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Beinahe jeden Tag hörte Jimi nach der Schule Radio und tat so, als würde er auf dem Besen mitspielen. Al, welcher der Meinung war, ein Besen sei ausschließlich zum Fegen da, erhob Einwände. „Jimi tobte herum und spielte Besen“, erinnert sich Leon. „Wenn Dad reinkam, fegte Jimi schnell wieder. Dann entdeckte Dad aber Stroh vom Besen auf dem Bett und flippte aus.“
Die Jungs arbeiteten den Sommer über auf den Feldern südlich von Seattle, pflückten Bohnen oder Erdbeeren. Für diese Jobs mussten sie sehr früh aufstehen, um den Bus zum Bauernhof zu erwischen. Al weckte sie morgens um vier Uhr und ging mit ihnen zur Wonder-Bread-Bäckerei, wo Jimi einen Arbeiter kannte, der ihnen Donuts vom Vortag aufhob. Sie liefen ins Industriegebiet von Seattle und fuhren mit dem Bus zu einer Farm dreißig Kilometer außerhalb der Stadt. Die Pflücker wurden je nach Menge bezahlt, weshalb sie entweder so viel pflückten, bis sie genug für ein Mittagessen hatten, oder so viele Erdbeeren aßen, wie sie konnten. Manchmal schwammen sie im Green River, und einmal rettete Jimi Leon vor dem Ertrinken. „Ich bin in den Kanal gefallen, und Jimi ist losgeschwommen und hat mich gerettet“, erzählt Leon. Auf dem Heimweg von den Feldern gaben die Jungs oft ihr eben erst verdientes Geld wieder für Pferdefleisch-Burger aus, zehn Cent pro Stück. „Wir haben zwei gekauft, und das war der Höhepunkt des Tages“, sagt Leon. „Dann sind wir nach Hause und haben auf Dad gewartet, weil, na ja, manchmal ist er nicht nach Hause gekommen.“
Nach einem Jahr hatten Grace und Frank Hatcher Als Marotten satt. Bei ihrem Einzug hatte sich Al bereit erklärt, in jeder zweiten Woche zu kochen, und die Hatchers hatten den Eindruck, er würde seinen Teil der Verabredung nicht erfüllen. „Er hat immer nur Reis, Bohnen und Wiener gekocht“, sagt Frank Hatcher. „Er hat immer nur das billigste Fleisch gekauft: Hälse und Pferdefleisch.“ Die Hatchers waren es leid und zogen aus, womit die Jungen mal wieder allein ihrem Vater überlassen blieben. Al wollte keinem seiner beiden Söhne einen Wohnungsschlüssel geben, weshalb Jimi oder einer seiner Freunde immer herausfinden mussten, in welcher Kneipe Al gerade saß, damit sie den Schlüssel dort holen konnten. „Es gab ungefähr fünf Kneipen, in die er regelmäßig ging“, erinnerte sich Pernell Alexander. „Man musste nur rauskriegen, in welcher er gerade steckte.“ Am liebsten ging Al in die Shady Spot Tavern auf der Dreiundzwanzigsten oder die Mister Baker Tavern an der Ecke Fünfundzwanzigste und Jackson. Bei Mister Baker konnte Jimi durchs Fenster sehen, ob sein Vater dort war, ohne reingehen zu müssen. Oft gaben Jimi und Leon die Suche aber auf und übernachteten bei Freunden.
* * *
In der Zwischenzeit setzte sich das Katz-und-Maus-Spiel mit dem Sozialamt fort. Wegen fortgesetzter Beschwerden durch Nachbarn stattete ihnen ab 1954 ein Sozialarbeiter jede Woche einen Besuch ab. Ein Eingreifen des Jugendamts konnte vorübergehend abgewendet werden, weil Delores Hall und Dorothy Harding regelmäßig vorbeischauten, putzten und die Wäsche der Kinder wuschen. Delores erinnert sich, wie sie eines Abends dort eintraf und feststellte, dass Al verschwunden war und die beiden Jungen gerade versuchten, sich ein Abendessen zu kochen. „Jimi briet Eier, und als er mich sah, setzte er ein breites Grinsen auf und sagte: ‚Ich mach was zu essen!‘“ Viele der Haushaltspflichten blieben an Jimi hängen, der noch keine zwölf Jahre alt war, sich aber bereits um seinen Bruder kümmern musste. „Jimi war Leons Beschützer“, erinnert sich Pernell Alexander. „Er tat, was er konnte, damit es Leon an nichts fehlte.“
Schließlich stellte aber ein Sozialarbeiter Al Hendrix zur Rede, und keine noch so schnelle Aufräumaktion der Tanten konnte die Verwahrlosung, in der Leon und Jimi lebten, länger kaschieren. Al wurde vor die Entscheidung gestellt: Entweder seine Söhne würden in Pflegeheime gesteckt oder zur Adoption freigegeben. Obwohl sie in entsetzlichen Zuständen lebten, kannten sie es nun mal nicht besser und flehten Al an, sie nicht zu trennen. Al traf jedoch eine Entscheidung, die ihr Leben rasch ändern sollte: Er argumentierte, Jimi solle, da er fast schon ein Teenager war und weniger Fürsorge bräuchte, bei Al bleiben. Leon, Als Liebling, sollte unter staatliche Obhut gestellt werden. Der Sozialarbeiter stimmte dem Vorschlag zu, erklärte Al aber, Leon müsse sofort mitkommen. „Nehmen Sie ihn nicht jetzt schon mit“, bettelte Al. „Ich bring ihn morgen ins Heim.“ Es war eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen die Jungen ihren Vater weinen sahen. Der Sozialarbeiter gab nach, und Leon erhielt eine Nacht als Gnadenfrist.
