Wie ein Regenbogen. Simon Wells

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Wie ein Regenbogen - Simon  Wells

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und Anna Karina hatte sie bereits unter Vertrag, und mit ihrem ausgeprägten Talent und vor allem ihrer Einstellung erarbeitete sie sich einen exzellenten Ruf. Kurz darauf engagierte Harlé Nico, Amanda Lear, Talitha Getty und die Sängerin Marianne Faithfull, womit sie zur wohl eigenwilligsten Agentur weltweit wurde. Anita zählte eindeutig zu den führenden Damen in der Kartei. Angesichts der umfangreichen Kundenliste ihrer Chefin gab es zahlreiche Möglichkeiten, Kontakte zu den höheren Schichten der Pariser Gesellschaft zu knüpfen.

      „Anita und ich waren eng befreundet, zumal wir uns auch äußerlich ähnelten“, berichtet ihre Kollegin, Popsängerin und Model Amanda Lear. „Damals sah ich sie häufig. Wir gingen jeden Abend aus. Da waren Zouzou, Anita und ich und noch einige andere Mädels. Natürlich kifften wir – das war eine wirklich wilde Zeit – und hatten eine Menge Spaß zusammen. Damals – und das traf besonders auf London zu – waren die meisten Mädchen so wischiwaschi, einfach uneindeutig, und wir stellten das exakte Gegenteil dar. Heute verlieben sich die Mädels in Fußballspieler, damals verliebten wir uns in Musiker. Wir repräsentierten ein befreites Frauenbild, verdienten unser eigenes Geld, waren total frei, weigerten uns, von Männern finanziell abhängig zu sein – wir standen für eine neue Generation von Frauen.“

      Harlés mütterliches und enges Verhältnis zu den Models überschritt die reine Arbeitsbeziehung, in der sie die jungen Frauen an Fotografen vermittelte. Sie nahm einige von ihnen unter ihre Fittiche, und da die zahlreichen Zimmer in der Passage Choiseul auch Übernachtungsmöglichkeiten boten, erlaubte sie den Models, da zu schlafen. Ohne einen festen Wohnsitz nahm Anita bei Harlé ein Zimmer und richtete sich auf unbestimmte Zeit dort ein.

      Wie die anderen Models tummelte auch sie sich im Pariser Nachtleben und war häufig auf der Tanzfläche von Clubs wie dem Maxim’s, Chez Regine und Chez Castel zu sehen. Den letztgenannten Club besuchte sie so häufig, dass man ihr dort kostenlosen Zugang gewährte.

      Genau wie schon in Rom zu Beginn der Sechziger wurde sie nun in Paris von der dortigen Clique der Filmemacher angezogen. Während dieser Zeit traf man die Protagonisten der Nouvelle Vague überall in der Stadt an und Anita erinnerte sich später an gemeinsame Abende mit Luis Buñuel und François Truffaut.

      Anita und ihre Kolleginnen schmiedeten bei der Agentur von Catherine Harlé einen engen Bund. Ihre enorme Präsenz in Paris reichte an die der Männer heran oder übertraf sie sogar. Die Popularität von Harlés Agentur war so groß, dass sie von dem Sänger Jacques Dutronc in einem Song verewigt wurde. Der Text zu dem die Charts stürmenden Stück „Les Play Boys“ enthielt eine Zeile, in der die „Models von Catherine Harlé“ erwähnt wurden, inmitten einer Liste glamouröser männlicher Akteure.

      „Aus Catherine Harlés entwickelte sich eine wahre Rock’n’Roll-Agentur“, schreibt Farbrice Gaignault, Autor von Les Égéries Sixties. „In Paris gab es eine Menge starker Frauen, beinahe Outlaws. Die verhielten sich wie Männer und waren für die damalige Kultur sehr wichtig. Sie verängstigten den Pariser Mann ein bisschen, denn Pariser Männer entstammten oft der Bourgeoisie und diese Frauen entsprachen nicht dem gewohnten Bild. Sie waren frei, brachten Kultur und Stil mit sich und den Lebenswandel von Künstlern. Anita war wunderschön, doch auch eine sehr gefährliche Gesellschaft. Hielt man sich in ihrer Nähe auf, wusste man nie, was passieren würde. Sie war so schön und liebte es, mit den Männern abzuhängen, sie stand einfach auf männliche Gesellschaft. Alle Männer waren verrückt nach ihr, doch hatten Angst vor dem, was sie anrichten konnte.“

      Die Auftraggeber wollten zwar oftmals ein durch Airbrush verändertes Bild auf der gedruckten Seite haben, aber ansonsten war die Technik, die eingesetzt wurde, um den richtigen Look zu gewährleisten, eher banal. „Als ich als Model arbeitete“, erinnerte Anita sich 2013, „haben sie dich tatsächlich mit Pfannkuchen aufgepolstert. Und dann kam Helena Rubinstein mit dieser ekligen, dicken Creme … Es war ein Albtraum.“

