Jimi Hendrix. Charles R Cross

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Jimi Hendrix - Charles R Cross страница 18

Jimi Hendrix - Charles R Cross

Скачать книгу

wird.

      * * *

      Zwei Wochen nach Jimis und Leons letztem Besuch starb Lucille Jeter Hendrix Mitchell.

      Delores erfuhr durch den Anruf einer Freundin Lucilles, dass ihre Schwester am 1. Februar wieder ins Krankenhaus eingeliefert worden war. Die Freundin berichtete, Lucille sei bewusstlos in einer Seitengasse der Yesler neben einer Kneipe gefunden worden. Delores und Dorothy Harding fuhren sofort ins Harborview Hospital, um sie zu besuchen. „Die Schwestern wussten nicht, was ihr fehlte, aber sie meinten, sie würde schon wieder gesund werden“, sagt Delores. „An dem Abend war so viel los, dass die Gänge voll waren mit den Opfern von Schießereien und Messerstechereien, und um Lucille kümmerte sich niemand richtig.“ Nachdem sich die beiden Frauen beschwert hatten, wurde Lucille endlich in ein Zimmer gebracht, doch bis der Arzt eintraf, war Lucille bereits an einem Milzriss gestorben. „Sie hätten sie vielleicht retten können“, sagt ­Delores. „Aber sie hatte innere Blutungen, und die Hilfe kam zu spät.“

      Auf Lucilles Sterbeurkunde wurden als Todesursachen „Milzriss und Blutungen“ angegeben. Auf dem Dokument sind außerdem „Bluthochdruck und Zir­rhose der Pfortader“ als begleitende Krankheitsbilder verzeichnet. Die Pfortader transportiert Blut in die Leber. Sie kann durch Zirrhose beschädigt werden, eine Leberkrankheit, die gewöhnlich durch Alkoholismus verursacht wird. Einen Milzriss zieht man sich jedoch normalerweise nicht ohne Trauma zu, auch nicht, wenn man bereits lange an Zirrhose leidet. Lucille muss entweder gestürzt oder geschlagen worden sein, sonst wäre ihre Milz nicht gerissen. In der Familie wurden die verschiedensten Spekulationen darüber angestellt, was ihr draußen vor jener Kneipe zugestoßen sein mag, doch Einzelheiten wurden nie bekannt.

      Ein Freund kam in die Pension, um Al die traurige Neuigkeit mitzuteilen. Jimi, der im vorangegangenen Herbst fünfzehn Jahre alt geworden war, hörte die Unterhaltung mit und fing an zu weinen. Leon war erst zehn Jahre alt und eher schockiert als traurig. Lucille war in ein Bestattungsinstitut in Chinatown gebracht worden. Al lieh sich einen Transporter und nahm die Kinder dorthin mit. Draußen vor dem Bestattungsinstitut jedoch überlegte er es sich anders und erlaubte den Jungen nicht, den Leichnam zu sehen. Er ließ sie im Wagen warten, während er der Frau, mit der er sechs Kinder hatte, seinen letzten Besuch abstattete. „Al war der einzige Mann, den Lucille jemals geliebt hat“, sagt Delores. „Sie mag sich mit anderen Männern eingelassen haben, aber sie hat nie einen anderen geliebt.“

      Jimi weinte, während sie draußen im Wagen warteten, aber Leon blieb ungerührt, weil er dachte, wenn er keinerlei Gefühl zeige, würde der Schmerz von allein verschwinden. Als Al zurückkam, bot er jedem der beiden Jungs einen Schluck Seagram’s-7-Whiskey aus seinem Flachmann an. Alle drei Hendrix-Männer nahmen einen ordentlichen Zug, und Al fuhr sie wieder nach Hause.

      Die Beerdigung fand vier Tage später in einer Pfingstlerkirche statt. Als Mutter Nora kam aus Vancouver, und ungefähr zwei Dutzend Freunde und Freundinnen Lucilles erwiesen ihr die letzte Ehre. Das Begräbnis war an einem Sonntag für zwei Uhr nachmittags angesetzt. Alle waren pünktlich da und warteten, dass es losging, nur von Al, Jimi und Leon war nichts zu sehen. Der Priester schob den Beginn des Gottesdiensts in der Hoffnung hinaus, sie hätten sich einfach nur verspätet. Wenn Al schon nicht an der Zeremonie teilnahm, so dachten Lucilles Verwandte, würde er doch zumindest den Anstand besitzen, die Jungen vorbeizubringen. Um vier Uhr nachmittags, zwei Stunden später als ursprünglich geplant, begann endlich die Beerdigung. Die Jungen waren nicht aufgetaucht. „Wir haben gewartet und gewartet“, sagt Delores, „aber sie kamen einfach nicht.“

