Jimi Hendrix. Charles R Cross
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Sofern er sich überhaupt daran erinnern konnte, hat Jimi Hendrix nie darüber gesprochen, wie es war, seinem Vater zum ersten Mal zu begegnen. Jimi war bis zu diesem Zeitpunkt ausschließlich von Frauen erzogen worden und hatte keine Vaterfigur gekannt. Er hatte sich an Mistress Champ gewöhnt und Celestine vergöttert. Als Al ihm im Zug nach Hause Schläge androhte, rief Jimi unter Tränen nach Celestine, doch seine Beschützerin konnte nichts mehr für ihn tun. Al verpasste seinem Sohn auf dieser Bahnfahrt die erste väterliche Tracht Prügel. „Ich glaube, er hatte Heimweh und hat sich deshalb schlecht benommen“, schrieb Al später.
In Seattle zogen Al und Jimi bei Delores in das Yesler Terrace Housing Project ein. Es handelte sich um das erste ethnisch gemischte Wohnungsbauprojekt der Vereinigten Staaten, und trotz der Armut der Bewohner entstand dort eine eingeschworene Gemeinschaft, in der sich die verschiedensten Kulturen auf gleicher Ebene begegneten. „Das war damals ein guter Ort“, erinnert sich Delores, „Schwarze gab es nicht so viele, aber alle kamen miteinander aus.“ Außer Buster gab es noch viele andere Kinder, und es war der Beginn einer multikulturell geprägten Kindheit.
Die Ereignisse nahmen für alle eine überraschende Wendung, als Lucille nur kurze Zeit nach Al und Buster ebenfalls dort wieder auftauchte. Ihre ersten Worte gegenüber Al lauteten: „Da bin ich.“ Zum ersten Mal befanden sich die drei Hendrix’ im selben Raum. Die Wiedervereinigung war für alle drei von gemischten Gefühlen begleitet: Lucille war sich nicht sicher, wie sie empfangen werden würde, von ihrem Sohn, den sie monatelang nicht gesehen hatte – und von ihrem Mann, von dem sie sich vor drei Jahren verabschiedet hatte. Buster wusste nicht, was er davon halten sollte, zum ersten Mal seine beiden Eltern zusammen zu erleben. Al konnte sich nicht entscheiden, ob er seiner Wut gegenüber Lucille Luft machen oder sie in die Arme nehmen sollte. Er war beeindruckt von der Attraktivität seiner Frau: In den drei Jahren, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte, war sie von einem Mädchen zu einer schönen, erwachsenen Frau gereift. Es endete damit, dass Al entschied, den Scheidungsprozess zu stoppen. Lucille fragte ihn: „Willst du’s probieren, ob wir’s doch noch mal hinkriegen?“ Und Al antwortete: „Vielleicht ist es das Beste, wenn wir’s verdammt noch mal versuchen.“ Die körperliche Anziehung bildete das stärkste Band zwischen beiden und führte dazu, dass sie immer wieder in die Arme des anderen zurückfanden – auch in Zeiten erbitterter ehelicher Auseinandersetzungen.
Allen Berichten zufolge waren die nun folgenden Monate die sorgenfreisten, welche die Familie erleben sollte. Da sie bei Delores wohnten, waren ihre Ausgaben minimal, und Al erhielt noch immer Zahlungen von der Armee. Er und Lucille waren daher in der Lage, beinahe jeden Abend auszugehen. Und Delores, die konservativer war als ihre Schwester, diente praktischerweise als Babysitterin. Lucille und Al passten im Gegenzug auf die Kinder von Delores auf, wenn sie tagsüber bei Boeing arbeitete. Danach kümmerte sich Delores um Buster, wenn Lucille und Al ausgingen und ihre alte Liebe auffrischten. „Das waren damals ihre Flitterwochen“, meint Delores. „Die sind die Jackson Street rauf und runter.“
Die junge Familie unternahm sogar eine Reise nach Vancouver. Weder Lucille noch Buster hatten je Als Mutter Nora kennen gelernt, und Al gefiel es, mit seiner Nachkommenschaft anzugeben. Buster mochte seine Großmutter auf Anhieb, und dies sollte die erste von vielen Reisen sein, die er unternahm, um sie zu besuchen.
Delores, die nicht trank, hatte Als und Lucilles Sauferei allmählich satt. „Sie haben getrunken und Partys gefeiert, und ich hatte eine Familie zu versorgen“, sagt sie. Wenn Lucille betrunken war, zeigte sie sich übertrieben anhänglich und emotional. Al war das Gegenteil: Alkohol machte ihn launisch und verbittert.
Nachdem Al Arbeit im Schlachthaus gefunden hatte, erlaubte sein Gehalt, dass die Familie in ein Hotel zog, in dem vor allem Durchreisende aus der Gegend um die Jackson Street abstiegen. In ihrem bescheidenen Zimmer stand nur ein einzelnes Bett, das er sich mit Lucille und Buster teilte. Sie hatten eine einzige Kochplatte, auf der sie ihre Mahlzeiten zubereiteten, und das einzige andere Möbelstück in dem Raum war ein Schreibtischstuhl. In diesem Hotelzimmer lebten sie monatelang.
