Jimi Hendrix. Charles R Cross

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Jimi Hendrix - Charles R Cross

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verlor seinen Job in der Eisengießerei, fand aber eine neue Anstellung in einer Billardhalle. Er legte gerade Billardkugeln zusammen, als er vom Angriff der Japaner auf Pearl Harbor erfuhr. Mit zweiundzwanzig würde Al mit Sicherheit eingezogen werden, und der drohende Krieg belastete und beschleunigte die Beziehung zu Lucille. Ende Februar war sie schwanger – keine schlechte Leistung, wenn man bedenkt, dass Al in einer Pension lebte, in der weiblicher Besuch nicht gestattet war. Als Lucille ihren Eltern davon erzählte, waren sie wütend. „Sie war das Nesthäkchen der Familie, und damit hatte niemand gerechnet“, erinnert sich Delores.

      Al erklärte den Jeters leicht verlegen, er wolle ihre Tochter heiraten, obwohl auch dies Preston nicht beschwichtigen konnte, der erfolglos versuchte, Lucille die Hochzeit auszureden. Das Paar heiratete im King County Courthouse, und drei Tage später wurde Al zur Armee verschifft. Nach seiner Abreise besuchte Lucille, obwohl sie schwanger und verheiratet war, weiter die Schule und verheimlichte beides vor ihren Klassenkameradinnen. Sie war so dünn, dass es Monate dauerte, bis ihre Schwangerschaft nicht mehr zu übersehen war, und was ihre Ehe anging, so war Al ohnehin zu arm gewesen, um ihr einen Ring schenken zu können. Obwohl Lucille gehofft hatte, wenigstens die Junior High abschließen zu können, weil ihr Lebensunterhalt keinesfalls gesichert war, ließ sie eines Nachmittags bei Ertönen der Schulglocke ihre Bücher auf dem Pult liegen und kehrte nie wieder zurück.

      * * *

      Ein paar Monate lebte Lucille noch zu Hause bei ihren Eltern, obwohl ihr Zustand die Beziehung zu ihnen belastete. Die Jeters hatten ständig Geldprobleme und lebten von der Wohlfahrt. Sie waren nicht in der Lage, eine arbeitslose, schwangere Tochter durchzufüttern. Schließlich fand Lucille eine Stelle als Bedienung in einem Club auf der Jackson Street. Sie musste wegen ihres Alters flunkern, obwohl in den Clubs wie dem berüchtigten Bucket of Blood gesetz­liche Bestimmungen ohnehin ignoriert wurden. Neben dem Getränkeausschank war Lucille teilweise auch für das Unterhaltungsprogramm zuständig. „Sie sang“, erinnert sich Delores Hall, „und die Männer gaben ihr Trinkgeld, weil sie so eine gute Sängerin war.“

      Durch ihren Job im Bucket of Blood wurde Lucille Teil dessen, was Hipster als „Main Stem“ bezeichneten. „Damit meinten sie das Zentrum von allem, das aufregend war“, erläutert Bob Summerrise, einer der ersten schwarzen DJs und Besitzer eines Plattenladens in Seattle. „Wenn man in eine neue Stadt kam, fragte man: ‚Wo geht’s zum Main Stem?‘ Und da ging’s wild zu. Zuhälter, Nutten, Spieler, Drogendealer und ein paar Junkies, aber auch die ganzen anderen erfolgreichen Geschäftsleute aus den schwarzen Gemeinden gingen dahin, ließen sich unterhalten oder tranken was.“ An der Ecke Vierzehnte und Jackson stand ein einarmiger Zeitungshändler mit dem Spitznamen Neversleep, der Tag und Nacht die aktuellen Schlagzeilen herausschrie. In dem Viertel passierte ständig etwas, und wenn man einfach nur sagte, man ginge auf die Jackson Street, galt das schon als Bekenntnis zu fragwürdigen Absichten und zweifelhafter Moral. Diese Seite der schwarzen Kultur unterschied sich stark von der kirchlich geprägten Gemeinschaft, in der Lucille aufgewachsen war. Schon bald war sie hingerissen von der exotischen Anziehungskraft der zahlreichen Clubs auf der Jackson Street.

      Die Main Stem war außerdem das Zentrum des Rhythm & Blues in der Stadt. In Clubs wie dem Black & Tan, dem Rocking Chair und dem Little Harlem Nightclub existierte eine bunte und vielfältige alternative Welt, die der Großteil des weißen Seattle niemals zu Gesicht bekam. Jimmy Ogilvy, der spätere Frontmann der Dynamics, besuchte die Jackson Street als Teenager und ­musste feststellen, dass man dort als Weißer weniger unangenehm auffiel als in den falschen Klamotten. „Alle trugen Zoot-Suits, große Hüte und Lacklederschuhe“, erinnert er sich. „Man kam nicht rein, wenn man nicht korrekt gekleidet war. Den Clubs war’s egal, ob man weiß war. Die wollten einfach nur, dass man tanzte und was losmachte. Elegant und gewandt musste man sein.“

      Die Arbeit auf der Jackson Street veränderte das Leben der hübschen sechzehnjährigen Lucille Jeter Hendrix. Zu Beginn war sie nicht sonderlich gewieft, doch sie lernte schnell. Delores bemerkte, dass die Gegend ihre Schwester „härter machte“, gleichzeitig aber erweiterte sie auch Lucilles zuvor eher beschränkten Horizont. Sie fühlte sich in dem Milieu wohl – sie kannte die Leute, diese kannten sie. Der spießigen Welt des Central District, der Welt ihrer Eltern, schien sie ebenso entwachsen wie der eher konservativen Welt, die Al Hendrix vertrat und die ihr inzwischen schon wie eine entfernte Erinnerung vorkam.

