Wie ein Regenbogen. Simon Wells
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„Ich kam ’65 mit Andy in Paris an“, berichtet Malanga. „Anita erschien mit Denis Deegan – einem sehr engen, gemeinsamen Freund, der sich in der Stadt aufhielt – und Stanislas de Rola alias ‚Stash‘. Die drei holten mich vom Hotelzimmer ab und wollten mich zur Lesung in die Galerie geleiten. Sie hatten einen dicken, länglichen Klumpen marokkanisches Haschisch dabei, eingerollt in einer Ausgabe von Le Temps, damit es wie ein Baguette aussah. Kurz darauf füllte sich das ganze Zimmer mit dichten Rauchschwaden, da sie mich total dicht erleben wollten. Als wir die Galerie von Ileana Sonnabend erreichten, waren meine Lippen ziemlich trocken, doch ich hielt durch und schaffte die Lesung.“
Etwas mehr als ein Jahr war vergangen, seit Malanga Anita in New York gesehen hatte, und ihn beeindruckte ihre Verwandlung in eine selbstbewusste Frau.
„Als ich sie erstmals in New York traf, wirkte sie eher reserviert“, erklärt Malanga heute, „doch in Paris nahm sie mich sofort in den Arm. Sie war zu einer offenen Persönlichkeit gereift – und ich liebte das. … [Anita] strahlte eine Selbstsicherheit und Zuversicht aus, die mich erstaunte.“
Diese Selbstsicherheit ist auf einem bizarren Foto zu erkennen, das bei der Flowers-Eröffnung geschossen wurde. Neben Malanga und Warhol sieht man Anita mit der Schauspielerin Edie Sedgwick, dem Veranstalter Chuck Wein und Stash. Ohne einen erkennbaren Grund hielten sie Kaninchen in ihren Armen.
Mit zunehmendem Selbstvertrauen und reisefreudig tauchte Anita im Sommer in Italien auf und ließ sich in einem durchsichtigen Regenmantel ablichten. Allerdings trug sich nichts darunter. Ein anderes Foto zeigte sie in einer alpinen Location, kaum bekleidet, vor den schneebedeckten Bergen.
Für Anita war die Welt ihr Zuhause und das schon in einem Alter von nur 22 Jahren. Das Tempo ihres Lebensstils ermöglichte ihr nur selten eine „Bestandsaufnahme“ ihrer Leistungen. „Ich war mir eigentlich über nichts im Klaren“, erzählte sie Ruby Wax 1999. „Ich wusste, dass ich von einem Ort zum anderen reiste und meist in einer anderen Sprache redete. Da ich niemals zu Hause war, stellte sich kein Gefühl für ein Zuhause ein. Ich fühlte mich wie eine Zigeunerin.“ Im September 1965 wurde Anita von Catherine Harlé zu einer Fotosession nach München geschickt. In der Stadt herrschte Vorfreude auf das Oktoberfest, und das junge Model baute eine starke Beziehung zu den deutschen Medien auf, besonders zum zukunftsweisenden Magazin Twen, das sich darüber freute, ihre körperlichen Vorzüge zu vermarkten. „Ich arbeitete als Model in Deutschland, da sie täglich abrechneten“, erinnerte sie sich gegenüber dem Guardian. „Das gefiel mir natürlich. In Frankreich oder Italien erhielt man sein Honorar erst mehrere Tage [nach den Aufnahmen].“
Abgesehen von den finanziellen Aspekten stellte sich der Auftrag in München als geradezu schicksalsträchtig für sie heraus, denn die Termine fielen mit zwei Shows der Stones am 14. September im Circus Krone-Bau zusammen. Es wurde zu einer waschechten britischen Show, denn neben den Stones als Hauptattraktion traten die Spencer Davis Group und eine stilistisch ähnliche Gruppe auf, nämlich die ruppigen und krachenden Troggs. Die Stones badeten im Erfolg der Single „(I Can’t Get No) Satisfaction“, die die zweite Woche den ersten Platz in den USA belegte, doch abseits der Bühne nahm die Band Brian Jones in die Mangel. Sein privates Leben stellte ein emotionales Minenfeld dar und seine Einstellung war den Kollegen ein Gräuel. In Kürze sollte eine Vaterschaftsklage öffentlich gemacht werden, und der ständige Streit verdeutlichte, dass Jones auch schon in großer Distanz zum Rest der Gruppe stand. Doch auch Jones hatte sich nicht gerade liebenswürdig gegenüber den anderen verhalten und – sehr zu ihrem Ärger – bei Auftritten während „Satisfaction“ einen Auszug aus dem Popeye-Thema genudelt.
Während die 3000 Zuschauer im Circus Krone nichts über die Streitigkeiten und das böse Blut innerhalb der Band wussten, gab es andere, die das Besondere in Jones’ enigmatischer Präsenz spürten – und dazu gehörte auch Anita.
