Bob Marley - Catch a Fire. Timothy White
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Garvey war ein genialer Medienmanipulator und zeichnete verantwortlich für eine Zeitung namens The Negro World, eine Monatszeitschrift mit dem Titel The Black Man sowie für ein Schifffahrtsunternehmen, das er Black Star Line getauft hatte. Er behauptete, die UNIA habe eine Mitgliederschaft von über zwei Millionen, und organisierte spektakuläre Paraden und Versammlungen im Madison Square Garden, wo er seine Gefolgsleute mit seiner ›Äthiopien, Land unserer Väter!‹-Rhetorik zu Begeisterungsstürmen brachte. Erfindungsreich in seiner Absicht, allenthalben Respekt für schwarze Menschen zu gewinnen, entsandte er sogar eine Kommission zur Konferenz des Völkerbundes, die nach dem Ersten Weltkrieg in Genf stattfand, und ließ von ihr beantragen, dass bestimmte Territorien, die unter der Herrschaft Deutschlands standen, den amerikanischen Schwarzen als Dank dafür überlassen wurden, dass sie geholfen hatten, den Krieg zu gewinnen.
»Wir Neger glauben an den Gott von Äthiopien, den ewigen Gott – den Gott der Götter, Gott den Heiligen Geist, den einen Gott aller Zeiten!«, tönte er. »Dies ist der Gott, an den wir glauben, aber anbeten werden wir ihn, indem wir von Äthiopien auf ihn schauen« – aus dem gelobten Land, das allgemein von afrikanischen Völkern als die Wiege der Zivilisation angesehen und sowohl in der koptischen wie in der King-James-Bibel in solchen Passagen wie folgender aus dem 68. Psalm gepriesen wird: »Princes shall come out of Egypt; Ethiopia shall soon stretch out her hands unto God.« (»Die Fürsten aus Ägypten werden kommen, Mohrenland wird seine Hände ausstrecken zu Gott.«)
Garveys gewichtigste Voraussage, die er angeblich zuerst in seinen Reden vor Jamaikas Ärmsten der Armen formuliert hat (die Mulattenbevölkerung der Mittel- und Oberklassen hatte ihn schon abgewiesen), war die kühne Behauptung: »Seht nach Afrika, auf die Krönung eines schwarzen Königs; Er wird der Erlöser sein.«
Als 1930 Ras Tafari Makonnen, Urenkel von König Saheka Selassie von Shoa, zum Kaiser von Äthiopien gemacht und zum Negus Negesti (König der Könige) proklamiert wurde, sahen Jamaikas Slumbewohner und die Armen vom Lande, für die Garvey so etwas wie ein heldenhaftes Orakel gewesen war, dieses Ereignis als die Erfüllung einer Prophezeiung, in der die Erlösung versprochen war. Tatsächlich hatte schon seit 1784, als der amerikanische Baptistenprediger George Liele die Ethiopian Baptist Church auf der Insel gründete, Äthiopien für die von Sklaven abstammenden Jamaikaner ganz Afrika symbolisiert. Die ›Garveyites‹ reagierten überwältigt auf Zeitungs- und Wochenschauberichte über den Pomp bei Selassies Krönung in Addis Abeba und registrierten die Symbolik in der Wahl seines formellen Titels, denn ›Haile Selassie‹ hat die ehrende Bedeutung ›Macht der heiligen Dreieinigkeit‹. Selassie, das wussten sie, sagte von sich, er stamme in direkter Linie von König Salomon ab, und deswegen kamen sie zu der Überzeugung, er müsse der langerwartete Erretter der auf dem Planeten verstreuten afrikanischen Völker sein.
Garveys Aufforderung (»Seht nach Afrika …«) wird gewöhnlich als jener Funke zitiert, der die Garveyites dazu brachte, jene Sekte zu gründen, die später als Rastafarianusmus (so genannt, weil Selassie so hieß) bekannt werden sollte. In dem Buch Reggae Bloodlines sagt Stephen Davis kurz und bündig: »Rasta beginnt mit Marcus Garvey.« Nach den Ergebnissen neuer Forschungen von Historikern wie Robert A. Hill von der University of California in Los Angeles gibt es keinen Beweis dafür, dass Garvey je in seinem Leben eine solche Voraussage über einen göttlichen schwarzafrikanischen König gemacht hat. Hätte er es jedoch getan, wäre es eine höchst ungewöhnliche Abwendung von seiner streng politischen Haltung, denn obgleich er sich manchmal in seinen Reden kirchlicher Rhetorik bediente, gab er sich weder als Prediger noch als Prophet.
