Jimi Hendrix. Charles R Cross
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Im September 1957 kam Jimi in die neunte Klasse. Der Höhepunkt des Jahres und vielleicht sogar der seines bisherigen Lebens war die Begegnung mit Carmen Goudy, die seine erste Freundin werden sollte. Mit dreizehn Jahren war sie jünger als er, lebte aber in ähnlicher Armut. „Wenn wir zusammen genug Geld für ein Eis am Stiel hatten, dann war das eine Riesensache“, erinnert sich Carmen. „Wir haben es uns geteilt.“ Wenn die beiden, was selten genug vorkam, einmal genug Geld für den Besuch einer Matinee hatten, dann nur, weil Carmen ihren Beitrag zur Sonntagsschulkollekte unterschlagen hatte. Die meiste Zeit, die sie gemeinsam verbrachten, gingen sie spazieren oder hingen in Parks herum.
Auch Carmen lebte in einer Pension, doch selbst ihr erschien Jimi ärmer als arm. „Er hat diese billigen weißen Halbschuhe getragen“, sagt sie. „Er hatte ein Loch in der Sohle, also hat er ein Stück Pappe ausgeschnitten und in den Schuh gelegt. Er ist aber so viel rumgelaufen, dass die Pappe bald durch war. Also kam er auf die Idee, nicht einfach nur ein Stück Pappe in den Schuh zu legen, sondern immer gleich einen kleinen Vorrat an Pappstücken mit sich in der Tasche rumzutragen. Wenn er dann rumlief und die Pappe durch war, hat er ein neues Stück reingelegt.“ Jimi hatte in der Schule selten etwas zu essen dabei, weshalb sich Carmen regelmäßig ihr Schulbrot mit ihm teilte.
Das Einzige, was beide im Überfluss besaßen, waren Sehnsüchte, denn sie beide waren Träumer. Carmen stellte sich vor, eine berühmte Tänzerin zu werden. Jimis dringendster Wunsch war der nach einer echten Gitarre. Wenn er die erst einmal hätte, verkündete er, würde er ein berühmter Musiker werden. Obwohl sich ihre Schulfreunde über diese Art von pubertären Angebereien lustig machten, bildeten sie doch den Kitt ihrer jugendlichen Romanze. „Wir haben das ‚so tun, als ob‘ genannt“, sagte Carmen. „Wir haben uns gegen-seitig Mut gemacht, ohne dem anderen das Gefühl zu geben, das, wovon er träumte, sei vielleicht unmöglich.“
Carmen besaß jedoch noch einen weiteren Vorzug, der auf Jimi sehr anziehend wirkte. Ihre Schwester war mit einem Mann zusammen, der Gitarre spielte. Jimi hing wie eine Klette an ihm, als könnte er allein durch Zuschauen dessen Fähigkeiten erwerben. Jimi hatte gelernt, seine Luftgitarre mit Geräuschen abzurunden, die er mit dem Mund erzeugte. „Er kriegte Töne hin, die fast an eine Gitarre herankamen“, sagte sie. „Das klang ein bisschen wie Scat-Singing im Jazz, er konnte tatsächlich ein Gitarrensolo singen, ohne Worte, nur mit Tönen, die er seiner Kehle entlockte.“ Was richtiges Singen anging, so behauptete Jimi seine Stimme sei nicht gut genug; egal, wie oft Carmen ihn drängte, er weigerte sich, für sie zu singen. Sein Stottern war beinahe verschwunden und kam nur noch zum Vorschein, wenn er nervös war, was in Carmens Gegenwart allerdings häufig der Fall war.
Andere Jungen in der Nachbarschaft in Jimis Alter bekamen in jenem Jahr ihre ersten Instrumente. Pernell Alexander war der Erste seiner Freunde, der eine Gitarre besaß, auch wenn es eine akustische mit einem Hals so breit wie ein Baseballschläger war und kaum ein qualitativ hochwertiges Instrument. Später in jenem Jahr legte sich Pernell eine elektrische Gitarre zu, und dieses Instrument war eine derartige Attraktion im Viertel, dass die Jungen manchmal bei ihm vorbeikamen, nur um die Gitarre anzustarren.
Als es Jimi endlich gelang, Saiten für seine akustische Gitarre aufzutreiben, war es eine wahre Erleichterung, das Instrument endlich spielen zu können – auch wenn der Hals verzogen war und sie sich ständig verstimmte. Er spielte trotzdem ununterbrochen darauf, zumindest bis Al ihn erwischte. Jimi war Linkshänder, aber sein Vater bestand darauf, dass er mit rechts schrieb. Al fand, dasselbe Prinzip sollte auch für die Gitarre gelten. „Dad hielt alles Linkshändige für Teufelswerk“, erinnert sich Leon. Jimi zog die Saiten seiner Gitarre so auf, dass er sie linkshändig spielen konnte. Das führte zu der beinahe schon komischen Angewohnheit, dass Jimi seine Gitarre, wenn Al nach Hause kam, schnell umdrehte, dabei aber immer weiter sein Stück spielte. „Er lernte sie mit links und rechts zu spielen, weil er die Gittare jedes Mal, wenn Dad ins Zimmer kam, umdrehen und verkehrt herum spielen musste, sonst hätte Dad ihn angeschrien“, sagte Leon.
