Wie ein Regenbogen. Simon Wells
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So gern, wie sie sich mit Menschen umgab, war es wohl nur eine Frage der Zeit, bis sie auch Deborah Dixons damaligen Partner Donald Cammell kennenlernte. Das Trio führte eine enge Freundschaft und erlebte zahlreiche Abenteuer miteinander.
„Ich begegnete ihm in den frühen Sechzigern“, erklärte Anita 1998 gegenüber der BBC. „Ich kam gerade aus New York und flog direkt nach Paris. Damals hatte ich einen Model-Agenten in New York und arbeitete in Paris. Ich glaube, seine Freundin Deborah traf ich zuerst – bei einem Job in einem Club, vielleicht auch in einem Club, den wir zum Tanzen besuchten … Wir verbrachten dann auch die Ferien gemeinsam.“
Ähnlich wie Deborah Dixon stellte sich der in Edinburgh geborene Donald Cammell als eine Konstante in Anitas Sechziger-Chronik heraus. Er war ein Mensch, der an Geschick für kaum spürbare Manipulation, kombiniert mit einem einnehmenden Charme, alle machiavellischen Persönlichkeiten übertraf, die sich in den angesagten Kreisen der High Society tummelten.
Gesegnet mit einem angeborenen Talent für die Kunst, hatte Cammell schon mit 16 Jahren ein Stipendium an der prestigeträchtigen Royal Academy erhalten. Seine Fähigkeiten wurden dort geschult und verfeinert, woraufhin er sich auf Gesellschaftsporträts spezialisierte, für die er ein besonderes Talent hatte. Schon bald hatte er sich hinsichtlich dieser überragenden Geschicklichkeit einen Ruf erworben. In Florenz studierte er unter der Anleitung von Pietro Annigoni, bevor er sich in London niederließ. Verwurzelt in der schillernden Chelsea-Boheme der späten Fünfziger und mit einem Studio in einer Seitenstraße von Londons kultureller Hauptschlagader King’s Road, fügte er sich mühelos in die progressive und eher bizarre Gemeinschaft ein.
Sein Talent, seine Jugend und sein Intellekt öffneten Donald zahlreiche Türen und stellten sich bei den Frauen als unwiderstehlich heraus. Damals tummelten sich in Chelsea ungebildete, politisch linksgerichtete Schönheiten, was er voll und ganz auskostete. Wie Colin MacCabe in seinem Buch über den Film Performance (1968) enthüllte, hatte Donald in seiner Wohnung in Chelsea ein Schlüsselerlebnis, als er seine damalige Freundin zusammen mit ihrer Schwester in seinem Bett vorfand. Da einer seiner wichtigsten Charakterzüge die Spontaneität war, schlug Donald vor, die unterschiedlichen Energien doch einfach zu vereinen – ein Szenario, das für ihn zu einer Konstante wurde.
Cammells zügellos ausgelebte Libido stand der Aussicht auf längere Beziehungen sehr im Weg. Er ertrug eine Ehe – aus der ein Kind hervorging –, bevor er aus Chelsea nach New York floh. Dort lernte er Deborah Dixon kennen und tauchte in eine Szene ein, die sich auf seine Sinne geradezu elektrisierend auswirkte. Dank ihrer beider schillernden Karrieren und Cammells Status als ein „dem Königreich“ Entflohener schlugen die beiden wie eine Bombe in die gesellschaftlichen Kreise des Big Apple ein.
Kurz vor Beginn der Ära des „Swinging London“ war Paris kurzfristig en vogue, und so zogen Cammell und Dixon in die französische Hauptstadt, um ihre kreativen und persönlichen Bedürfnisse zu befriedigen. Mit einem „Basislager“ in der Rue Delambre im Stadtbezirk Montparnasse und einer Welt, in der sich Kunst, Film und Mode vereinten, kamen sie in Kontakt mit unzähligen Persönlichkeiten, darunter auch Anita.
Sie erinnert sich: „Das war wirklich spaßig. Nach einem Zug durch die Clubs am Samstag fuhren wir einfach nach St. Tropez oder machten ähnlich Verrücktes! Jeder schien irgendwie abgedreht zu sein, doch wir hatten unseren eigenen Stil, eher international … wie die kleinen [aber energiereichen] Schritte von James Brown.“
Während Anita in Donald Cammells zwielichtige Welt abtauchte, begann sie eine neue, sexuelle Lebenslust zu entdecken, bei der Erlebnisse außerhalb der monogamen Beziehungen zur Norm wurden.