Überdies nahm er eine höchst kritische Haltung gegenüber Selassie ein und betrachtete die erfolgreiche Eroberung Äthiopiens durch Mussolini Mitte der dreißiger Jahre als den Tiefpunkt der kaiserlichen Unfähigkeit des Königs der Könige. Obwohl es Garveys UNIA-Anhängern gestattet worden war, bei einer inzwischen berühmten Straßenparade am Sonntag, dem 4. Januar 1931, zusammen mit Mitgliedern der Black Jews, Plakate von Garvey und Selassie mitzuführen, sollte Garvey selbst später zu einem offenen Widersacher derjenigen werden, die Selassies Göttlichkeit propagierten. Anfang 1933 weigerte er sich unerbittlich, dem Rasta-Führer Leonard Percival Howell die Erlaubnis zu geben, Bilder des Kaisers in Garveys Hauptquartier in Edelweiss Park in Kingston zu verteilen. Und in seinen Begrüßungsworten bei einer Sitzung während des UNIA-Kongresses 1934 »wies Mr. Garvey auch auf den Ras Tafari-Kult hin« – so die Ausgabe der Jamaica Times vom 25. August – »und sprach von ihm mit Verachtung«.
Es hat den Anschein, als sei die aufrüttelnde Mahnung, »nach Afrika zu blicken«, stattdessen von dem Rev. James Morris Webb ausgesprochen worden, einem Geistlichen/Mystiker aus Chicago, der Mitstreiter Garveys war und Autor eines Buchs, das 1919 im Mittleren Westen der USA erschien und den Titel trug: A Black Man Will Be the Coming Universal King, Proven by Biblical History. Webb sprach die schicksalshaften Worte bei einem UNIA-Kongress im September 1924. Und wenn Garvey, wie unbeabsichtigt auch immer, in der Vorstellung der meisten Gläubigen zum Vater des Rastafarianismus wurde, so war er im Grunde nur der Erbe einer Tradition messianischen schwarzen Mystizismus, der schon seit geraumer Zeit auf Jamaika und anderswo blühte.
Der spirituelle Pionier der Zurück-nach-Afrika-Bewegung war Alexander Bedward, ein jamaikanischer Wunderheiler und Kräutersammler, von dem man sagt, er habe in den ersten Jahren nach 1900 in Voraussicht auf den Tag, an dem der schwarze Mann zum Vorherrscher werde, in Spanish Town Wunder vollbracht. Wie so viele seiner umstrittenen Kollegen endete auch er in einer Heilanstalt für Geisteskranke, wo er 1921 eingeliefert wurde und 1933 starb.
Begründet ist der Rastafarianismus jedoch auf der Holy Piby, der ›Bibel des schwarzen Mannes‹, die von einem gewissen Robert Athlyi Rogers aus Anguilla zwischen 1913 und 1917 zusammengestellt wurde. Es war kein Zufall, dass sie im selben Jahr – 1924 – veröffentlicht wurde, als Rev. Webb seine Erklärung abgab. Ein Geistlicher aus Barbados mit Namen Rev. Charles F. Goodridge war in Colon, Panama, auf die geheime Bibel gestoßen. Zur gleichen Zeit wurden jedoch große Mengen des Buches in Newark, New Jersey, von anderen Gläubigen gedruckt, und von dort aus wurden Exemplare der Piby nach Kimberly in Südafrika verschifft, wo Missionare, die die schwarze Vorherrschaft predigten, für die Arbeiter aus den Diamantenfeldern eine Kirche mit dem Namen Afro-Athlican Constructive Church (AACC) gründeten. Bei seinen Bekehrungsbemühungen tat sich Goodridge mit einer Frau namens Grace Jenkins Garrison zusammen, und gemeinsam brachten sie die Doktrin der Holy Piby 1925 nach Jamaika, wo sie unter dem Namen Hamatic Church einen Ableger der AACC ins Leben riefen.
Da sie augenblicklich auf starken Widerstand der Fundamentalisten, der Revivalisten und konventioneller christlicher Kirchenführer stießen, weil sie Anhänger der okkulten Bibel waren, flohen Goodridge und Garrison vor der Verfolgung in das Buschgebiet der Gemeinde von St. Thomas im östlichen Jamaika, und dort wurde die junge Saat des Rastafarianismus gepflegt. Frühe Rasta-Führer wie Leonard P. Howell fanden ihren Weg in die verbotenen Lager, um die Holy Piby zu lesen – angeblich der ersten Bibel am nächsten kommend, von der man sagte, sie sei auf Amharisch geschrieben (jahrhundertelang die offizielle Sprache von Äthiopien, und, wie behauptet wird, die ursprüngliche Sprache der Menschheit). Goodridge und Garrison behaupteten, dass weiße Kirchengelehrte unter den ersten Päpsten die amharische Bibel durch Übersetzung und Bearbeitung