Bob Marley - Catch a Fire. Timothy White
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Ras Tafari war zu dem hervorragendsten Mann in Äthiopien geworden, und er bestand darauf, dass Zauditu ihn zum ›negus‹, zum König, krönte, wobei er damit drohte, er werde sie höchstpersönlich von ihrem Thron vertreiben, wenn sie sich weigern sollte. In einem letzten Versuch, ihn gefügig zu machen, schickte Zauditu die große Armee ihres Mannes gegen die Streitkräfte des Ras Tafari, aber sie unterlagen und ihr Mann wurde getötet. Am 2. April 1930, zwei Tage nach dem Sieg des Ras Tafari, war auch Kaiserin Zauditu tot, und die Umstände, unter denen sie ums Leben kam, sind bis heute nicht geklärt.
Ein schmaler, scheinbar zerbrechlicher Mann, der kaum über einen Meter sechzig groß war und den man nur selten hatte laut sprechen hören, ein Mann, der vor gut zwanzig Jahren ohne Eltern und starke Verbindungen dagestanden hatte, die ihm politisch den Weg hätten ebnen können, hatte es geschafft, gegen alle Erwartung schließlich auch noch den letzten seiner Gegner herauszufordern, zu überlisten und aus der Welt zu schaffen.
In Addis Abeba gingen die Gerüchte um, dass sogar die engsten persönlichen Berater des Ras Tafari voller Furcht vor ihm waren, dass es ihnen widerstrebte, ihm die Hand zu schütteln oder ihm direkt in das ausgeprägte Gesicht mit seiner spitzen Nase, dem spärlichen Bart und den durchdringenden, fast schwarzen Augen zu sehen, all das umrahmt von wilden, buschigen Haaren.
Viele seiner Landsleute fühlten sich erinnert an die biblische Vorhersage, dass nach dem Letzten Krieg ein König der Könige aus Jesses Wurzel im Lande Davids gekrönt werde, ein Mann, dessen Augen wie Flammen des Feuers, dessen Haar wie Wolle und dessen Füße schwarz sein würden wie brennende Bronze, und dass dieser größte aller Könige den Tod besiegen und das Jüngste Gericht abhalten werde, nachdem er den Thron Babylons umgestoßen hatte, und alle, die Anspruch erhoben auf zeitweilige Macht, und ihre fehlgeleiteten Anhänger hinabstoßen werde in das Nichts.
Seltsame Geschichten begann man sich zu erzählen über die Kindheit von Tafari, und darin hieß es, er könne mit den Tieren sprechen. In seiner Jugend, so wurde behauptet, habe man ihn des Öfteren im Busch mit Leoparden und Löwen sich unterhalten sehen, und die wilden Bestien des Dschungels seien zahm gewesen zu seinen Füßen, so wie sie Jahrhunderte zuvor auf den berühmten äthiopischen Eremiten, den Heiligen Abbo, reagiert hätten.
Weiter wurde gesagt, dass Tafari als junger Student sehr klug und fähig gewesen sei, dass er aber die Priester wahrhaft erstaunt habe mit seinem ausgedehnten religiösen und mystischen Wissen. Nicht nur könne er nach Belieben zitieren aus dem Kebra Negast, sondern auch aus dem Buch von Kufale, dem Buch von Enoch, dem Hirten von Hermas, Judith, Ecclesiasticus, Tobit, dem Matschafa Berhan (Buch des Lichts), dem Sechsten und Siebten Buch Mose, den Büchern von Eden (während des Mittelalters heimlich aus der Genesis entfernt), allen einunddreißig Büchern der hebräischen Bibel, den einundzwanzig kanonischen Büchern des Neuen Testaments und zahlreichen anderen apokryphen und pseudo-epigraphischen Werken.
Es ging eine Geschichte, wonach ein einheimischer Priester in Harar den jungen Tafari kurz nach dem Tode seines Vaters besucht habe und wissen wollte, woher sein so weitreichendes Wissen stamme. Tafari erwiderte, ein Großteil sei ihm im Augenblick der Taufe gekommen, die der Tradition gemäß am vierzigsten Tag seines Lebens stattgefunden habe. Der Priester, der die Zeremonie leitete, habe Tafaris Augen mit der ersten Berührung des heiligen Chrisam geöffnet, und alles, was folgte, sei dem Säugling verständlich gewesen, als sei er schon erwachsen. Der Priester sprach seinen Nachnamen aus, daran könne er sich erinnern, und dann seinen Taufnamen, und dann habe er sanft an Tafaris Gesicht geblasen, um die bösen Geister zu vertreiben. In diesem Augenblick, so behauptete Tafari, habe er sich von einem goldenen Glanz umfangen gefühlt, und als der Priester begonnen habe, ihn zu salben, mit Wasser seine Stirn, seine Brust, seine Schultern und alle anderen siebenunddreißig vorgeschriebenen Stellen zu berühren, da habe er gefühlt, wie sein Wissen sich vergrößerte, wie es ihn anfüllte wie ein Gefäß und ihn ausstattete mit der großen klaren Erkenntnis über die Schöpfung und die wahre Aufgabe der Menschheit.