„Es war absolut extrem“, erinnerte sie sich 1998. „Er wollte alles oder nichts. Was den Sex anbelangte, brachte er dich in riskante Situationen. Auf dieser Ebene war er gefährlich. Er hatte viel Fantasie, eine blühende Vorstellungskraft.“
Auf dem wilden Pariser Tummelplatz von flüchtigen Freundschaften und kurzen Liaisons erwies sich Anitas Beziehung mit Donald Cammell und Deborah Dixon als stabil. Auf dem Höhepunkt der Jugendexplosion der Sechziger hatte Anita alles: Jugend, Freiheit und Mobilität. Plakativ ausgedrückt: Niemals gab es für das Leben auf dieser Welt eine bessere Zeit.
„Für einige wenige Jahre flogen wir einfach“, erzählte Anita 1990 in einem Interview für die Publikation Blinds & Shutters. „Wir hatten alles – Geld, Macht, Beziehungen und unser Äußeres – einfach alles.“
Tatsächlich gibt es nicht nur eine, sondern Dutzende Londoner Szenen. Jede Einzelne ist ein funkelnder Edelstein, ein Medley gemusterter Sonnenbrillen und wunderbar reizend angemalter Telefonhäuschen, eine Mixtur des „blitzenden“ Amerikas, des auf Hochglanz gebrachten Europas und hartnäckiger alter englischer Einflüsse, die im heutigen London miteinander verschmelzen. Das Resultat ist ein prickelndes und verworrenes Lustspiel.
Time, 5. April 1966.
Anitas immer weiter an Fahrt gewinnende Karriere spielte sich hauptsächlich in den Modemetropolen Europas ab; im ersten Halbjahr 1965 wohnte sie noch in Paris. Häufig übernachtete sie in Catherine Harlés Agentur in der Passage Choiseul, doch manchmal auch in der Wohnung von Deborah Dixon und Donald Cammell in Montparnasse.
Zu den Interessen des Trios gehörte die Musik. Trotz der vielen Reisen hielt sich Anita auf dem Laufenden, was die Popszene anbelangte, die die Jugend weltweit faszinierte. Sie ließ sich nicht von den zuckersüßen Klängen der Beatles vereinnahmen, sondern stand auf eher erdige Sounds. The Who zählten zu den Bands, die sie musikalisch bewegten, und wie sie sich später erinnerte, sah sie einige explosive Auftritte der Gruppe im Club La Locomotive in Montmartre.
Am Osterwochenende (16.–18. April) 1965 stürmten die Stones Paris, wo sie eine Reihe von Gigs im L’Olympia (auch bekannt als Olympia Bruno Coquatrix) spielten. Die Band stand kurz davor, ein globales Phänomen zu werden, ihr kantiger, rauer Nonkonformismus zog eine enorme Anhängerschaft an. Allerdings hinkte nach mehr als zwei Jahren exzessiven Tourens die musikalische Qualität noch ein wenig dem populären Image hinterher. Stolz, derb und ungehobelt stand der nach außen getragene Dissens zu gesellschaftlichen Normen im krassen Gegensatz zu den Gewohnheiten der Hörer, die den braven Merseyside-Sound mochten.
Viele, die von den Stones angezogen wurden, mochten ihre unverfälschte und direkte Grundhaltung, entdeckten darin eine Art revolutionärer Einstellung. Ihre Hörer kamen aus allen Gesellschaftsschichten. Ganz vorn im Rampenlicht standen Mick Jagger, Keith Richards und Brian Jones in wechselnden Rollen. Das wichtigste Element, der Kern der Gruppe, war eine ungestüme Sexualität, die zuvor noch nie Eingang ins populäre Entertainment gefunden hatte.
In der Pariser Gesellschaft mit ihrem Hang zum Revolutionären brodelte es schon immer, wenn auch der Dissens unterschiedlich stark sein konnte. Den Stones sicherte dies eine Zuschauermenge, die von Musikfans bis hin zu Künstlern und Sozialisten reichte. Während die Band in England lange eine Außenseiterrolle spielte, wurde ihr Anti-Establishment-Status in der französischen Hauptstadt warmherzig angenommen.
Der Mini-Gastspielvertrag im L’Olympia gewährte den Stones genügend Freizeit, um das Labyrinth des kulturellen Nachtlebens zu erforschen, das Paris im Übermaß bot. In einem Wirbelsturm von Aktivitäten soll die Band angeblich Catherine Harlés Agentur eine Stippvisite abgestattet und mit den Models geflirtet haben. Auch verbrachten sie eine Nacht im Chez Castel.