Bob Marley - Catch a Fire. Timothy White

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Bob Marley - Catch a Fire - Timothy  White Rockgeschichte

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den Betrüger, der die Leichtgläubigen hinters Licht führt, indem er den Eindruck erweckt, über die Kraft des ›obeah‹ (Hexerei) zu verfügen. Hätte er sich einer Chemotherapie unterzogen oder einer Strahlenbehandlung und der unausweichlichen Tatsache gestellt, dass seine Löwenmähne aus Dreadlocks ihm in Klumpen vom Kopf gefallen wäre. Hätte er nicht den vollgekifften Speichelleckern geglaubt, die um ihn herumscharwenzelten und behaupteten, er sei der ›talawa (furchtlose und unüberwindliche) Tuff Gong‹, einer der stählernen Finger an der Hand des allmächtigen Jah. (Marley verdiente sich den Titel Tuff Gong durch seinen wilden Mut als Straßenkämpfer. Gong war zudem der Beiname des früheren Rastafari-Führers Leonard Howell. Die Bedeutung des Beinamens stützt sich auch auf die Tatsache, dass es in einigen Rasta-Siedlungen Sitte ist, dass ein neues Mitglied am Eingang einen Gong schlägt, um seinen ersten Schritt in die Obhut der Gemeinde zu verkünden. Nach Bobs Tod behauptete Bunny Wailer, der Begriff habe ursprünglich ›Tuff Gang‹ geheißen, wobei Bunny der Chef der Gang gewesen sei.)

      Und jetzt liefen die bösartigen und absichtlich nicht behandelten Krebszellen Amok, suchten sich ihren Weg in Marleys spindeldürren Körper wie die gefräßigen und in Bäumen wohnenden jamaikanischen ›Stinkameisen‹, die hinaufeilen in die Zweige des Ackee und die reifen Früchte von innen heraus aufzehren. Er rechnete damit, noch ein Jahr in Qual verbringen zu müssen, vielleicht auch zwei, bevor das Ende kam. Er fragte sich, ob er vielleicht im Schoß des weißen Amerika sterben würde, wenn er sich dort auf seiner bevorstehenden Tournee befand, und er sann nach über die Ironie, die in einem solchen Schicksal lag.

      Als Schallplattenkünstler hatte er seine größten kommerziellen Erfolge ebenso wie bei den Kritikern in Amerika und Europa gehabt, wo die jungen Weißen fasziniert waren von der ethno-politischen Kraft seiner bissigen Reggae-Hymnen und hypnotisiert von ihrem rhythmischen Pulsschlag, dessen Betonung gegen alle Erwartung ist. Auf Jamaika, wo er geboren war, verehrte man ihn als Rockstar und als Volkshelden, und er war ebenso berühmt dafür, dass es ihm gelang, das weiße amerikanische und europäische Publikum mit seinen Songs über die schwarze Vergeltung zu fesseln, wie dafür, dass er die Mitglieder der jamaikanischen Kreolen-Kultur veranlasste, mit Stolz zu dem Herzschlag ihres eigenen Kummers und ihrer Narretei zu tanzen. Und von den Großstadtzentren Japans bis zu den Diskotheken in Rio de Janeiro hatten Millionen von Menschen ihre ureigenen Gründe, sich von Marleys Magie verhexen zu lassen.

      Später an jenem Abend in Salisbury sollte er miterleben, wie sich die rhodesischen und britischen Standarten senkten und die neue Flagge von Simbabwe aufgezogen wurde, wie einundzwanzig Kanonen kaum fünfzig Meter von ihm entfernt Salut schossen. Noch war der erste Tag der offiziellen Freiheit nicht zu Ende gegangen, und schon hatten sich die Menschen gegeneinander erhoben.

      In Afrika wurde er verehrt als Apostel des Pan-Afrikanismus, als charismatischer Entertainer, dessen elementare Leidenschaft auf dem Kontinent, wo die sprechende Trommel erfunden worden war, bereitwillig ins Herz geschlossen wurde. Doch als er von der Bühne miterleben musste, wie die Menge den Kampf gegen sich selbst ausfocht, erkannte er, dass man seiner Musik und seiner Botschaft nicht zugehört hatte. Und er fühlte, dass man ihm anscheinend nirgends genügend Aufmerksamkeit schenkte, um zu hören, was immer stärker in ihm brodelte, um nachzuempfinden, welche Furcht da in jemandem wütete, der versuchte, einen religiösen Gedanken zu erklären, den er sich schon vor langer Zeit zu eigen gemacht hatte, aber in eben diesem Moment besonders intensiv erlebte: dass es keinen sicheren Ort gäbe für den sterblichen Menschen.

      Der millenarisch-messianische Kult des Rastafarianismus, den Marley durch seine Musik propagiert, verdankt einen Teil seiner Ideologie den Lehren des Marcus Mosiah Garvey, eines Fürsprechers der ›Rückkehr nach Afrika‹. Am 17. August 1887 in der Stadt St. Ann’s Bay in dem jamaikanischen Pfarrbezirk St. Ann geboren, war Garvey (mit dem Beinamen ›Mose‹) eines von elf Kindern eines ehemals wohlhabenden Druckers. Er stammte ab von den Maroons, einer Gruppe von ursprünglich fünfzehnhundert afrikanischen Sklaven, die 1655 von ihren spanischen Herren freigelassen worden waren und sich in das undurchdringliche Innere der Insel zurückgezogen hatten, als Cromwells Truppen Jamaika besetzten. (Maroon ist eine verfälschte Form des spanischen Wortes ›cimarron‹, das ›aufrührerisch‹ bedeutet.) Garvey kam nach Kingston, bevor er zwanzig wurde, und sammelte während eines größeren Druckerstreiks im Jahre 1907 einige Erfahrungen als Arbeiterführer und Redner.

