Pink Floyd. Mark Blake
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„Roger war eine Klasse über mir an der County“, erinnert sich Seamus O’Connell. „Ich war mit einem Jungen namens Andrew Rawlinson befreundet, der auf den Spitznamen Willa hörte. Er war auch richtig dicke mit Roger. In der Schule war meine Beziehung zu Roger ein wenig getrübt, da er mitunter kein sehr angenehmer Zeitgenosse war. Aber dennoch waren wir Freunde.“
Etwas später wurde Roger der Cadet Force überdrüssig und gab seine Uniform im Zorn zurück. Er weigerte sich, an weiteren Trainingseinheiten teilzunehmen, weshalb er unehrenhaft entlassen wurde. Sein ehemaliger Mitschüler Tim Renwick, der Pink Floyd an der Gitarre unterstützen sollte, erinnert sich an den Skandal: „Ich war ein paar Jahre jünger als Roger, aber jeder in der Schule hatte von dem Vorfall gehört. Er sorgte für einen ziemlichen Aufruhr. Allerdings bin ich mir sicher, dass Roger seinen Ausstieg mit Gewissensgründen erklärte.“ Waters’ Kindheitserfahrungen sollten schlussendlich ihren Niederschlag in der Musik von Pink Floyd finden, wobei er auch den oberflächlichsten Zuhörer wissen ließ, wie er über den Alltag an der County dachte. „Roger arrangierte sich mit der Schule“, sagt Mary Waters. „Seine Einstellung war: ‚Du musst dich damit abfinden und das Beste daraus machen.‘“
„Ich hasste jede einzelne Sekunde, abgesehen von den Spielen eben“, meint hingegen Roger. „Die Schulleitung war sehr repressiv und orientierte sich an den Standards der Vorkriegszeit. Man tat verdammt noch mal das, was einem aufgetragen wurde. Natürlich blieb uns nichts anderes übrig, als dagegen zu rebellieren. Es ist schon komisch, dass sich diese Typen in der Schule immer das schwächste Kind aussuchen, um auf ihm herumzuhacken. Dieselben Kinder, die schon von ihren Mitschülern gequält werden, werden auch von ihren Lehrern malträtiert. Als hätte jemand Blut geleckt. Die meisten Lehrer waren absolute Schweine.“
„Ich ging stets davon aus, dass The Wall von den Schulmeistern an der County handelte“, sagt Nick Barraclough. „Der Direktor war ein Mann namens Eagling, der bis heute der angsteinflößendste Mann ist, den ich jemals kennengelernt habe. Die beiden Rogers – Waters und Barrett – dürften das ebenso erlebt haben.“
Obwohl das Schulsystem immer noch in der Zwischenkriegszeit festzustecken schien und sich kaum an den Bedürfnissen von Jugendlichen orientierte, denen der Friede und relative Wohlstand, der ihren Eltern verwehrt geblieben war, zuteilwurde, waren die Fünfzigerjahre wie keine Ära zuvor voller neuer Möglichkeiten für Teenager. Waters brachte später seine Verachtung gegenüber dem Schulsystem auf den Punkt, indem er eine Episode aus seiner Schulzeit beschrieb. Nachdem er beschlossen hatte, sich für eine tatsächliche oder auch nur eingebildete Kränkung am Gärtner der Schule zu rächen, kletterten er und seine Mitverschwörer mittels einer Stufenleiter in den Obstgarten und wandten sich dem Lieblingsbaum des Gärtners zu. Daraufhin aßen sie jeden einzelnen Apfel – ohne sie von den Ästen zu pflücken. Als er diese Anekdote 30 Jahre später gegenüber der Zeitschrift Musician zum Besten gab, erklärte Waters, wie stolz er auf seinen ausgeklügelten Streich gewesen war.
Syd Barretts Weg durch die County, an die er drei Jahre nach Waters wechselte, war gekennzeichnet von seiner großen Leidenschaft für Kunst und sein Interesse an Poesie und Schauspiel. Auch er lehnte sich gegen Autoritäten auf, war aber in der Lage, sich mithilfe seines Charmes, seiner Intelligenz und seines guten Aussehens aus Schwierigkeiten herauszumanövrieren. Wie sich Gilmour erinnert, war er „ein heller Kopf und auf vielen Gebieten sehr bewandert“. Jedoch verfolgte er einen konventionelleren Weg und stieg innerhalb seiner lokalen Pfadfindertruppe bis zum Anführer auf.
