Jimi Hendrix. Charles R Cross

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Jimi Hendrix - Charles R Cross

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vierundzwanzig verschiedene Friedhöfe, für jede ethnische Minderheit und Glaubensgemeinschaft einer.

      Nachdem er zehn Jahre in Roslyn verbracht hatte, zog Preston nach Newcastle, Washington, wo er ebenfalls im Bergbau tätig war. 1915 verschlug es ihn dann nach Seattle, wo er als Landschaftsarchitekt arbeitete. Bereits in seinen Vierzigern angekommen, hoffte er nun, endlich eine Frau zu finden. Im Seattle Republican stieß er auf die Anzeige einer jungen Frau, die einen Ehemann suchte.

      * * *

      Die Frau, welche die Anzeige aufgegeben hatte, war Clarice Lawson, die Großmutter von Jimi Hendrix mütterlicherseits. Clarice war 1894 in Little Rock, Arkansas, geboren worden. Wie bei vielen Afroamerikanern in Arkansas gehörten zu ihren Vorfahren sowohl Sklaven wie auch Cherokee. Clarice erzählte ihren Kindern, die Regierung der Vereinigten Staaten hätte ihre indianischen Vorfahren verfolgt, bis diese von Sklaven versteckt worden seien, die sie teilweise auch geheiratet hätten.

      Clarice hatte vier ältere Schwestern, und die fünf Lawson-Töchter reisten regelmäßig ins Louisianadelta, um Baumwolle zu pflücken. Auf einer dieser Fahrten wurde Clarice, die damals zwanzig Jahre alt war, vergewaltigt. Als sie später feststellte, dass sie schwanger war, brachten ihre Schwestern sie rasch in den Westen und suchten einen Ehemann für sie. Sie entschieden sich für Washing­ton, nachdem sie von Bahnarbeitern gehört hatten, dass Schwarze in dieser Region bessere Chancen hätten.

      In Seattle schalteten sie eine Anzeige, mit der sie einen Ehemann suchten, wobei sie die Schwangerschaft von Clarice nicht erwähnten. Preston Jeter meldete sich, und obwohl er neunzehn Jahre älter war als Clarice, begannen sie, miteinander auszugehen. Als die Schwestern von Clarice auf eine baldige Hochzeit drängten und Preston einen bestimmten Geldbetrag als Mitgift boten, wurde er misstrauisch und beendete die Beziehung. Clarice bekam das Kind und gab es zur Adoption frei. Die Schwestern boten Preston daraufhin noch mehr Geld, wenn er die nun trauernde Clarice heiraten würde. Er willigte ein, und sie wurden 1915 getraut. Obwohl die Ehe bis zu Prestons Tod dreißig Jahre später hielt, wurde die Beziehung durch die ungewöhnlichen Umstände, unter denen sie einander kennen gelernt hatten, belastet.

      Sowohl Preston als auch Clarice waren in den Nordwesten gekommen, weil sie an einem Ort ein neues Leben anfangen wollten, an dem die Hautfarbe eine geringere Rolle spielte als anderswo. Bis zu einem gewissen Grad war das in Seattle durchaus der Fall, wo es immerhin die ausschließlich Weißen vorbehaltenen Trinkwasserbrunnen des rassistischen Südens nicht gab. Im Nordwesten jedoch stießen Afroamerikaner auf eine weniger offensichtliche Form der Diskriminierung, die sie dennoch stark in ihren Möglichkeiten einschränkte. In Seattle lebten Afroamerikaner beinahe ausschließlich in einer Gegend namens Central District, sechseinhalb Quadratkilometer, auf denen sich die ältesten und heruntergekommensten Häuser der Stadt fanden. Außerhalb dieses Viertels vermieteten Hauseigentümer selten an Afroamerikaner, und in vielen Gemeinden war Schwarzen der Kauf von Immobilien gesetzlich verboten.

      Obwohl sie die freie Wahl des Wohnorts einschränkte, hatte die faktische Rassentrennung in Seattle auch Vorteile für Schwarze. Im Central District entwickelte sich eine enge Gemeinschaft mit starkem nachbarschaftlichem Zusam­menhalt, was den ethnischen Stolz der Einwohner beförderte. „Es war eine kleine Gemeinschaft. Wenn man jemanden nicht kannte, kannte man mindestens jemanden aus seiner Familie“, erinnert sich Betty Jean Morgan, die ihr Leben lang dort gelebt hat. In dem Viertel waren außerdem amerikanische Ureinwohner, Chinesen, Italiener, Deutsche, Japaner und Filipinos zu Hause. In den Schulen traf sich ein Mischmasch aller möglichen Abstammungen. Es gab so viele ethnische und religiöse Minderheiten – das Viertel war außerdem Zentrum des jüdischen Lebens der Stadt –, dass sich ein damals in den gesamten Vereinigten Staaten einzigartiges multikulturelles Gefüge entwickelte. Die Historikerin Esther Hall Mumford gab ihrem Buch über die Geschichte des schwarzen Seattle den Titel Calabash, in Anspielung auf die afrikanische Tradition, alle möglichen Zutaten zusammen in einem Topf zu kochen, der so groß ist, dass man damit ein ganzes Dorf ernähren könnte – eine passende Metapher für den Central District in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Starke ­soziale Bindungen und ein herzliches Gefühl der Zusammengehörigkeit waren für alle, die dort aufwuchsen, prägend.