In den Wochen danach seien jedoch das Wissen und jenes besondere Gefühl der Klarsicht scheinbar immer weniger geworden.
Wann es wiedergekommen sei, habe der Priester gefragt.
Als die Vögel und die wilden Tiere und sogar die Insekten begonnen hätten, ihn zu begrüßen und mit ihm zu sprechen, ihn an das zu erinnern, was er schon wusste, habe Tafari geantwort.
Welches sei das erste Geschöpf gewesen, das mit ihm gesprochen habe?
Tafari habe um ein Blatt Papier ersucht und um Kreiden und mit außergewöhnlicher Leichtigkeit das Bild eines Vogels gezeichnet. Es habe einer Taube geglichen, aber ihr Gefieder sei bunt und exotisch gewesen. Der Priester habe Tafari fragen wollen, um was für einen Vogel es sich handele, und in eben dem Moment habe er verblüfft mit ansehen müssen, wie der Vogel von dem Blatt Papier aufgestiegen und aus dem nahen Fenster davongeflogen sei, hinauf in den Himmel, wo er verschwand.
Die Nachricht von dem merkwürdigen Sohn des verstorbenen Gouverneurs verbreitete sich in den Provinzen rasch und diskret durch das Netz der ›liqe kahnat‹ (Oberpriester), und es heißt, sie vereinbarten mehrere geheime Versammlungen mit ihm, um ihn zu befragen und nach Möglichkeit bei etwas zu ertappen, was nach ihrer Meinung blasphemischer Unfug oder heidnische Zauberei war.
Bei einer dieser Versammlungen soll der Junge verdeutlicht haben, er sei gut vertraut mit den seltenen Manuskripten Abba Aragawis und jener koptischen Mönche, die man die »neun Heiligen« nannte. Sie waren im Jahr 480 nach Äthiopien gekommen und hatten in der Provinz Tigre die ersten Klöster gegründet. Außerdem enthüllte er, er kenne die okkulten Anwendungen Urims, Thummims und der Mezuzah ebenso wie die Verwendung der in der ägyptischen Zauberei vorkommenden magischen Worte ›gematria‹ und ›notarikon‹ und die magischen Namen Adonay, El und Elohe. Er zeigte Vertrautheit mit den kabbalistischen Lehren, den Schriften Gilgameschs, den heidnischen Riten des Isis-Kults, wusste von der Schlange Arwe und den abessinischen Göttern von der Erde (Meder), Meer (Beher) und Krieg (Mahem), und kannte die Geheimnisse der Astrologie und Numerologie. Am wichtigsten jedoch war: Tafari offenbarte den Priestern sein Wissen über die wichtigsten Botschaften des Ägyptischen Totenbuches und des ägyptischen Buches der zwei Wege.
In der altägyptischen bzw. koptischen Sprache bedeutet das Wort für Zauberer ›Schreiber im Haus des Lebens‹. Männer, die man so bezeichnete, waren als freundliche, weise Menschen bekannt, nicht als gottlose Schwindler, und das Ersuchen des Volkes um Zaubersprüche, die das Böse fernhalten sollten, stellten für sie eine alltägliche Aufgabe dar. Es gab jedoch verschieden offizielle Riten, die nur Zeremonien von äußerster Ernsthaftigkeit vorbehalten waren, unter anderem dem Heb-Sed-Fest, zu dem der Pharao, wenn er dreißig Jahre geherrscht hatte, ins etwa 30 Meilen von der Großen Pyramide entfernte Sikkah reiste. Dort, an einem heiligen, von gewaltigen Monumenten flankierten Ort, musste der in die Jahre gekommene Pharao laufen, springen, ringen und tanzen und wurde auf geheimnisvolle Weise verjüngt und wieder mit der Vitalität eines Heranwachsenden versehen. Es gab auch ein Ritual namens ›Zerbrechen der Roten Krüge‹, wobei roten Tonschalen aus Theben und menschliche Figürchen aus Sakkarah in peinlich genauer Folge zerschmettert wurden, um die Feinde des Herrschers abzuwehren oder zu vernichten.
Diese Riten wurden unter der Aufsicht älterer koptischer Zauberer durchgeführt, aus dem gleichen Männerorden, den der Pharao einst gebeten hatte, seine Zauberkunst im Wettstreit