Im Juni 1961 begann der 15-jährige Syd eine Beziehung mit Elizabeth Gausden, die von allen Libby gerufen wurde. Sie war Schülerin an der nahegelegenen Cambridge Grammar School for Girls. „Syd hatte bereits eine Freundin – eine sehr hübsches, liebes Mädchen namens Verena Frances“, erinnert sich Libby. „Aber bei uns stimmte die Chemie einfach. Er hat immer gesagt: ‚Du bist zwar nicht das hübscheste, aber dafür das lustigste Mädchen aller Zeiten.‘ Er war ein wunderbarer Junge. Jeder liebte ihn.“
John Gordon traf zum ersten Mal im Kunstunterricht der County auf Syd. „Er brillierte vom ersten Tag an“, erinnert er sich. „Seine Haare waren länger als die der anderen Schüler. Er teilte den Lehrern offen mit, was er sich dachte, und verließ sogar das Klassenzimmer, wenn er zurechtgewiesen wurde.“ Syd weigerte sich regelmäßig, den Blazer seiner Schuluniform zu tragen. Außerdem war es bemerkenswert, dass er seine Schuhe ohne Schnürsenkel trug – eine Angewohnheit, die er auch als Erwachsener beibehalten sollte. Ermutigt von seinen Eltern, kultivierte Syd seine kreative Ader, die sich erstmals an der Grundschule bemerkbar machte, indem er öffentlich Gedichte vorlas und vor Publikum sprach. Doch es sollte ein Schatten auf seine Jugendjahre fallen. Am 11. Dezember 1961 verstarb Dr. Barrett. „Sein Vater war schon lange krank gewesen“, sagt Libby Gausden. „Er litt an Krebs und hatte starke Schmerzen. Ich glaube, dass es fast eine Erlösung für die Kinder war, da er vor seinem Tod so schwer hatte leiden müssen. Syd schrieb wunderbare Tagebucheinträge. Jeder war fast einen halben Meter lang – doch am Todestag seines Vaters schrieb er bloß: ‚Mein armer Dad ist heute gestorben.‘“
Viele Leute stellten bezüglich der Auswirkungen, die der Verlust des Vaters auf Syd hatte, Mutmaßungen an. David Gilmour, der während dieser Jahre viel Zeit mit seinem Freund verbracht hatte, sagt dazu: „Syd sprach nie darüber. Die Leute meinen, dass der Tod seines Vaters ihn verändert hätte, doch damals konnte man nicht wirklich irgendwelche Veränderungen feststellen.“
„Ich kannte weder Syds Vater noch seine Brüder und wusste nicht, welche Aufgaben die Männer in seiner Familie erfüllten“, erinnert sich John Gordon. „Syd wirkte stets weltlicher als ich. Er genoss mehr Freiheiten und war erfahrener. Als sein Vater starb, übernahm er bereitwillig viel mehr Verantwortung als zuvor.“
Nachdem seine älteren Geschwister ausgezogen waren, bewohnte Syd einen großen Raum an der Vorderseite des Hauses, während seine Mutter die anderen Schlafzimmer an Untermieter – in der Regel Studenten – vermietete. Unter ihnen waren auch ein Vertreter des niederen britischen Adels sowie ein zukünftiger japanischer Ministerpräsident.
Falls Waters und bis zu einem gewissen Grad auch Barrett eine obrigkeitskritische Neigung gehabt hätten, wäre ihnen nun auch noch ein amtliches Motiv geliefert worden. Mit dem Erscheinen der Hit-Single „Rock Around the Clock“ von Bill Haley and the Comets im Jahr 1955 verkündeten die Medien die offizielle Erfindung des Teenagers sowie ihres Soundtracks – Rock’n’Roll. Zwei Jahre später verlieh Elvis Presley dieser neuen Musik mit seinem ikonischen Antlitz ein Gesicht und wurde das Vorbild einer ganzen Generation. Syds Bruder Alan spielte Saxofon in einer Skiffle-Gruppe und Syd selbst versuchte sich an einer Ukulele, bevor er seine Mutter davon überzeugen konnte, ihm eine Akustikgitarre der Marke Hofner zu spendieren.
„Nach der Schule trafen Syd und ich uns auf dem Flur, um dann zu ihm zu gehen, schließlich wohnte er praktisch gegenüber von der Schule“, erinnert sich John Gordon. „Mein Vater war Musiker, aber zumindest ein Teil von mir wollte nicht so sein wie er, weshalb ich mich gegen das Klavier sperrte und stattdessen mit Syd lernte, Gitarre zu spielen. Er hatte auch ein paar amerikanische Import-Platten. Außerdem hatte ich einen Onkel, der ein paar 78er- und 45er-Scheiben von Bill Haley und Eddie Cochran beisteuerte. Ich nahm sie mit zu Syd und dann versuchten wir gemeinsam, anhand dieser Schallplatten Gitarre spielen zu lernen. Syd mochte alles. Heute redet jeder darüber, dass er so auf Bo Diddley abgefahren sei, aber in Wirklichkeit war er viel umfassender orientiert.“
Der 14-jährige Waters befand sich im idealen Alter für Rock’n’Roll, stand der Sache anfangs jedoch