Die sieben Todsünden. Corey Taylor
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Aber bei uns allen brennt mal eine Sicherung durch.
Gib es zu.
Gib es verdammt noch mal zu.
Wir alle rasten mal aus.
Persönlich kann und möchte ich das nicht verurteilen.
Wut empfinden, bedeutet zu fühlen. Auch Liebe und Hass sind starke Emotionen. Aber die beiden zuletzt genannten Gefühle zählen nicht zu den „Tödlichen Sieben“.
Das stimmt doch, oder?
Es gibt einen feinen Unterschied, warum die Wut/der Zorn keine Sünden sind. Als Ventil wirken sie kathartisch, also befreiend. Es gibt ein gutes Gefühl, sich den Scheiß von der Seele zu schreien, auch wenn dieser Scheißhaufen in den Haaren eines anderen landet. Wir nörgeln, schreien, beschweren uns, lassen Dampf ab, zetern, toben, giften uns an und versuchen so etwas loszuwerden, weil es sich wirklich gut anfühlt. Das kann doch nichts Negatives sein! Für uns ist das eine Art auszuatmen, die stickige Luft zu reinigen und zu dem zurückzukehren, womit sich diese Spezies namens Mensch die Zeit vertreiben sollte – in den Straßen zu tanzen und Freude am Leben zu empfinden.
Wie dem auch sei, der Zorn ist die einzige „Sünde“ auf der Liste, der eine Dunkelheit ausstrahlt, die sofort wahrgenommen werden kann. Die Emotion kann augenblicklich ausgelöst werden. Mit anderen Worten – der Zorn ist ansteckend. Er kann wie ein Blitz in deine Realität fahren und eine Trauer verursachen, die dein ganzes Leben lang anhält.
Glücklicherweise wird ein starker Charakter den Menschen beschuldigen und nicht den Zorn.
Unglücklicherweise habe ich selbst erlebt, welch ein Schaden Wut anrichten kann.
Mit elf Jahren machte ich diese Erfahrung, und danach fühlte ich mich nie wieder unschuldig. Ich musste schnell erwachsen werden, und das war ein Job, den ich vermasselte, zumindest in einigen Bereichen. Es ist schon erstaunlich und traurig, was wir manchmal über uns ergehen lassen müssen, nur um zu überleben. Als ich mit der hässlichen Seite der Menschheit konfrontiert wurde, zerbrachen mein Weltbild und das Gefühl des Schutzes und des Geborgenseins.
Meine Schwester und ich blieben nach einem Barbecue in dem Haus eines „Freundes“ meiner Mutter. Es lag nur einige Meilen von unserem Zuhause entfernt. Ich glaube, alle Gäste übernachteten da, denn jeder war voll bis obenhin und wollte nicht besoffen zurückfahren. Vielleicht wollten sich die Leute am Morgen aber noch einen genehmigen, um dann wieder zu den „Verpflichtungen“ des realen Lebens zurückzukriechen. Was für ein Schwachsinn! Niemand fühlte sich zuständig, mich und meine Schwester zu beschützen und abzuschirmen. Schon jahrelang peinigten uns alle nur erdenklichen Schattierungen des Hasses und der Wut, doch an diesem Abend sollte es noch schlimmer kommen. Was geschieht mit dir, wenn plötzlich die ganze Welt auf dich einstürzt?
Meine Schwester und ich hielten uns im Wohnzimmer auf. Wir hatten beide jeweils eine Couch zum Pennen. Die Bewohner des Hauses möchte ich mal Jim und Sadie nennen, vor allem, weil ich mich lange Zeit bemüht habe, ihre Namen zu vergessen. Sie stellten so was wie „professionelle Jugendliche“ dar, denn obwohl in den Dreißigern, verhielten sie sich noch wie 16-Jährige. Delinquenten beim Bluffen zuzuschauen wirkt manchmal so, als würden Affen Poker spielen. In dem Moment, in dem es so scheint, als wüssten sie, was sie machen, scheißen sie andere Leute an. Jim war arbeitslos, aber im Grunde genommen noch am meisten „beisammen“. Er verbrachte sogar die Zeit mit uns, machte Lunch und kümmerte sich um alles. Sadie lässt sich, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, als eine miese, versoffene Drogenabhängige beschreiben – einfach ein Loch, in das Männer ihr Ding rein steckten. Und sie dachte noch, diese Typen gäben wirklich was auf sie. Sie hatte drei Kinder von drei verschiedenen Kerlen, und um alle kümmerte sich Jim – Respekt, mein Freund! Sie war eine zweitklassige Frau in drittklassigen Klamotten – unausstehlich, laut und ignorant. Sadie scherte sich um nichts, und machte keinen Hehl daraus. Ich werde nie verstehen, wie Jim es mit so einer schäbigen Schlampe aushalten konnte. Aber er lebte ja nicht allzu lang mit ihr zusammen.
