Bob Marley - Catch a Fire. Timothy White
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Statt auf dieses Ersuchen zu antworten, wandte Tafari sich an einen Mönch, der in der Kathedrale von Azum gedient hatte, in der man die Bundeslade aufbewahrte. Er beschrieb ihm leise das ›kedusta kedussan‹, das Allerheiligste, in dem die ›tabbot‹ –
Bundeslade – steht, und rezitierte verschiedene sie zierende Inschriften. Der Schock seiner Enthüllung soll den Mönch, der einer Ohnmacht nahe war, dazu gebracht haben, sich die Ohren zuzuhalten, um die blasphemischen Worte nicht zu hören. Er und die restlichen Priester zerstreuten sich in aller Eile.
Später schlossen sie ein feierliches Abkommen, um alles in ihrer Kraft Stehende zu tun, den jungen Tafari daran zu hindern, die Macht über das Land zu erringen. Er war zu gefährlich – unvorstellbar gefährlich.
Die Geschichten über Tafaris frühe Begegnungen mit den Priestern und seine okkulte Weisheit sowie seine unheimlichen Kräfte verbreiteten sich wie Buschfeuer 1930 in Äthiopien, als sich das Land darauf vorbereitete, Ras Tafaris Gelöbnis zu erfüllen, seine Krönung im November werde die großartigste und feierlichste sein, die Afrika je erlebt habe.
Es war Gesetz, dass alle innerhalb der Landesgrenzen erlegten Löwen in den Besitz des Kaisers übergingen, des siegreichen Löwen des Stammes Juda. Monate vor der Krönung schickte man einen Ballen Löwenfelle nach London, um sie von einem Schneider in der Bond Street zu zeremoniellen Gewändern verarbeiten zu lassen. Tafaris Gesandte erwarben in Europa Gold und Edelsteine im Wert von einer Million Dollar; auch sie wurden nach England gebracht, um sie zusammen mit Salomons Siegel und der Mähne des Löwen von Juda in zwei Kaiserkronen einzuarbeiten. (Die Kronen mussten pünktlich fertiggestellt und den koptischen Priestern in Addis Abeba persönlich übergeben werden, damit sie die vorgeschriebenen einundzwanzig Tage vor der Krönung mit ihnen beten konnten.) Zudem erwarb man die Staatskarosse Wilhelms II.,
ein Gespann schneeweißer Habsburger-Hengste und engagierte einen österreichischen Kutscher, der zuvor in den Diensten von Kaiser Franz Joseph gestanden hatte, um den Kaiser und die Kaiserin zu fahren.
In Addis Abeba wurden neue Straßen angelegt, vorhandene erweitert, und eine große Anzahl neuer Gebäude, Monumente, Torbögen und Statuen wurde errichtet, um an das große Ereignis zu erinnern, das für den 2. November festgesetzt worden war. Einladungen an Würdenträger in aller Welt gingen hinaus, und die Gäste begannen Mitte Oktober einzutreffen. Mit dem Schiff landeten sie im Hafen von Dschibuti am Golf von Aden im damaligen Französisch-Somaliland, und ihre Reise in das gebirgige Innere von Äthiopien erfolgte mit einer Eisenbahn, die eigens für den 780 Meilen langen Weg auf den neuesten technischen Stand gebracht worden war.
Zu denen, die am Monatsende eingetroffen waren, gehörten Isaburo Yoshida aus Japan, Marschall Franchet d’Esperey aus Frankreich, Konteradmiral Prinz Udine aus Italien, der griechische Graf Metaxas, Baron H.K.C. Bildt aus Schweden, Muhammad Tawiq Pascha aus Ägypten und der Herzog von Gloucester, der eine tonnenschwere Hochzeitstorte überbrachte. Hindenburg schickte fünfhundert Flaschen erstklassigen Rheinweins, und die französische Regierung stellte ein Privatflugzeug. Sonderbotschafter Herman Murray Jacobs, den Herbert Hoover beauftragt hatte, die Vereinigten Staaten zu vertreten, war jedoch mit den meisten Geschenken beladen: Neben einem signierten und hübsch gerahmten Foto des Präsidenten hatte er eine Bestandsliste nichtamtlicher, privat erworbener Geschenke mitgebracht. Sie umfassten einen stromgespeisten Kühlschrank, eine rote Schreibmaschine mit dem Wappen der kaiserlichen Streitkräfte, einen Radio-Phonographen, einhundert Platten ›echt amerikanischer Musik‹, fünfhundert Rosenstöcke – einschließlich einiger Dutzend der sogenannten Präsident Hoover-Sorte, einer neue Amaryllisart, die das US-Landwirtschaftsministerium entwickelt hatte –, eine gebundene Ausgabe von National Geographic, einen gebundenen Bericht über die Abessinien-Expedition des Chicago Field Museum und Kopien der Filme ›Ben Hur‹, ›King of Kings‹ und ›With Byrd at the South Pole‹.