Unter den Anwesenden in der Menge fand sich auch Bent Rej. Dem jungen dänischen Fotojournalisten war es gelungen, eine dauerhafte kreative Beziehung zu den Stones aufzubauen. Sie gewährten ihm für eine Serie von Bildreportagen sogar Zugang zu ihren Privatwohnungen.
Rej hatte eine solide Beziehung zu Jones aufgebaut, und wie sich durch die Aufnahmen der beiden München-Gigs belegen lässt, war sich Brian der Präsenz des Fotografen bewusst, da er einen intensiven Augenkontakt zur Kamera hielt. Wenn Jones den Fotografen in einer Menge von Tausenden ausrastenden Menschen fokussieren konnte, war es wahrscheinlich, dass er auch Anita mit ihrer unverkennbaren Ausstrahlung entdeckte.
Rej schoss einige Fotos von der Bühnenseite und aus der Perspektive des Zuschauerraums. Nach dem ersten Konzert, das mit einem Einsatz der Polizei endete, die den Veranstaltungsort stürmte, drängelte sich Rej zur Garderobe durch, wo sich die Band auf ihre zweite Show vorbereitete.
„Ich machte mich vom Auditorium zum Backstage-Bereich auf“, erinnert sich Rej. „Da kam ein Mädchen auf mich zu und bat mich, sie mit den Stones bekannt zu machen. Sie war sehr hübsch und ich zögerte nicht – es war ja Teil meines Jobs. Ihr Name lautete Anita Pallenberg.“ Mithilfe von Rejs Journalisten-Status gelangte Anita in die Garderobe der Band. Sie hatte es darauf angelegt, die Musiker zu beeindrucken, und stellte an diesem Tag das Sinnbild der verführerischen Eleganz dar. Anita trug einen beigen Pelzmantel, einen knallengen Pullover und einen modischen Minirock. Das atemberaubende Erscheinungsbild wurde von dunkelster Wimperntusche verstärkt. Ihre Präsenz – für diejenigen, die sich von der Optik überzeugen ließen – wurde noch durch ein packendes Mitbringsel verstärkt. Sie trug einen Klumpen Haschisch bei sich und einige der aufputschenden Amylnitrit-Poppers.
Die Stones waren bei dem ersten Auftritt mit einer alle Grenzen sprengenden Hysterie empfangen worden, doch in der Garderobe herrschte eine eher bedrückte Stimmung. Man hatte die Band in einen abgelegenen Teil der Räumlichkeiten verfrachtet, der eigentlich für Bierfeste, Zirkusdarsteller und -tiere vorgesehen war. Dort einige Stunden auf den nächsten Auftritt zu warten, stellte sicherlich keine große Freude dar. Pallenbergs Erscheinungsbild und das gebrochene Englisch, gespickt mit Akzenten mehrerer Sprachen, wurde vermutlich mit Interesse, wenn nicht sogar hochgezogenen Augenbrauen honoriert. Zwar war ihr Jones schon früher in dem Jahr begegnet, doch es war höchst unwahrscheinlich, dass einer der anderen Musiker, übersättigt von Celebritys überall auf der Welt, sie kannte – trotz der Veröffentlichungen in zahlreichen Modemagazinen. Angeblich gab es keine anderen weiblichen Besucher, woraufhin Anita den Raum durchstreifte, um das Gesehene schnell einzuschätzen.
„Die waren wie Schuljungen“, berichtete sie später. „Sie sahen mich an, als sei ich eine Bedrohung. [Mick] Jagger versuchte mich runterzuputzen, doch ich ließ es nicht zu, dass mich ein ruppiger Typ mit dicken Lippen fertigmachte. Ich konnte ihn leicht abwürgen und fand schnell heraus, dass Mick in sich zusammenfällt, wenn man ihm die Stirn bietet.“
Anita bot Mick und Keith ihren narkotischen Warenbestand an und behauptete seitdem, dass die Dogen schlichtweg abgelehnt wurden. Sie fühlte sich durch diese Ablehnung wie vor den Kopf gestoßen und gesellte sich zu Brian. Allerdings existieren keine Berichte darüber, dass einer von ihnen sich an die Pariser Begegnung erinnerte (oder sie angesprochen hätte).
Jones fläzte sich auf einem Sofa im Backstage-Bereich und wirkte distanziert von den anderen. Das Haar ließ ihn wie das Abbild einer blonden Gottheit erscheinen, er trug einen weißen Rollkragenpullover sowie weiße Jeans und saß breitbeinig auf dem Möbel. Sogar ohne Socken war er das am modischsten gekleidete Mitglied der Gruppe. Anitas blondes Haar, die langen Beine und die elegante Haltung bezauberten ihn, doch war es vor allem ihre furchtlose Präsenz, die seine Aufmerksamkeit