      Nachdem der Arbeitskampf beigelegt war (zugunsten der Unternehmer, da sich die Gewerkschaft aufgelöst hatte, nachdem ihr Schatzmeister sich mit den Rücklagen davongemacht hatte), verließ Garvey Jamaika, um längere Zeit zu reisen. Finanzieren tat er das durch Gelegenheitsarbeiten. Zuerst machte er in Costa Rica Station, wo er gegen die beklagenswerten Arbeitsbedingungen für Schwarze bei dem britischen Konsul protestierte. Auf seinen Protest erfolgte keine Reaktion. Als Nächstes begab er sich nach Bocas del Toro in Panama, wo er seine nur kurzlebige Zeitung mit dem Namen La Prensa gründete. Auf seinen weiteren Reisen durch Ecuador, Nicaragua, Honduras, Kolumbien und Venezuela konnte er immer wieder beobachten und erleben, wie man die billigen Arbeitskräfte in den Minen und auf den Tabakfeldern ausbeutete. Mit ihnen diskutierte er ihr bedauernswertes Los in dem von den Weißen beherrschten Westen.

      Als er sich 1912 zu einem Besuch in London aufhielt, machte er die Bekanntschaft des sudanesisch-ägyptischen Gelehrten Duse Mohammed Ali, Autor des hochgeschätzten Buches In The Land of the Pharaohs, und ihre Diskussionen vermittelten Garvey Einsichten in die historische und religiöse Bedeutung der schwarzen Diaspora. Auch beschäftigte er sich sehr intensiv mit den Schriften von Booker T. Washington, insbesondere mit Up from Slavery. Größten Einfluss auf Garvey hatte wahrscheinlich Ethiopia Unbound – Studies in Race Emancipation von Casely Hayford, das 1911 in London erschien und dort bei den Mitgliedern der kleinen schwarzen Intellektuellengemeinde auf der Stelle zu einem Klassiker wurde. Der Roman Ethiopia Unbound erzählt die Geschichte eines jungen Afrikaners, der die Goldküste verlässt, um in England zur Schule zu gehen, und der wieder nach Hause zurückkehrt, um sich dem politischen Protest zu widmen. Die Vorstellungen des Buches über die Errettung der afrikanischen Rasse hatte der Autor Casely Hayford bezogen aus dem Werk des Missionars und Professors Edward Wilmot Blyden aus Sierra Leone, des anerkannten ›modernen Propheten‹ schwarzer Emanzipation.

      »Das Werk von Männern wie Booker T. Washington und W.E. Burghart Du Bois ist exklusiv und provinziell«, sagt der Protagonist des Buches in einer Szene im Hörsaal. »Das Werk von Edward Wilmot Blyden ist universell, umfasst die ganze Rasse und das ganze Problem.« Der Dozent geht gar so weit, Blyden zu beschreiben als »den größten lebenden Exponenten des wahren Geistes afrikanischer Nationalität und afrikanischen Menschentums«.

      Solche heroische Ideen und die erhabenen Namen derjenigen, die sie verraten, schwirrten ihm im Kopf, als Garvey im Frühsommer 1914 in Southampton an Bord eines Dampfschiffes ging. Am 15. Juli betrat er wieder jamaikanischen Boden. Ungefähr zwei Jahre war er fort gewesen, und es dauerte weniger als einer Woche in Kingston, da gründete er die Universal Negro Improvement and Conservation Association and African Communities League, eine Organisation, deren Hauptziel es war, ein College-System nach dem Prinzip der Rassentrennung, aber Gleichberechtigung für die schwarzen Jamaikaner einzurichten, das sich an dem Tuskegee Institute von Booker T. Washington orientierte. Das Motto der Vereinigung, offensichtlich angeregt durch eine Zeile aus Ethiopia Unbound, lautete: »Ein Gott! Ein Ziel! Ein Schicksal!«

      Die altehrwürdige britische Tradition, sich zu identifizieren mit den ›Höherstehenden‹, hatte die vorwiegend kreolische Bevölkerung der Insel zu Menschen gemacht, die auf naive Weise danach strebten, die soziale Stufenleiter zu erklimmen, und sich sehnten, ›als Weiß gelten zu können‹. Garvey schrieb später: »Männer und Frauen, so schwarz wie ich oder gar noch schwärzer, hatten sich unter der westindischen Gesellschaftsordnung für weiß gehalten. Es war einfach unmöglich für jemanden, offen die Bezeichnung ›negro‹ zu gebrauchen; und doch nannte ein jeder im Flüsterton den schwarzen Menschen einen ›nigger‹.«

      Die Mehrzahl seines eigenen Volkes blieb Garveys Gedankengängen gegenüber feindlich gesinnt. Es liegt eine besondere Ironie darin, dass seine enthusiastischen

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