Wie ein Regenbogen. Simon Wells
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„Ich begegnete Anita zum ersten Mal Anfang Sommer 1964“, erinnert sich Rola heute. „Es war im Apartment des Hauses eines Philosophen namens Alain Jouffroy. Vince Taylor und ich lagen zusammen mit dem unglaublich attraktiven amerikanischen Model Johanna Lawrenson im Bett, eine Freundin von Anita. Als wir am Morgen aufwachten, sahen wir dieses atemberaubende Mädchen, das in der Sonne auf der Terrasse stand und uns mit einem unwiderstehlichen süffisanten Lächeln ansah. Sie musste das erst mal checken – ihre Freundin mit zwei Typen im Bett.“
Später in dem Jahr – Anita war wegen eines Modeljobs in Spanien – traf sie Stash de Rola wieder, der mit Vince Taylor tourte. Es entwickelte sich eine enge Freundschaft. Während die Stones Ostern 1965 in Paris einfielen, lebten sowohl Anita als auch Stash in der Stadt. Es war naheliegend, dass sie bei dem Konzert im L’Olympia auftauchte.
Nach dem Gig verließ ein Grüppchen mit Stash und einigen Freunden den Veranstaltungsort, um das Pariser Nachtleben zu erkunden. Die Stones gingen an diesem Abend getrennte Wege, und Brian Jones suchte eher exklusive Gesellschaft.
In dem Kreis um ihn befanden sich bereits die Sängerin Françoise Hardy, ihr Partner, der Fotograf Jean-Marie Périer, Stashs Freundin Anita Pallenberg und das exotische Model/die Sängerin Zouzou (alias Danièle Ciarlet). Letztere hatte in dem Jahr für ein kleines Skandälchen gesorgt, als sie den eher reservierten Ballett-Star Rudolf Nureyev auf das Tanzparkett gezogen hatte, um ihn so richtig durchzuschütteln. Das war für damalige Zeiten eine gewagte Einlage, die von den sensationshungrigen französischen Paparazzi ausgeschlachtet wurde.
Die kleine Gruppe stürzte sich ins Pariser Nachtleben, angeführt von Jones, dessen Celebrity-Status ihn über die anderen erhob. Anita mag Brians öffentliches Erscheinungsbild gut unter die Lupe genommen haben, doch sie konnte wohl kaum die Komplexität erahnen, die hinter dem coolen Auftreten lag.
Der phänomenale Erfolg hatte den Stones einen unermesslichen Reichtum eingebracht, aber im Jahr 1965 war Brian Jones’ Präsenz weniger offensichtlich als die der beiden Frontmänner Jagger/Richards. Und wie um diesen scheinbaren Widerspruch zu verstärken, stand Jones für einen Look, der elegant war, aber auch reserviert wirkte. Sein Erscheinungsbild spiegelte seine Herkunft aus der oberen Mittelschicht in dem verschlafenen Cheltenham in Gloucestershire wider.
Brian war zwar nicht in der Lage, überzeugend zu singen oder eigene Songs zu schreiben, besetzte aber eine kultige Nische, was ihm enormen Respekt von seinen Zeitgenossen in der Musikindustrie einbrachte. Jones’ Geschicklichkeit als Multiinstrumentalist hatte sowohl seinen Status erhöht als auch für eine seltene Textur im Klangbild der Stones gesorgt. Dennoch wussten nur die wenigsten – angesichts der Dominanz des kraftvollen Duos Jagger/Richards –, dass die Rolling Stones das Baby von Brian Jones waren. Es war eine Kreation, die er hartnäckig etablierte, bevor sie ihm von anderen Kräften aus den Händen gerissen wurde.
Ungeachtet seiner kreativen Stärke und des Status des Bandgründers musste er sich mit zahlreichen psychisch-sexuellen Problemen und einer Paranoia herumschlagen, was seinem stark angegriffenen Ego schadete und das chauvinistische Verhalten zusätzlich verstärkte. „Es ist kein Wunder, dass ich mich noch nicht fest gebunden habe“, bekräftigte er in einem Feature im Magazin Fabulous Anfang 1965. „Wie viele Mädchen könnte ich finden, die mir meinen Tee machen, das Essen kochen, mein Haus putzen und sich auf einer intellektuellen Ebene mit mir unterhalten, während ich die Füße hochlege?“
Aufgrund seines Celebrity-Status konnte er viele Frauen gewinnen, doch nur wenige waren in der Lage, Jones’ ausgeprägte Libido zu befriedigen. Trotz mehrerer anhängiger Vaterschaftsklagen hielt er ständig Ausschau nach „Frischfleisch“. Brian mochte eine eher gehobene Gesellschaft – was sowohl das intellektuelle Niveau als auch den sozialen Status anbelangte –, stammte er doch selbst aus der aufstrebenden Mittelschicht. Die elegante Truppe, die in dieser Nacht das L’Olympia verließ, war ganz nach seinem Geschmack.
