Pink Floyd. Mark Blake
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John Watkins fiel außerdem eine unkonventionelle Dynamik im Haus der Barretts auf: „Syd war nach dem Tod seines Vaters der Mann im Haus geworden. Er liebte seine Mum, verhielt sich ihr gegenüber aber recht komisch und sehr unwirsch. Ich glaube, er wollte sie aus der Reserve locken und herausfinden, wie weit er gehen konnte. Sein Schlafzimmer war sein Hoheitsgebiet und wenn ihm seine Mutter eine Tasse Tee brachte, schrie er sie an: ‚Raus aus meinem Zimmer, Frau!‘“
„Syds Mutter Win war eine herzliche, wunderbare Frau“, erinnert sich Libby Gausden. „Sie sah immer nur das Gute in den Menschen, weshalb Syd bei ihr mit allem durchkam. Sie war älter als die Mütter von uns anderen. Sie hatte Syds Brüder Don und Alan bekommen, als sie noch sehr jung gewesen war. Don war bei der Royal Air Force und Alan war Akademiker – und beide waren sie kahl mit 30! Ganz anders als Syd. Er unterschied sich von allen seinen Familienmitgliedern. Er war schon immer so, auch als sein Vater noch lebte. Syds Dad hielt sich ja stets nur in seinem Studienzimmer auf, weshalb Syd tun und lassen konnte, was er wollte.“
Abseits der mittäglichen Musik-Sessions war Syds Zugang zu seinem künstlerischen Schaffen zwar mitunter recht unbeständig, doch er führte oft auch zu Ergebnissen. Manche frustrierte es etwa, dass Syd oft lieber in seinem Garten als an der Kunstschule malte. Und stand ein Abgabetermin ins Haus, wartete er bis zum letztmöglichen Zeitpunkt, um mit einem Meisterwerk unterm Arm aufzutauchen.
„In der einen Minute waren seine Bilder figurativ, und in der nächsten dann eher abstrakt“, erinnert sich John Gordon. „Er experimentierte ständig und versuchte neue Stile aus. Irgendwo habe ich noch ein Schwarz-Weiß-Foto, das ich in seinem Garten geschossen habe. Darauf hält Syd eine Leinwand, die fast so groß wie er war. Es war ein abstraktes Gemälde in dunklen Ockerfarben. Auf die Leinwand hatte er ein Stück Stoff – vielleicht ein Shirt – geklatscht und das Ganze dann mit Farbe übermalt.“ Syds Verhalten wurde zu diesem Zeitpunkt bloß als leicht exzentrisch eingestuft, sein Drogenkonsum war alles andere als öffentlich bekannt. „Syd liebte sein Cannabis“, sagt Libby Gausden. „Das war zu einer Zeit, als man immer noch damit durchkam, etwa auf dem Oberdeck eines Busses zu rauchen, was er ja auch tat. Ich kiffte nie. Das tat damals keines der Mädchen in Cambridge, obwohl sich das vermutlich änderte, als ein paar von ihnen nach London gingen.“
„Ich sah Syd nie kiffen, aber wir wussten, dass er es tat“, sagt John Gordon. „Ich zog von zuhause aus, als ich zur Kunstschule ging, und obwohl ich selbst nie wirklich auf das Zeug abfuhr, wurde meine Wohnung in der Clarendon Street zu einer Art Treffpunkt, wo die Leute abhingen, um zu rauchen. Es war eine dieser Buden, in der man mitten in der Nacht aufwachte und Leute vorfand, die im Ofen Bananenschalen buken und anschließend versuchten, sie zu rauchen. Da gab es ein Grüppchen, das regelmäßig aufkreuzte. Zwei dieser Typen – Pip und Emo – sollten später für Pink Floyd arbeiten. Sie konnten zu jeder Tages- oder Nachtzeit bei mir auftauchen.“
Ian Carter, vulgo Pip, war in den Worten eines seiner Bekannten „ein wilder Junge aus dem Moor“. Er hatte einen markanten ostenglischen Akzent, weshalb er manchmal für Leute, die nicht zu seinem unmittelbaren Freundeskreis zählten, völlig unverständlich war. Wie auch andere in Pink Floyds Umfeld, schloss Carter sich ihrer Road-Crew an und arbeitete als ihr Beleuchtungstechniker. (Nick Mason sollte ihn später als „einen der absolut unfähigsten Roadies der Welt“ bezeichnen.)