      In seiner Autobiografie erklärt Al, Jimi habe zur Beerdigung gehen wollen, aber Al hatte keinen Wagen, weshalb er Jimi Geld für den Bus gegeben und ihm gesagt habe: „Du hast das Fahrgeld, jetzt kannst du den Bus nehmen.“ Aber statt in den Bus zu steigen und zur Beerdigung seiner Mutter zu fahren, sei Jimi weinend in seinem Zimmer sitzen geblieben. „Wir wollten beide hin“, erinnert sich Leon, „aber Dad hat uns nicht lassen.“

      Als Dorothy Harding Al später an diesem Abend aufspürte, gab sie ihm eine schallende Ohrfeige. „Ich habe ihn dafür gehasst“, erinnert sich Harding. „Ich habe ihm gesagt, dass er das noch würde büßen müssen.“ Delores traf den Nagel allerdings noch eher auf den Kopf, als sie Al erklärte, Jimi und Leon würden dafür büßen müssen. Al antwortete: „Na ja, das hat doch keinen Sinn, da hinzugehen, jetzt ist es doch vorbei.“

      „Nein, Al“, erwiderte Delores und zeigte auf die Jungen, die im angrenzenden Zimmer in Dorothys Armen Trost fanden. „Für dich mag das stimmen, aber für die beiden wird es nie vorbei sein.“

      Jimi war immer schon schüchtern gewesen, aber nach Lucilles Tod zog er sich immer mehr zurück und wirkte oft abwesend. Seine ganze verbleibende Jugend über sollte er, außer gegenüber seinen engsten Freunden, kaum je eine Unterhaltung von sich aus beginnen. „Er wurde extrem sensibel“, erinnert sich Ebony Harding. „Er war sehr, sehr traurig.“ Einige fanden, er wirke distanziert. Es war beinahe so, als sei ihm, da er nun den schwersten Verlust überhaupt zu verkraften hatte, alles andere unwichtig geworden. Auch wurde ein Charakterzug an ihm deutlich, der auch später noch vielen auffiel: Statt langfristig zu planen, lebte er jeden Tag, als sei es sein letzter. Er blieb weiterhin ein Träumer, doch wenn in seinem Leben etwas schief lief, resignierte er.

      Lucilles Tod veränderte Jimis Beziehung zu Al unwiderruflich. Auch wenn Jimi nicht gewusst hatte, wo seine Mutter steckte, war sie dennoch emotional in seinem Leben gegenwärtig gewesen, eine Alternative, die man sich zumindest vorstellen konnte. Die Entscheidung seines Vaters, ihn nicht an der Beerdi­gung teilnehmen zu lassen, blieb Jimi bitter in Erinnerung. „Das hat er unserem Dad nie verziehen“, sagt Leon. Über den Verlust seiner Mutter sprach Jimi so gut wie nie, auch nicht mit seinen engsten Freunden. Seine Freundin Carmen Goudy erfuhr durch eine Klassenkameradin davon. Jimmy Williams hörte es von Leon. In seiner eigenen inneren Welt begann Jimi die Mutter, die er verloren hatte, zu idealisieren, und Lucille wurde immer mehr zum Thema seiner Gedichte und Songs, die er seit dem Frühjahr schrieb. Jimi hatte sich immer für Science-Fiction und den Weltraum interessiert, aber zu diesen kindlichen Vorlieben kam nun noch eine neu gewonnene Faszination für Engel hinzu. „Mama wurde für ihn zu einem Engel“, sagt Leon. „Er hat mir gesagt, er sei sicher, sie sei ein Engel und würde uns überallhin folgen.“

      * * *

      An einem Abend in jenem Frühjahr hörte Delores Hall ein Geräusch auf ihrer Veranda. Sie schnappte sich eine Taschenlampe und ging nachsehen. Als sie den Lichtkegel über die Veranda gleiten ließ, leuchtete sie in Jimis rundes Gesicht. Er saß auf einem Stuhl in der Ecke. „Was machst du denn hier so spät in der Nacht, Buster?“, fragte sie. „Gar nichts, Tante“, antwortete er.

      „Er war wie weggetreten“, erinnert sich Delores Hall Jahre später. „An jenem Abend war er so sehr in sich selbst zurückgezogen. So hatte ich ihn noch nie erlebt.“

      Delores versuchte, ihn aufzumuntern. „Wieso kommst du nicht rein?“, redete sie ihm zu. „Ich mach dir was zu essen.“

      „Ach, ich she mir nur die Sterne an“, sagte er. „Ich komme später.“

      „Denkst du an deine Mom?“, fragte sie.

      „Woher weißt du das?“, erwiderte er. „Eines Tages werde ich sie wieder­sehen, ganz bestimmt.“

      „Ich weiß“, antwortete Delores. „Wir alle werden sie wiedersehen.“

      Jimi schien weicher zu werden, als sei die ungeheure Gefühlsintensität nur eine gewisse Zeit lang auszuhalten. Und als der Zauber verflog, klang er wieder wie ein Junge, der zu viele Science-fiction-Comics gelesen und zu viele Flash Gordon-Filme im Atlas Theater gesehen hatte. „Eines Tages schieß ich mich mit einer Astralrakete in den Himmel“, prahlte er. „Ich fliege zu den Sternen

Скачать книгу