      * * *

      Im Spätsommer 1942 wurde Lucilles Schwangerschaft sichtbar, und sie ­musste zu arbeiten aufhören. Ab Herbst wohnte sie bei Dorothy Harding, einer Freundin der Familie. Harding war nur sieben Jahre älter als Lucille, aber bereits allein erziehende Mutter von drei Kindern (und sie sollte noch sechs weitere bekommen). Außerdem war sie eine der ersten afroamerikanischen Frauen, die in Seattle in einer Werft arbeiteten, einem Arbeitsplatz, der vor dem Krieg sowohl für Schwarze als auch für Frauen tabu gewesen war. Noch wichtiger aber war vielleicht, dass Harding sowohl in der Welt der Main Stem wie auch der des Central District zu Hause war. Obwohl sie jeden Sonntag zur Kirche ging, liebte Dorothy Musik und Männer – eines ihrer Kinder ging aus einer kurzen Beziehung mit dem Sänger Jackie Wilson hervor. Lucille zog hochschwanger bei Harding ein. „Sie nannte mich Tantchen“, erinnert sich Harding. „Ich hab mich um sie gekümmert.“

      Lucille war zu Hause bei Dorothy, als in einer stürmischen Novembernacht die Wehen einsetzten. Sie wurde eilig ins Krankenhaus gebracht, und es war eine schnelle Entbindung. Das Baby wurde am 27. November 1942 um 10.15 Uhr geboren. Alle waren fest davon überzeugt, der kleine Junge sei das süßeste Baby überhaupt. In jener Nacht gab ihm Delores den Spitznamen „Buster“ nach Buster Brown aus einem Comicstrip von Richard Outcault, der außerdem auch der Name einer Kinderschuhmarke war. Später wurde behauptet, Jimi sei nach Larry „Buster“ Crabbe genannt worden, dem Schauspieler, der Flash Gordon in der von Jimi heiß geliebten Filmreihe spielte. Jimi selbst erzählte diese Version der Geschichte, wobei er aber nicht bedachte, dass er den Namen bereits verpasst bekommen hatte, lange bevor er in der Lage war, sich heimlich in Kinomatineen zu schleichen. Während seines gesamten Lebens nannten ihn die meisten Verwandten und Nachbarn in Seattle nach dem kleinen frechen Jungen von den Witzseiten.

      Teilweise diente der Spitzname auch dazu, den von Lucille gewählten Taufnamen zu vermeiden: Johnny Allen Hendrix. Der Name Johnny war weder in ihrer noch in Als Familie gebräuchlich, was Al unaufhörlich an seiner Vaterschaft zweifeln ließ. Al war fest davon überzeugt, das Kind sei nach John Page benannt, einem Hafenarbeiter, der bei Dorothy Harding zur Untermiete wohnte. Harding bestreitet, dass Page vor Lucilles Niederkunft jemals etwas mit ihr zu tun gehabt hat, obwohl sich ab einem bestimmten Zeitpunkt durchaus so etwas wie eine Beziehung ergeben haben muss. Lucille mag das Baby tatsächlich nach Page benannt haben, was aber auch ein Zufall gewesen sein könnte, denn John war seit 1942 der beliebteste Jungenname. Auf jeden Fall wollte niemand das Baby Johnny nennen, nicht einmal Lucille, und so war der Name lediglich der erste von drei gesetzlich eingetragenen Namen, die Jimi Hendrix im Lauf seines Lebens tragen sollte.

      Al wurde durch ein Telegramm von Delores von der Geburt informiert. Als Lucille ihm schließlich ein Bild von sich mit dem Kind auf dem Schoß sandte, schrieb sie darunter: „Das ist das Baby – und ich“, wobei sie seinen Vornamen wegließ. Auf einem Schnappschuss, den Delores machte und an Al schickte, lautete die Bildunterschrift: „In Liebe für meinen Daddy, Baby Hendrix.“ Auf die Rückseite hatte Delores geschrieben: „Lieber Allen, hier kommt endlich ein Bild von deinem kleinen Jungen ‚Allen Hendrix‘. Er ist genau zwei Monate und drei Wochen alt. Er sieht doppelt so alt aus, findest du nicht? Ich hoffe, das Bild kommt heil bei dir an. Delores Hall.“

      Diese Bilder von Lucille und dem Baby gehören zu den einzigen noch erhaltenen Bildern von Lucille. In ihrer Kostümjacke und dem schlichten Rock ohne Strümpfe posierte sie mit züchtig verschränkten Beinen, doch in ihrem Lächeln liegt versteckte Anzüglichkeit. Ihr glattes Haar war zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden, eine Frisur, die damals eher Schulmädchen als Hausfrauen trugen. Sie und ihr pausbäckiges Baby sind beide sehr fotogen, in beiden Gesichtern strahlen dieselben

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