Wie ein Regenbogen. Simon Wells

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Wie ein Regenbogen - Simon  Wells

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„Scuola Romana“ bezeichnete –, deren Vertreter sich als Affront gegen die Accademia di Belle Arti verstanden und sich mit großer Freude entsprechend darstellten.

      Die Abtrünnigen trafen sich an bestimmten Versammlungsorten wie Bars und Kaffeehäusern, besonders im Caffè Rosati und auf der Piazza del Popolo. Da Anita keinen konkreten Lebensentwurf hatte, hing sie gerne mit der künstlerischen Avantgarde der Stadt ab und ließ sich von den radikalen Ansichten beeinflussen, die inmitten von Kaffee, Wein und Tabakrauch die Runde machten. Diese eng verschworene Gemeinschaft von Schriftstellern und Künstlern war so exklusiv und mit sicherem Instinkt verbunden, dass sie sogar einen Spitznamen für ihren Clan prägte – „I Panteri di Piazza del Popolo“ – („Die Panther der Piazza del Popolo“).

      „Das Caffè Rosati wurde von – ich würde es die Spitze der Avantgarde nennen – besucht“, reflektierte Anita 2017. „Dort trafen sich Dichter wie Sandrino Perinna (sic), Maler wie Turcato und Guttuso und Schriftsteller wie Moravia. In dieser Zeit sah man nur wenige Schauspieler oder Regisseure wie Fellini und Antonioni. Die Gruppe war nicht groß, vielleicht 30 oder 40 Personen, während der Rest der Welt das machte, was er heute immer noch macht. Uns zeichnete eine besondere Intensität aus, das Verlangen, alles zu durchdringen und unser Leben in die eigene Hand zu nehmen. Wir waren sehr kreativ, sehr positiv, enthusiastisch und überhaupt nicht ängstlich, wir waren die Erforscher und lebten einen abenteuerlustigen Geist aus.“

      Mit seinem Ruf, Europas glamouröseste Stadt zu sein, zog Rom Magazine und Journale an, die Reflexionen des femininen Glanzes an ikonischen Locations einfangen wollten. Einige hochkarätige Modemagazine gaben kostspielige luxuriöse Foto-Shootings an bekannten Orten in Auftrag (wobei sie die Crème de la Crème der Models buchten), während andere auf den Straßen die zufällig vorbeiziehenden Schönheiten vorzogen.

      Der Playboy gehörte zu den Magazinen, die ihre Leser mit Roms verführerischem Reiz in ihren Bann ziehen wollten. Bedenkt man, dass „Dolce Vita“ ein Schlagwort für sonnenverwöhnte Lebenslust geworden war, wird klar, dass ein ausführlicher Bericht auf mehreren Farbseiten als eindeutiger Kaufanreiz gesehen wurde. In der Februarausgabe 1962 erschien der Artikel „Die Mädchen von Rom (ein Lorbeerkranz für die wunderschönen Signoras der ewigen Stadt)“. Der farbenfrohe Bericht präsentierte neun – erstaunlicherweise sittsam bedeckte – weibliche Persönlichkeiten der Stadt. In dem Mix aus Models, Schauspielerinnen und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens war Anita Pallenberg ebenso vertreten wie einige Stars.

      Anita wurde außerhalb des Caffè Rosati aufgenommen, während sie „einen Espresso in einem Straßencafé trank“, doch die Einstellung vermochte nicht ihre enorme Präsenz einzufangen. Sie trug ein Kopftuch und hielt eine Zigarette in einer Hand. Anita gab sich entrückt und unbestimmt, ein Image, das ausdrückte, dass sie mit nur 19 Jahren ihre Umgebung mühelos kontrollierte. Obwohl es noch zwei Jahre dauerte, bis ihr einzigartiges Charisma erneut mit der Fotokamera erkundet wurde, schien ihr Potenzial – egal, welche Richtung sie einschlagen sollte – grenzenlos zu sein.

      In ihrem Alter und bei ihrer Energie ergaben sich zu dieser Zeit zahlreiche Beziehungen, die aber typischerweise von flüchtiger Natur waren und lediglich einen Übergang darstellten. Eine kurze Liaison mit dem bekannten Fotografen Gianni Penati sollte ihren Status erhöhen. Als seine Geliebte und Begleiterin unternahm sie mehrere Überseereisen. Im Lauf des Jahres 1963 traf sie jedoch auf eine Persönlichkeit, die den wohl nachhaltigsten Eindruck in ihrem bisherigen Leben hinterlassen sollte.

      Mit 29 war Mario Schifano gute acht Jahre älter als Anita, doch das Alter spielte bei einer Gemeinschaft niemals eine Rolle, bei der Talent und Einstellung zählten. Obwohl sich Schifano unter supercoolen Leuten wiederfand, war er mehr als nur ein Gesicht in der Menge. Der Künstler, der Kollagen anfertigte, malte, Filme machte und gelegentlich auch Musik, stellte die lebende Verkörperung der Grundhaltung der europäischen Postmoderne dar.