      Schon zu Beginn war Anita eine absolute Gegnerin des damals populären „Dolly Bird“-Look, der sich in den Medien durchsetzte. Trotz des möglichen Ruhmes, der durch die Zusammenarbeit mit bestimmten Fotografen entstehen konnte, hatte sie nicht die geringste Lust, sich den Anforderungen zu beugen, mit denen man sie in eine bestimmte Richtung drängen wollte. Wie später in Antonionis Film Blow-Up dokumentiert wurde, war der Kult um den aus dem Gefühl heraus, spontan arbeitenden Fotografen Mitte der Sechziger auf seinem Höhepunkt. Dadurch schlich sich bei Aufnahmesessions oft eine chauvinistische Arroganz ein, die alles dominierte. Trotz des Celebrity-Status von Jeanloup Sieff, Guy Bourdin und anderen berühmten Fotokünstlern, für die Anita posierte, beeindruckte sie dieses prahlerische Gehabe nicht die Bohne.

      Anita 2013: „Sie [die Fotografen] fragten mich: ‚Wo sind die Wimpern? Wo hast du deine Mascara?‘ Und ich rieb mir mit dem Finger über das Augenlid, verschmierte alles, worauf die Fotografen ausrasteten. Ich kam mit keinem von denen klar.“

      In ihrem Beruf waren Models zwar durch diese besondere, mächtige Weiblichkeit miteinander verbunden, doch angesichts der Vielzahl derer, die damals durch die pulsierende Pariser Modewelt zogen, stellte sich zwischen den meisten von ihnen höchstens eine flüchtige, oberflächliche Beziehung ein. Dennoch gelang es Anita, einige feste und länger andauernde Freundschaften mit eher angenehmen Kolleginnen zu schließen.

      Wie auch Anita hatte das amerikanische Model Deborah Dixon eine „andersweltige“ Aura, die sie über einen Großteil der Frauen auf dem Catwalk oder bei den Sessions erhob. Ihre Kultiviertheit wurde durch ihre zarte, anziehende Optik noch unterstrichen, dem blassen Gesicht und den herunterfallenden rotbraunen Haaren. Die sehr gefragte Dixon wurde als „Schneekönigin von Texas“ bezeichnet und dominierte während der Sechziger die Seiten der allerbesten Modezeitschriften. Auch sie hatte die „Dolce Vita“-Ära in Rom miterlebt und war während dieser Zeit bei einer Reihe erinnerungswürdiger Shootings für die wichtigsten Magazine zu sehen gewesen.

      1965 wohnte Deborah Dixon jedoch in Paris. Da die Models der zahlreichen Agenturen in verschiedenen Locations rund um die Uhr feierten, dauerte es nicht lange, bis Deborah auf Anita stieß.

      „Sie war spektakulär“, erzählte Deborah. „Es umgab sie eine faszinierende Aura, eine große Verführungskraft, und darüber hinaus war sie auch noch witzig. Anita war belesen und weit gereist, doch immer voller Neugier und einem Gespür für das Abenteuerliche. Sie hatte diese katzenähnliche Würde und ein wunderbares Lachen. Sie bewegte sich auch wie eine Katze. Und sie spielte wie eine Katze mit den Menschen – nicht aus Boshaftigkeit heraus, sondern weil sie es konnte. Ich glaube, dass sich viele Leute von Anita vor den Kopf gestoßen fühlten, denn sie entsprach nicht dem Durchschnitt.“

      Anita hatte bei Catherine Harlé anerkanntermaßen eine sehr produktive Zeit als Model, doch scheint sie ihren Beruf mit einer dilettantischen Einstellung ausgeübt zu haben – eine Tatsache, die ihren Freunden und Bekannten nicht verborgen blieb.

      „Ehrlich gesagt strebte Anita keine ernsthafte Model-Karriere an“, urteilte Deborah. „Sie arbeitete hier und dort, aber ich glaube nicht, dass sie das Modeln sonderlich interessierte – es war ein netter Weg, um ein gutes Leben zu führen und herumzureisen. Ich glaube nicht, dass sie sich allzu viel Mühe gab [eine Karriere aufbauen].“

      „Ich arbeitete schon bei der Agentur von Catherine Harlé, als ich ihr begegnete“, erinnert sich die Kollegin Zouzou heute. „Ich traf sie im Castel’s zusammen mit ihrem Freund Dennis Deegan [Schauspieler und Warhol-Mitarbeiter]. Niemand kannte sie näher. Anita arbeitete nicht viel. Im Grunde genommen arbeitete sie kaum. Vielleicht machte sie ein oder zwei Fotosessions, war wirklich nicht geschäftstüchtig. Wenn ich sie sah, dann meistens in den Nachtclubs.“

      „Anita war einfach anders“, berichtet die französische Sängerin und Dalí-Muse Amanda Lear. „Sie stand für einen aggressiven Look, einen Look, der ausdrückte, dass sie nicht nur ein Püppchen war. Schon damals hatte sie eine dominante Einstellung. Statt in die Fußstapfen

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