In dieser Nacht, nach dem Barbecue, hatte sich Sadie abgesetzt, um auf eine andere Party zu gehen – ohne jemanden Bescheid zu sagen. Sie verließ die Kids ohne nachzudenken, um noch mehr Alkohol zu kippen und sich anderen Scheiß zu besorgen. Ich glaube, meine Mutter begleitete sie, denn ich kann mich nicht erinnern, wo Mum in dieser Nacht schlief. Ich beobachtete Jim, der stündlich wütender und wütender wurde, denn Sadie ließ auf sich warten. Er brachte ihre Kinder ins Bett. Immer noch kein Zeichen von ihr. Er setzte sich mit mir und meiner Schwester vor den Fernseher. Nichts. Kurz danach schliefen wir auf der Couch ein. Jim schlummerte in seinem Lehnstuhl. Noch immer war sie nicht aufgeschlagen.
Ich wachte auf, als jemand an die Haustür hämmerte und laut schrie. Gerade als ich neugierig meinen Kopf hob, wurde klar, dass es kein Hämmern, sondern lautes Treten war. Da trat jemand mit voller Kraft gegen die Tür, weil der Sicherheitsriegel das Schloss blockierte.
Alles lief in Zeitlupe ab: Jim sprang aus dem Sessel, die Tür sprang mit einem lauten Bersten auf und Sadie stand da, ein Fuß noch auf dem Treppenabsatz.
Dann schlug ihr Jim voll ins Gesicht.
Sadie flog rückwärts in den Vorgarten, viel zu besoffen um sich zu verteidigen. Sie schrie um Hilfe und verdammte Jim mit jedem nur erdenklichen Fluch. Er hatte die ganzen Stunden der Stille ertragen, in denen sie eine Party feierte, um ihre Leere zu überspielen, und ihn ohne schlechtes Gewissen mit einem Haus voller Kinder zurückließ – die noch nicht mal seine eigenen waren. Er konnte nur noch seine Füße spüren, mit denen er ihr in den Rücken trat. Dann fiel er über Sadie her und würgte sie. In der Ferne hörte ich eine unbekannte Stimme, die die beiden „heißblütigen Liebenden“ warnte, dass gleich die Cops kämen. Aber Jim war das egal – er empfand sich als Mensch, der verarscht und ausgenutzt wurde, in Bezug auf seine Wünsche und Bedürfnisse degradiert auf einen flüchtigen Gedanken seiner „Freundin“. Wie ein außer Kontrolle geratener Dampfkessel stand er vor dem Platzen, würde nicht schnell jemand das Sicherheitsventil aufdrehen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als die Wut abzulassen, die sich aufgestaut und angesammelt hatte. Er wirkte wie eine Bombe mit zwei Fäusten, wie ein Vesuv auf zwei Beinen. Er wollte zerstören.
Ich beobachtete das alles, auch das unvermeidbare Nachspiel. Sadie versuchte zu flüchten und Jim verfolgte sie, ohne dabei an die Kinder zu denken. Ich setzte mich hin und wartete mit den jüngeren Kids. Die Cops tauchten auf, Hände auf die Pistolen gelegt. Meine Schwester fing an zu weinen und steckte damit die anderen an. Ich erklärte den Polizisten, dass die beiden weggerannt waren. Einige Cops liefen in die ungefähre Richtung. Irgendwann später führten sie Jim in Handschellen ab, während Sadie in einem Polizeiauto saß und wie wild schrie. Ein Beamter fragte mich nach der Telefonnummer.
Ein entfernter Freund meiner Mutter kam, um uns abzuholen und nach Hause zu bringen. Die Sonne ging auf. Mehrere Tage lang sagte meine Schwester nichts mehr. Wir sahen diese Leute nie wieder.
Die Wut an sich ist keine Sünde, kann aber ein Auslöser sein, Sünden zu begehen. Wenn wir Gefühle aufstauen und uns nicht eingestehen, dass wir den Ärger zulassen müssen, wird das zu einem richtigen Problem. Es kann ziemlich viel Mist passieren, wenn sich die Leute selbst täuschen und einreden, alles wäre in Ordnung. Ich bin mir sicher, dass Jim ein echt anständiger Kerl war, und Sadie sich um ihre Kinder Gedanken machte. Dieses Urteil basiert natürlich