Iain „Emo“ Moore wird von einem seiner Bekannten von damals als „grimassierender, gestikulierender Kauz, der kaum noch Zähne im Mund hatte“, beschrieben. Wie sein Freund Pip wurde auch er ein enger Vertrauter sowohl von Syd Barrett als auch von David Gilmour. Emo arbeitete und wohnte in den Siebzigern und frühen Achtzigern als Haushälter bei David und seiner ersten Frau Ginger. Der gelegentliche Schauspieler trat später in zahlreichen Pop-Videos auf und brachte es auch zu einem ultra-kurzen Gastauftritt im Pink-Floyd-Film The Wall, wo er den Trauzeugen jenes Charakters spielte, der von Bob Geldof dargestellt wurde.
Nun, da er nicht länger zu Gilmours innerem Kreis zählt, lebt er ein beschaulicheres Leben an der englischen Südküste. „Pip und Emo kümmerten sich um Syd und später dann um David“, erklärt einer ihrer Bekannten. „Sie gaben gut acht auf die beiden, aber kosteten auch die Vorzüge dieser Freundschaft aus. Vor allem in Bezug auf David Gilmour.“ In Pips Fall hieß das, dass der Floyd-Gitarrist für mehrere Drogenentzüge aufkam. Emo hingegen kam in den Genuss einer ausführlichen Behandlung bei Gilmours Zahnarzt. „Pip und Emo waren stadtbekannt“, lacht John Gordon. „Damals waren sie Mods, die ständig mit ihren Motorrollern durch die Gegend flitzten und vor Miller’s, einem Musikladen, abhingen. Wer den Film Quadrophenia gesehen hat: Sie waren beide wie der Typ, den Phil Daniels darstellte. Dave und Syd waren mehr wie Stings Rolle – der coole Typ eben.“
„Ich traf Syd, als er 16 war. Dave war 17, als ich ihn kennenlernte“, sagt Emo, der damals in einem Kohlelager arbeitete. „Ich ging gerne zu Syd rüber, um den ganzen Tag zu kiffen. Dave kannte alle diese Leute aus der Schule, allerdings keine Arbeiterklasse-Typen wie etwa mich. Ich besuchte eine schreckliche Schule und lernte dort genau gar nichts. Wir verstanden uns aber gut, weil ich gerne ein bisschen so wie Dave gewesen wäre. Und ich glaube auch, dass ein Teil von Dave ein bisschen so wie ich sein wollte. Seine Eltern trieben ihn ständig an und er wollte sich davon befreien. Ich hingegen wäre gerne angespornt worden und hätte gerne die Dinge gehabt, die ihm zuteilwurden.“
Ein anderer von Emos betuchten Bekannten hieß Nigel Lesmoir-Gordon, der die Privatschule Oundle besucht hatte, ein paar Jahre älter als Emo war und gemeinsam mit seiner geschiedenen Mutter in Cambridge wohnte. An der Schule hatte Lesmoir-Gordon Konzerte veranstaltet, zum Beispiel auch einen gut besuchten Auftritt des Jazz-Trompeters Humphrey Littleton. In Cambridge organisierte er eine Reihe von Dichterlesungen über dem lokalen Pub Horse and Groom. In den Worten eines Ortsansässigen war er „schrecklich hip“ und sah aus „wie Alain Delon“. Nigel war fasziniert von Syd Barrett. „Ich schaute bei einer dieser sonntäglichen Nachmittags-Sessions in Syds Haus vorbei“, erinnert er sich. „Syd war jünger als wir. Aber wir interessierten uns alle sehr für ihn, was an seinem außergewöhnlichen Äußeren und seinem eigenartigen Charisma lag.“
Zu Lesmoir-Gordon zählte auch eine Gang bestehend aus richtig hippen Jungs, die sich in erster Linie aus Schülern der County und der Perse zusammensetzte. Dazu gehörten unter anderem Andrew Rawlinson, Paul Charrier, David Gale, Seamus O’Connell, Dave Henderson, John Davies, John „Ponji“ Robinson, Anthony Stern, der spätere Pink-Floyd-Coverdesigner Storm Thorgerson sowie der Schriftsteller Nick Sedgwick, dessen Roman von 1989, Light Blue with Bulges, einen Einblick in die Erfahrungen bietet, welche der Autor und seine Freunde zu jener Zeit in Cambridge machten. „Syd hielt Dave Gale immer für einen richtigen Kumpel und er verehrte Nigel Gordon“, erinnert sich Libby Gausden. „Ich glaube, diese Typen hielten uns für einen Haufen ‚Teenybopper‘, weil wir ein bisschen jünger als sie waren. Aber sie waren alle sehr von Syd angetan.“
Die Gruppe hing