren.

      Wenn du jetzt meinst, du wärst zu „reif“ für solche Gefühle, bist du entweder ein Lügner oder du verdrängst sie. Wir haben uns schon alle im „Jack-The Ripper“-Stil den Weg durch eine Menschenmenge gebahnt, zumindest in unseren kleinen, miesen Gedanken. Hier taucht wieder der selbstbezogene Scheiß auf, eine Haltung, die sich so beschreiben lässt: „Ich bin der einzige, der an diesem Tag existiert.“

      Das ist alles in Ordnung und menschlich, aber du kannst es mir glauben: Es gibt nichts Schlimmeres als passiv-aggressive Wut. Ich bin genau so ein Zyniker, wie jeder andere auch, aber wenn sich die Verbitterung eines engen Freundes in beschissenen, neumalklugen Kommentaren niederschlägt, die dir den letzten Nerv rauben, ja, dann ist Schicht im Schacht! Ich bin sehr glücklich – über meine Karriere, meine Familie und sogar die Chance, dieses Buch zu schreiben. Aber wenn Leute, die ich seit Jahrzehnten kenne, mit diesem ganzen „Denk immer daran, wo du herkommst“-Unsinn ankommen, treibt mich das wirklich auf die „Straße der Mörder“. Noch schlimmer kommt es, wenn Leute deine Leistungen absichtlich übersehen und dich wie einen Grundschüler behandeln, der am Freitag einen Teil seines Milchgeldes abgeben soll. Schnappt euch Stift und Papier, meine Kinder, denn nun erteile ich euch eine kostenfreie Lektion! Die besten Freunde im Leben sind die, die dir nicht das Gefühl vermitteln, als würdest du ihnen was schulden. Einige meiner „Freunde“ versuchten Positionen einzunehmen, die ihnen nicht zustehen. Hey, verdammt – was willst du da? Und wenn du dazu ein paar hässliche Worte verlierst, bist du der Arsch, wirst gemieden und stehst allein da. Falls du überhaupt nichts sagst, ist das deine Schuld und du musst den Mist schlucken. Erkennst du die Problematik? Da ist es sogar noch „angenehmer“, wenn dir deine Familienbande Zusammenhalt bringen – vielen Dank, lieber Weihnachtsmann. Du bist das Schlimmste überhaupt! Hier muss ich Coca-Cola die Schuld in die Schuhe schieben, die daraus eine Kitschveranstaltung gemacht haben. Der gute, alte St. Leck-mich-doch sitzt da wie der Oberste Richter und beurteilt harmlose Kinderlein mit ihren kleinen Kerzchen – du darfst sie auch Elfen nennen, ich weiß es besser – und jedes Jahr läuft der gleiche Scheiß ab.

      Die Wunschliste in der einen Hand und in der anderen dieses Krawatten-Scheißding. Versteht mich bitte nicht falsch, ich mag die Dinger wie jeder andere auch, ziehe aber die Grenze bei Musik-Krawatten [Krawatten mit einem eingebauten Chip und einem Minilautsprecher, der ein Lied dudelt. Besonders in der

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