An den Tagen vor der Krönung wurde eine Statue Meneliks II. vor der Kathedrale von St. Georg enthüllt, und am Vorabend der Feierlichkeiten fand ein Gottesdienst in der Kathedrale statt, der die ganze Nacht andauerte. Der Negus Ras Tafari und seine Gattin Woisero Menen beteten im Chor mit Priestern und Diakonen in kostbaren Gewändern, die tanzten, sangen, auf Trommeln schlugen und ihre Gebetsstöcke im Takt der Musik von Harfen, Leiern, Tambourinen, Becken und der einsaitigen ›masanko‹ bewegten. In bestimmten Zeitabständen hallte das weihrauchgeschwängerte Sanktuarium wider vom inbrünstigen Gesang eines Frauenchors und dem rhythmischen Klatschen, mit dem die Hymnen begleitet wurden. Draußen, auf den Stufen der Kathedrale, standen Adlige und Diplomaten mit brennenden Kerzen.
Sonntag, der 2. November 1930, dämmerte klar und milde, und schon um sieben Uhr in der Frühe hatten die meisten der siebenhundert offiziellen Gäste ihre Plätze in der üppig geschmückten Halle auf der westlichen Seite der Kathedrale eingenommen. Löwenmähnige Feudalhäuptlinge saßen Seite an Seite mit uniformierten ausländischen Würdenträgern. Kurz nach sieben Uhr dreißig öffneten sich die mächtigen Türen des Allerheiligsten, und Hunderte von singenden Priestern traten heraus, gefolgt von dem Negus, bekleidet mit einer weißseidenen Kommunionsrobe. Er trat unter einen Baldachin, der auf goldenen Pfosten ruhte und im Zentrum des Mittelschiffs stand. Dann setzte er sich auf seinen rotgoldenen Thron. Die amharische Liturgie wurde von Abuna Kyril zelebriert, dem Erzbischof der Orthodoxen Kirche von Äthiopien, ihm assistierte ein Repräsentant des koptischen Patriarchen von Alexandria.
Seine Majestät erhob sich, um Kirche und Staat seine Loyalität zu geloben und zu versprechen, das Wohl seiner Untertanen allen persönlichen Belangen voranzustellen. Bei den Erklärungen und Segnungen empfing er nacheinander die Zeichen seines kaiserlichen Amtes: die königlichen Insignien, die mit Gold verzierte scharlachrote Robe, den juwelengeschmückten Säbel, das Zepter und den Apfel, den Ring des Salomon, zwei diamantene Ringe und zwei goldene Lanzen. Der Abuna trat vor und salbte in einem Ritus, der zurückgeht auf die Weihe des David durch Samuel und des Salomon durch Nathan und Zadok, die Stirn des Tafari mit Öl und krönte ihn als Haile Selassie I., Macht der Heiligen Dreieinigkeit, zweihundertfünfundzwanzigster Kaiser der Dynastie Salomons, Auserwählter Gottes, Lord der Lords, König der Könige, siegreicher Löwe vom Stamme Juda. Und dann besiegelte der Abuna den Augenblick mit der Segnung: »Gott möge diese Krone zu einer Krone der Heiligkeit und der Herrlichkeit machen. Und mögest du durch die Gnade und die Segnungen, die wir erteilt haben, einen unerschütterlichen Glauben gewinnen und ein reines Herz, auf dass du die ewige Krone zum Erbe bekommst. Amen.«
Als Selassies ältester Sohn, der Kronprinz Asfa Wossen, vor dem Kaiser in einer Geste höchsten Respekts niederkniete, schossen einhundertundeine Kanone vor der Kathedrale donnernd Salut. Tagelang dauerten die Festlichkeiten in Addis Abeba und im gesamten Kaiserreich, auch bei den Bauern und Kleinstädtern, die von den Krönungsfeiern ausgeschlossen worden waren und sich nicht in den Stadtteilen rings um die Kathedrale hatten aufhalten dürfen. Korrespondenten der internationalen Presse berichteten überschwänglich von den Ereignissen.
In Afrika pries man Selassie als den größten der modernen Monarchen und als Symbol der gigantischen Möglichkeiten des Kontinents. In den USA strömten die Bewohner von Harlem in die Kinos, um die Wochenschauberichterstattung über die Krönung mitzuerleben. In der Karibik war wie an anderen Orten im Westen der Beginn von Selassies Herrschaft für alle unterdrückten farbigen Völker der leuchtende Beweis dafür, dass, wie die Garveyites, die Zurück-nach-Afrika forderten, und die Fanatiker des synkretistischen Rasta-Kults vorhergesagt hatten, der Tag der Erlösung bevorstand.
Für die Garveyites war Haile Selassie ein Held ohnegleichen. Für die Rastas war er der lebendige Gott Abrahams und Isaaks, Er, dessen Name nicht ausgesprochen werden darf.
Bald nachdem Selassie den Thron bestiegen hatte, begann er, demokratische Institutionen einzuführen und ganz allgemein Äthiopien aus seiner feudalen Vergangenheit zu führen. Die neue Verfassung von 1931 machte die 26 Millionen Einwohner Äthiopiens, die zuvor nur Sklaven des Adels gewesen waren, zu Bürgern des Kaiserreichs.