Sie legten den ersten Stop beim Chez Castel im Stadtbezirk Saint-Germain ein, einem beliebten nächtlichen Treffpunkt der Mädchen von Catherine Harlés Agentur. Im Gegensatz zur glamourösen Kleidung der anderen trug Anita nur eine eher schlichte, blassblaue Lederjacke, die kaum ihre atemberaubende Präsenz erkennen ließ. Jones schien von Beginn an seine Chancen bei dem Model Zouzou abzuwägen. Ihre außergewöhnliche Erscheinung und Ausstrahlung regten seine ausgeprägte Abenteuerlust an. Die Gruppe hatte den Abend mit einigen starken Joints eingeläutet und langweilte sich schnell im Chez Castel, woraufhin sie sich in das ruhigere Ambiente von Donald Cammells und Deborah Dixons Wohnung zurückzogen, wo sich eine Party traditionell immer bis in die frühen Morgenstunden erstreckte.
Dort angekommen, versuchte Jones, Zouzous leichte Reserviertheit zu durchdringen und ihr rudimentäres Englisch zu verstehen. Jedoch lenkte ihn Deborahs geradezu ätherische Präsenz ab, ihr blasser Teint wirkte durch den Marihuana-Nebel visuell verstärkt. All die Energien schienen die Anwesenden zu verwirren, Brian und Anita wechselten an dem Abend nur wenige Worte. Im Morgengrauen begleiteten Stash, Zouzou und Anita den Rolling Stone zurück zu seinem bescheidenen Hotel in der Rue des Capucines, wo sich Brian und Zouzou auf sein Zimmer zurückzogen.
Aus welchem Grund auch immer – Anita schwieg ihr Leben lang über diese erste Begegnung mit Brian und datierte sie stattdessen auf ein ausgiebigeres Treffen fünf Monate später. Auch Deborah Dixon, die Gastgeberin an dem Abend, weiß nichts darüber zu berichten. Andere Anwesende erinnern sich hingegen sehr wohl daran: „Sie war sehr an ihm interessiert“, kommentiert Stash die unmittelbare Zeit nach der ersten Begegnung, „doch sie kam wegen Zouzou nicht an ihn heran, was sie annervte. Dass [Anita] in der Nacht keinen Erfolg hatte, hat sie bequemerweise aus ihren Erinnerungen gestrichen.“
Brian und die Stones flogen nach den Paris-Gigs nach Kanada, doch es gab keinen Mangel an englischen Bands, die die französische Hauptstadt aufsuchten. Nur wenige Tage nach der Stones-Performance spielten die Kinks am 24. April 1965 im Palais de la Mutualité, einem relativ kleinen Veranstaltungsort im fünften Arrondissement. The Kinks gehörten zu einer Reihe von Bands, die rauen und ruppigen R&B ablieferten, doch sie wirkten durch ihre skurrile Präsenz und ihren dandyhaften Stil, was im kontinentalen Europa sehr gut ankam. Anita war von der kantigen und androgynen Ausstrahlung der Band hin und weg. Andere aus ihrem Umfeld stellten eine engere Beziehung zu den Kinks her wie zum Beispiel Zouzou, die bei deren Nummer zwei, Dave Davies, landete.
Als die Band in Paris vor über 500 begeistert mitgehenden Zuschauern spielte, war ein Filmteam anwesend, das die entstehende Hysterie auf Zelluloid bannte. Inmitten der allgemein hektischen, 30-minütigen Performance ist eine Sequenz zu sehen, die den charmanten Moment einfängt, in dem Anita wie gebannt zur Bühne schaut. Während „Got Love If You Want It“ – ein Song, bei der die Gruppe am meisten improvisierte – wechselt die Kameraperspektive mehrmals zwischen ihr und dem Sänger Ray Davies. Mit ihrem hinter die Ohren gesteckten Haar und der elfenhaften Schönheit stiehlt Pallenberg der Band die Show.
Ob Anita damals an Brian dachte oder nicht – die Auftragsangebote im Frühjahr sorgten für eine Vielzahl von Kontaktmöglichkeiten. Zahlreiche kreative Persönlichkeiten aus aller Welt gingen in der Hauptstadt quasi ein und aus, wodurch sich viele Gelegenheiten ergaben, die Bekanntschaft mit den Protagonisten der angesagten Kreise zu machen. Pallenbergs Terminkalender füllte sich mit beruflichen Verpflichtungen, doch sie fand dennoch genügend Zeit, sich mit alten und neuen Freunden zu treffen, die in der Stadt auftauchten.