In jener Nacht, von der alle glaubten, es sollte ihre letzte zu dritt werden, zeigte sich Al ungewöhnlich zärtlich. Den einzigen körperlichen Kontakt, den die Jungen von ihm kannten, war ein Schulterklopfen oder ein Händeschütteln. Am liebsten mochten sie es jedoch, wenn Al sanft seine Fingerknöchel über ihre Schädel rieb. Durch die jahrelange Knochenarbeit waren Als Finger hart und rau, und er mag das Gefühl gehabt haben, seine Fingerknöchel fühlten sich freundlicher an als ein Streicheln mit seinen zerfurchten Handballen. Es war eine merkwürdige Art, Zuneigung zu zeigen, aber sowohl Jimi als auch Leon wussten diese Augenblicke der Zärtlichkeit zu schätzen. Nachdem der Sozialarbeiter gegangen war, verbrachte Al den Großteil des Abends damit, ihnen mit den Fingerknöcheln über die Schädel zu streichen, als ob dies den Schmerz, den seine Söhne durchgemacht hatten und der noch vor ihnen lag, hätte lindern können.
Sowohl Leon wie auch Jimi waren niedergeschlagen, als Al Leon am nächsten Tag wegbrachte, doch die Veränderung entpuppte sich als unerwartet undramatisch.
Leon wurde nur sechs Straßenecken entfernt bei Pflegeeltern untergebracht, und er und Jimi blieben tagsüber unzertrennlich. „Entweder bin ich nach Hause zu Dad und hab da mit Jimi gespielt“, erinnert sich Leon, „oder Jimi ist zu mir gekommen. Eigentlich waren wir nie getrennt.“ Arthur Wheeler, Leons Pflegevater, bestätigt diese Geschichte. „Jimi war ständig bei uns“, sagt Wheeler. „Er hat mehr oder weniger regelmäßig bei uns gegessen.“
Obwohl Arthur und Urville Wheeler sechs eigene hatten, nahmen sie bereitwillig bedürftige Kinder auf und versorgten manchmal bis zu zehn Kinder gleichzeitig. Sie waren strenggläubige Kirchgänger und lebten nach der Lehre der Bibel, indem sie alle ihre Kinder, auch die Pflegekinder, gleich behandelten. Auch Jimi wurde inoffiziell zu einem ihrer Pflegekinder. „Jimi war öfter bei uns als bei seinem Dad“, erinnert sich Doug Wheeler, einer der Söhne der Wheelers. „Jimi blieb oft über Nacht, damit er am nächsten Tag vor der Schule bei uns frühstücken konnte. Er hätte sonst vielleicht nichts zu essen gekriegt.“ Jimi und Leon konnten es kaum fassen, dass es in der Küche der Wheelers immer etwas zu essen gab und dass eine Obstschale auf der Küchenanrichte stand. Jimi jammerte ständig: „Ich wünschte, ich dürfte dort wohnen.“ Im Prinzip tat er es bereits.
Trotz seines turbulenten Lebens fehlte Jimi überraschend selten in der Schule. Er war kein glänzender Schüler, aber seine Noten waren passabel, und in Kunst erwies er sich als viel versprechend begabt. Er fertigte in seinem Heft unzählige Zeichnungen von Dingen an, die alle Jungs in der Regel zeichnen: fliegende Untertassen und Rennwagen. Autos interessierten ihn so sehr, dass er verschiedene Entwürfe zeichnete und an die Ford Motor Company sendete. Im Herbst versuchte es Jimi auf Als Drängen hin mit dem Football. Sein Trainer war Booth Gardner, der Jahrzehnte später Gouverneur von Washington wurde. „Er war kein Athlet“, erinnert sich Gardner. „Er war nicht gut genug für eine Sportlerkarriere. Ehrlich gesagt war er nicht mal gut genug, um einfach so zu spielen.“ Jimi war außerdem kurzzeitig Mitglied der Pfadfinder, der Boy Scout Troop Sixteen.
1955, als Jimi zwölf Jahre alt war, wuchs sein Interesse für Musik noch einmal schlagartig, als er bei einem Talentwettbewerb an der Leschi-Schule Jimmy Williams „Wanted“ von Perry Como singen hörte. „Ich hab sehr viel Applaus bekommen“, erinnert sich Williams. „Nach der Vorstellung kam Jimi zu mir und sagte: ‚Wow, du wirst mal berühmt. Bist du dann immer noch mein Freund, wenn du berühmt bist?‘“ Jimi hatte – vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben – beobachtet, wie sich Menschen auf der Bühne verändern und wie die Bühne einen so schüchternen Jungen wie Jimmy Williams in einen Entertainer verwandelt hatte. Es war eine Lektion,