„Dad gefiel es gar nicht, dass er die ganze Zeit Gitarre spielte und nicht arbeitete.“ Al meldete Jimi so oft wie möglich zum Rasenmähen an, eine Verpflichtung, vor der sich der jüngere Hendrix tunlichst drückte.
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In jenem Jahr zog Leon vorübergehend bei seinen Pflegeeltern aus, und die drei Hendrix’ wohnten wieder zusammen in einem einzigen Zimmer. Jimis Stimmung hellte sich durch das Zusammensein mit seinem Bruder wieder auf, und auch seine Schulnoten besserten sich. Im Herbst hatte er wieder Dreien in Englisch, Musik, Naturkunde und Werken. Im Sport fiel er erneut durch, und in Aufmerksamkeit und Betragen bekam eine Vier. Aber selbst diese bescheidenen Noten waren eine bemerkenswerte Leistung, wenn man bedenkt, dass er inzwischen mindestens einmal die Woche die Schule schwänzte. Wenn er sich selbst vom Unterricht befreit hatte, spazierte er meist wie Johnny Guitar mit der Gitarre auf dem Rücken durchs Viertel.
Obwohl Jimi und Leon ihre Mutter sei Monaten nicht mehr gesehen hatten, erfuhren sie von Delores, dass Lucille am 3. Januar 1958 wieder geheiratet hatte. Nach einer sehr kurzen Romanze hatte sie mit William Mitchell, einem dreißig Jahre älteren pensionierten Hafenarbeiter, Nägel mit Köpfen gemacht. Delores nimmt an, dass Lucille trotz ihrer erneuten Ehe Al gelegentlich traf, zum Beispiel in der Kneipe auf der Yesler Street, in der beide Stammgäste waren. „Dort begegneten sie einander zufällig, und die ganze Sache ging von vorn los“, erinnert sich Delores.
Alkoholbedingte gesundheitliche Probleme waren es dann auch, die den Anlass für den nächsten Besuch der Söhne bei ihrer Mutter gaben. Im Herbst 1957 war Lucille zweimal wegen einer Leberzirrhose ins Harborview Hospital eingeliefert worden. Mitte Januar 1958 lag sie, gerade frisch verheiratet, erneut mit Hepatitis im Krankenhaus. Delores nahm Jimi und Leon mit, als sie sie besuchte. Die Jungen waren schockiert angesichts ihrer aschfahlen Mutter im Rollstuhl und ihres körperlichen Verfalls. „Sie hat immer umwerfend und glänzend ausgesehen“, sagt Leon. „Sie hat Schmuck getragen und gut gerochen. Aber dieses Mal überhaupt nicht.“
Lucille umarmte und küsste ihre Söhne wiederholt, und nachdem Jimi und Leon den Raum verlassen hatten, sprach sie allein mit Delores. „Weißt du, Schwester“, sagte Lucille, „ich werde nicht mehr lange leben. Alles, was ich habe, sind diese Kinder, und ich liebe sie. Ich möchte mich um sie kümmern und eine gute Mutter sein, aber das kann ich nicht. Ich schaffe das nicht.“ Egal, wie schlecht es ihr in der Vergangenheit ergangen war, hatte Lucille sich doch stets ein sonniges Gemüt bewahrt. Delores war erschrocken, ihre jüngere Schwester so niedergeschlagen zu erleben. „Das wird schon wieder“, sagte Delores. „Du musst nur gut auf dich aufpassen.“ Lucilles Zustand besserte sich, und in der Woche darauf verließ sie das Krankenhaus in der Hoffnung, sich auf dem Weg der Genesung zu befinden.
Jahre später schrieb Jimi seinen beinahe autobiografischen Song „Castles Made Of Sand“ und sprach darin von einer Frau im Rollstuhl, deren Herz sich sorgenvoll verkrampft habe. „Der Song handelt von unserer Mutter“, sagt Leon. Der Song beginnt mit einem Ehekrach, und die Frau knallt ihrem betrunkenen Mann die Tür vor der Nase zu. Eine weitere Strophe erzählt die Geschichte eines Jungen, der im Wald spielt und so tut, als sei er ein Indianerhäuptling. Die verkrüppelte Frau beschließt, sich selbst das Leben zu nehmen, indem sie ins Meer geht. „You won’t hurt me