Während der Zeit im Hotel, ein ganzes Jahr nach seiner Rückkehr, beschloss Al, den gesetzlich eingetragenen Namen seines Sohnes zu ändern. Er entschied sich für James, da dies sein eigener offizieller Name war, und für Marshall als zweiten Namen nach dem Zweitnamen seines verstorbenen Bruders Leon. Danach wurde der Junge von einigen Jimi oder James genannt, obwohl er innerhalb der Familie weiterhin Buster blieb.
Durch das Leben im Hotel geriet die Familie in ein Fahrwasser, das Lucille bereits bestens kannte – es war mehr oder weniger dasselbe Viertel, in dem sie schon während des Kriegs als Kellnerin gearbeitet hatte. Sie kannte viele Leute, und wenn sie die Straße entlangspazierte, traf sie in der Regel mehrere Bekannte. Al profitierte als ihr Mann von ihrer Beliebtheit, aber auch seine Eifersucht wurde dadurch angestachelt. „Al kannte nur Lucilles Freunde“, sagt Delores, „eigene Freunde hatte er nicht.“ Das Viertel war eines der buntesten der Stadt, und zu ihren Freunden zählten Chinesen, Japaner, Weiße und eine ganze Reihe philippinischer Familien. Rassistische Vorurteile waren in Seattle jedoch noch immer tief verankert, denn Al wurde, wie er erzählte, der Seefahrtsschein verweigert, da ihn die ausstellende Behörde aufgrund der zahlreichen nichtweißen Freunde des Ehepaars als „Bedrohung der nationalen Sicherheit“ einstufte.
Schließlich erhielt Al eine Lizenz der Handelsmarine und nahm einen Job auf einem Schiff an, das nach Japan fuhr. Wieder war er tausende von Kilometern weit entfernt, und als er mehrere Wochen später zurückkehrte, war Lucille des Hotels verwiesen worden. Al behauptete, der Geschäftsführer des Hotels habe ihm mitgeteilt, sie sei mit einem anderen Mann auf dem Zimmer erwischt worden.
Delores widerspricht Als Version der Ereignisse. Was auch immer geschehen war, es hielt Al nicht davon ab, Lucille sofort wieder in die Arme zu schließen. Es ergab sich ein Muster: Regelmäßig trennten sie sich und kamen ebenso regelmäßig wieder zusammen. „Es war fast schon ein Kreislauf“, schrieb Al in seiner Autobiografie. „Zwei oder drei Monate lief alles wunderbar. Dann merkte ich: ‚Oha … da liegt was in der Luft.‘“ Selbst Jimi Hendrix blieb dieses Muster nicht verborgen. Jahre später erzählte er einem Interviewer, die Beziehung seiner Eltern sei hitzig gewesen: „Mein Vater und meine Mutter haben sich oft miteinander überworfen“, sagte er. „Ich war ständig drauf gefasst, wieder mal klammheimlich nach Kanada abzuhauen.“ In Kanada konnte er bei seiner Großmutter Nora Hendrix unterkommen. Noch öfter allerdings wurde er zu seiner Großmutter Clarice, zu Delores oder Dorothy Harding in Seattle abgeschoben.
Dorothy Harding musste regelmäßig babysitten, nachdem die wiedervereinte Familie im Frühjahr 1947 ihre erste gemeinsame Wohnung im Rainier-Vista-Wohnungsbauprojekt bezogen hatte, in dem auch Dorothy wohnte. Rainier Vista lag fünf Kilometer südlich vom Central District im Rainier Valley. Der Wohnkomplex selbst wurde hauptsächlich von weißen Familien im Ruhestand bewohnt, aber nach dem Krieg beherbergte er auch zunehmend Afroamerikaner. Die Einzimmerwohnung der Familie in der Oregon Street 33121 war so klein, dass Buster in der Abstellkammer schlafen musste. Diese wurde zu seinem Rückzugsort, wenn die Eltern stritten, was nun immer öfter vorkam.
Die meisten Auseinandersetzungen entsprangen den finanziellen Problemen der Familie und Lucilles Klagen darüber, dass Al nicht genug verdiente, um seine Familie zu ernähren. Sie drohte, sich eine Stelle als Kellnerin zu suchen, doch in Als Augen stellte sie damit seine Männlichkeit infrage. Die meisten Jobs, die er in dieser Zeit annahm, bedeuteten harte körperliche Arbeit, und keiner davon war von Dauer. Auch machte er im Rahmen eines Förderprogramms zur beruflichen Wiedereingliederung ehemaliger Kriegsveteranen eine Lehre als Elektriker, in der Hoffnung, eine besser bezahlte Arbeit zu finden. Die Familie lebte von weniger als neunzig Dollar im Monat, wobei die Miete allein schon vierzig betrug.
Lucille