      1934 in der libyschen Stadt Al-Chums geboren, entfloh Mario den Konventionen schon in einem jungen Alter bei jeder sich bietenden Möglichkeit. Nach dem Umzug nach Rom zeigte er, ähnlich wie Anita, ein eher beiläufiges Interesse an der Schulausbildung und verbrachte mehr Zeit mit seinem Vater, dem er bei der Keramikrestauration im Etruskischen Nationalmuseum assistierte. Später studierte er Bildrestauration und begann gleichzeitig mit der Kreation eigener Werke. Wagemutig, einfallsreich und provokant präsentierte Schifano eine aufsehenerregende Reihe von gelben Monochrom-Arbeiten. Die zuerst 1959 in der Appia Antica Gallery ausgestellte Sammlung wurde weithin beachtet. Obwohl er einen großzügigen, warmherzigen Charakter hatte, war Schifano völlig auf seine Karriere fixiert, wobei er sich kaum Zeit nahm, um sich mit Kritik oder Ratschlägen auseinanderzusetzen.

      Zuerst lag seine künstlerische Daseinsberechtigung vornehmlich darin, sich provozierend dem Einfluss der steifen römischen Kunstakademie entgegenzustellen, doch dann verbreitete sich der Ruf seines außergewöhnlichen Talents in ganz Europa. Mit zunehmendem Selbstvertrauen nahm Schifanos multimedialer Kunstansatz einen größeren Raum in der Öffentlichkeit ein. Er interessierte sich besonders für die urbane Werbung und die Funktionalität von Straßenschildern und etablierte später einen seltenen europäischen Pop-Art-Ansatz.

      Marios gutes Aussehen und sein geschmackvoller Kleidungsstil wurden von einer eher zurückhaltenden Präsenz unterstrichen, die seine Anziehungskraft zusätzlich erhöhte. Anita hatte bereits die Bekanntschaft der meisten Kunstkenner Italiens gemacht, doch Schifano begegnete sie erst 1963. Beide hatten an der Akademie studiert, doch trafen sich erstmalig außerhalb des „freigeistigen“ Caffè Rosati.

      Anita erinnerte sich 2017: „Ein faszinierender Mann. Sehr schüchtern, mit einem Hauch des Unverschämten, doch allgemein ein sanftmütiger Charakter. Er trug immer ausgesuchte Kleidung, Hemden von den Brooks Brothers und seine Jacketts ließ er von Osvaldo Testa anfertigen, einem Halb-Amerikaner. Clarks-Desert-Boots, khakifarbene Hosen und sehr schmale Krawatten gehörten auch zu seinem Modestil. Schifano sah wie ein sensibler Mensch aus, hatte ein sehr zartes Gesicht, sehr süße Augen und ein beinahe kindliches Lächeln.“

      Ihre Welten verschmolzen in vielerlei Hinsicht, wodurch eine feste Beziehung entstand, die Anita veranlasste, in Schifanos Apartment einzuziehen. Fotos des Pärchens aus dieser Zeit zeigen eine warmherzige Symbiose – Anita wirkte völlig vernarrt und Mario mehr als zufrieden, solch eine attraktive Geliebte an seiner Seite zu wissen. Gemäß seiner Lebensmaxime ermutigte er Anita, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen, wurde ihr Mentor und half ihr dabei, ihre „Menagerie“ aus Träumen und Ambitionen zu verwirklichen. Durch ihre Lebenseinstellung zogen die beiden gemeinsame Freunde an.

      Schifanos Kontaktliste erstreckte sich weit über die Grenzen Italiens, und er stellte Anita dem Kunsthändler Robert Fraser vor, einem in der Welt herumtingelnden Geschäftsmann, dessen Mobilität in der Kunstszene die der meisten zeitgenössischen Londoner bei Weitem überstieg. Der stolze, intuitive und in sexueller Hinsicht abenteuerlustige Eton-Abgänger und ehemalige Army-Angehörige hatte die von seiner Klasse diktierte Erwartungshaltung schon weit hinter sich gelassen. Seine Ablehnung der Konventionen grenzte schon an Abscheu, woraufhin er sich genüsslich in der Welt des Bizarren und Verbotenen herumtrieb. Dieser ungewöhnliche Charakterzug wurde später als „Gourmet-Promiskuität“ beschrieben.

      Die Armee konnte Frasers Lust auf das Kuriose und Exotische keineswegs befriedigen (er beschrieb diese Lebensphase als „13 Monate quälender Langeweile“), doch ein Geschenk seiner Mutter von über 10.000 Pfund ermöglichte es ihm, sich der Kunstwelt zu nähern. Er versuchte sein Glück mit einigen New Yorker Galerien und führte Beziehungen mit Ellsworth Kelly und Jim Dine. Fraser legte mehr als einen Finger auf den Puls der Zeit. Während einer seiner regelmäßigen Europareisen erfuhr er von Mario Schifanos aufgehendem Stern und erhob den Künstler in seinen Freundeskreis. Da sich Mario von Frasers Blick für das Schräge und Ungewöhnliche beeindruckt zeigte, entstand schnell eine tiefe Verbundenheit. Daher überrascht es auch nicht, dass Anita bald in Frasers Zirkel auftauchte.

      „Ich

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