      Die schwarze Gemeinde in Seattle hatte ihre eigenen Zeitungen, Restaurants, Läden und, was vielleicht am großartigsten erscheinen mag, einen eigenen Unterhaltungsbezirk, der sich um die Jackson Street konzentrierte. In den Nachtclubs und Spielhöllen dort traten landesweit bekannte Jazz- und Bluesmusiker auf. Die Szene war derart lebendig, dass ein Zeitungsredakteur sie mit der State Street in Chicago oder der Beale Street in Memphis verglich. Obwohl Preston und Clarice Jeter die Clubs auf der Jackson Street eher selten besuchten, sollte die bunte und dynamische Unterwelt doch einen wichtigen Einfluss auf die Jugend ihrer Kinder und schließlich auch auf ihren Enkel Jimi Hendrix haben.

      * * *

      Die größte Herausforderung für Schwarze in Seattle – eine Herausforderung, die alles andere in den Hintergrund rücken ließ – bestand darin, eine faire Anstellung zu finden. Afroamerikaner wurden von der weißen Gesellschaft in Seattle meist toleriert, doch die einzigen Berufe, die Schwarzen offen standen, waren die des Kochs, Kellners oder Kofferträgers. Ähnlich wie in Roslyn fand Preston Jeter während eines Streiks Arbeit im Hafen. Es war ein Job, der normalerweise Weißen vorbehalten war. Clarice fand – wie laut der Volkszählung von 1910 vier­undachtzig Prozent aller afroamerikanischen Frauen Seattles – Arbeit als Hausmädchen. Wie die meisten schwarzen Mütter damals kümmerte sich Clarice um weiße Babys, obwohl sie gleichzeitig eigene Kinder zu versorgen hatte.

      Im Verlauf der folgenden zehn Jahre bekam Clarice acht Kinder, von denen zwei im Säuglingsalter starben und zwei zur Adoption freigegeben wurden. Lucille, das jüngste der Jeter-Kinder, wurde 1925 geboren, acht Wochen zu früh. Aufgrund von Komplikationen wegen eines Tumors sowie postnataler Depressionen blieb Clarice bis sechs Monate nach Lucilles Geburt im Krankenhaus. Preston, der damals bereits fünfzig Jahre alt war und selbst unter gesundheitlichen Problemen litt, konnte sich nicht um die Familie kümmern, weshalb Lucilles drei Schwestern, Nancy, Gertrude und Delores, die Sorge um das Baby übernahmen. An einem Tag im Dezember, als Seattle gerade einen seiner seltenen Schneestürme erlebte, brachten Hebammen sie nach Hause. „Sie muss-ten vor unserem Haus ganz vorsichtig den Hügel hinauflaufen“, erinnert sich ­Delores Hall, die damals vier Jahre alt war. „Sie legten sie mir in die Arme und sagten: ‚Pass gut auf sie auf, das ist deine neue Schwester.‘“

      Die Jeters hatten in den kommenden Jahren mit enormen Schwierigkeiten zu kämpfen. Clarice musste immer wieder ins Krankenhaus, litt an körperlichen und mentalen Gesundheitsproblemen, und die Kinder wurden in die Obhut einer deutschen Großfamilie gegeben, die auf einem kleinen Bauernhof nördlich von Greenlake wohnte. In dieser vornehmlich weißen Gegend wurden sie regelmäßig für Zigeuner gehalten, eine andere ethnische Minderheit, die vom weißen Seattle gemieden wurde.

      Als Lucille zehn Jahre alt wurde, lebte die Familie wieder zusammen im Central District. Als Jugendliche hatte Lucille bemerkenswert schöne Augen und war sehr gelenkig. „Sie hatte langes, dickes, dunkles und glattes Haar und ein wunderschönes breites Lächeln“, sagte Loreen Lockett, ihre Freundin auf der Junior High. Preston und Clarice waren gegenüber Lucille besonders fürsorglich und erlaubten ihr vor ihrem fünfzehnten Geburtstag nicht, zu Tanzveranstaltungen zu gehen. Lucille war hübsch und temperamentvoll und zog schon damals die Aufmerksamkeit auf sich. „Sie war ein gut aussehendes Mädchen und eine sehr gute Tänzerin“, erinnert sich James Pryor. „Sie hatte sehr helle Haut und schönes Haar. Sie wäre durchgegangen.“ „Durchgehen“ bedeutete in der afroamerikanischen Umgangssprache, dass jemand so helle Haut hatte, dass er als weiß gelten konnte. Das hätte natürlich Betrug bedeutet, gleichzeitig aber auch unzählige Arbeitsmöglichkeiten eröffnet, die Schwarzen verwehrt blieben. Sogar innerhalb der afroamerikanischen Gemeinschaft galten damals helle Haut und glatte Haare als schön, und Lucille besaß beides.

      Allen Berichten zufolge war die fünfzehnjährige Lucille anständig

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