Wie ein Regenbogen. Simon Wells

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Wie ein Regenbogen - Simon  Wells

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aber ich brauche dich.“ Andere – darunter auch Pallenberg selbst – behaupten hingegen, dass sie es war, von der die Initiative ausging.

      „Ich ging direkt auf Brian zu, denn er war derjenige, auf den ich stand“, erzählte sie später. „Brian konnte sich gut ausdrücken, sprach leise und war auch des Deutschen mächtig. Er packte mich durch die Art, wie er sich bewegte, durch seine Haare und die sanfte Art. Wenn er redete, forderte er deine ganze Aufmerksamkeit. Er war sensibel, aufgekratzt, seiner Zeit weit voraus und auch in einer anderen Zeit verwurzelt – der Dandy, mit all seiner Kleidung und so weiter!“

      Wer auch immer den ersten Zug machte – zwischen den beiden entwickelte sich an diesem Abend eine ungewöhnliche, aufsehenerregende Beziehung. Jones, der eine Fülle von schnell aufeinander folgenden desaströsen, unerfüllten Beziehungen hinter sich hatte, entdeckte bei Anita die gleiche Abenteuerlust, die auch er verspürte.

      „Brian war ungewöhnlich“, berichtete Anita der Mail On Sunday 2006. „Er war launisch und körperlich attraktiv. Auf irgendeine witzige Art sah er wie ein Mädchen aus. In sexueller Hinsicht stehe ich auf Frauen und Männer, und er hatte diese wunderbare Uneindeutigkeit. Die anderen Stones wirkten – wie soll ich es am besten ausdrücken? – ängstlich, doch Brian war bereit, fremde Orte zu erkunden. Er war die Ausnahme; die anderen Stones waren zu der Zeit einfach nur Vorstadt-Normalos.“

      Bent Rej, in dessen Begleitung Anita bis zur Band hatte vordringen können, war Zeuge der Begegnung und fing diesen Moment mit einer Menge Fotos ein. Bei näherer Betrachtung der entstandenen Bilder fällt die außergewöhnliche Ähnlichkeit zwischen den beiden auf. Jones’ erweiterte Pupillen sind kaum sichtbar, da die blonden Haare bis über die Augenbrauen hängen, während Pallenberg – die man auf einem Foto mit einer Packung Zigaretten sieht – wie sein sprichwörtliches Spiegelbild erscheint. Anita und Brians für die Zukunft wichtiges Gespräch kam zu einem abrupten Ende, da man die Stones für die zweite Show des Abends auf die Bühne zurückrief. Pallenberg kehrte daraufhin zu ihrem Stuhl im Publikumsbereich zurück. Dort erlebte sie erneut Jones’ schwelendes Enigma, obwohl er sich immer einige Schritte hinter der Frontline von Jagger/Richards bewegte. Schon damals machte sie sich für Brian stark: „Brian stand so weit hinter ihnen, dass man es kaum glauben konnte. Da waren sie – Mick und Keith ganz vorne, bei den ersten Gehversuchen, ein Sexobjekt zu werden, wohingegen Brian schon einige uneheliche Kinder hatte!“

      Nach der Performance der Stones, die damit endete, dass die Polizei das Publikum mit Schlagstöcken und Hunden aus dem Raum trieb, ging Anita wieder in den Backstage-Bereich. „Ich fragte ihn, ob er Lust hätte zu kiffen, und er antwortete: ‚Klar, lass uns einen Joint durchziehen.‘ Und dann meinte er: ‚Komm mit mir ins Hotel.‘ Er regte sich über Mick und Keith auf … erzählte, dass sie sich gegen ihn verschworen hatten … Er war so verletzlich. Brian hatte alle gegen sich. Er tat mir so leid … Ich hielt ihn die ganze Nacht in den Armen, während er weinte.“

      Am nächsten Tag folgte Anita dem Stones-Tross nach Westberlin und hängte sich wieder an Jones. Wie sie später berichtete, sagte sie unmittelbar nach der Münchner Episode alle deutschen Model-Jobs ab und bat Catherine Harlé, ihr so schnell wie möglich Aufträge in London zu verschaffen. Aus den Legenden über den Rock’n’Roll (und den Film Spinal Tap) lässt sich entnehmen, dass eine weibliche Anwesenheit in der eindeutig maskulinen Umgebung einer tourenden Band mindestens eine „Herausforderung“ darstellt, wenn nicht sogar weitaus mehr. Anitas Ankunft auf dem Planeten Stones stellte keine Ausnahme von dieser Regel dar, gerade weil sie sich von bürgerlichen Konventionen nicht beeindrucken ließ.

      „Ich entschied mich, Brian zu entführen“, erzählte Anita später. „Es klingt wirklich albern, doch daraus wurde sogar ein Film gemacht [Zwischen Beat und Bett, 1968, mit Donald Cammell als Ko-Autor], also über die Entführung eines Popstars. Brian schien der sexuell flexibelste Stone zu sein, ich wusste aber auch, dass ich mit ihm reden konnte. Tatsächlich war ich aber zuerst sein ­Groupie – wirklich!“

      Anitas längere Anwesenheit sollte – und das wird wohl niemanden überraschen – die bereits gegenüber Brian bestehenden Animositäten der Band verstärken und die anderen provozieren. Der aufgrund seiner unabhängigen Einstellung und seines so wesentlich anderen Charakters oftmals von den Stones ausgeschlossene Musiker hatte nun eine mächtige Fürsprecherin an seiner Seite. Von Anfang an spiegelte das Paar die Persönlichkeit des jeweils anderen wider. Sie teilten und zeigten eine Arroganz, die gelegentlich in dunkle Wege mündete. Da Jones’ Status als Bandgründer nur noch eine schwache und wenig überzeugende Daseinsberechtigung bei den Stones ausmachte, „packte“ sich Anita die kultiviertere Seite von Brian und verstärkte sie.

      Anitas Unterstützung bedeutete für Jones einen riesigen Triumph über Micks und Keiths Dominanz, eine Parteinahme, die in diesem Schurkendrama eine seltene Ausnahme darstellte. Über Jones’ emotionalen Ballast aus der Vergangenheit mochten seine Bandkollegen mal verzweifeln, mal gemeine Witze reißen, doch mit Anita hatte er einen echten „Fang“ gemacht.

      „Ich fand auf jeden Fall, dass Brian sehr viel Glück gehabt hatte“, erzählte Richards später. „Als ich Anita das erste Mal sah, war mein erster Gedanke: ‚Verdammt, was macht denn so eine heiße Mieze mit Brian?‘ Anita war unglaublich stark, hatte eine viel stärkere Persönlichkeit als Brian, war selbstsicherer und hielt nichts zurück, wohingegen Brian voller Zweifel steckte.“

      Die Allianz zwischen Jones und Pallenberg stellte geradezu einen Schock für diejenigen dar, die Brians kurze Aufmerksamkeitsspanne hinsichtlich Beziehungen kannten. Anitas Intelligenz und ihr kraftvoller Feminismus erhoben sie über die Menge der unterwürfigen Frauen, die so häufig an den Rockschößen der Band hingen.

      „Für mich war sie ein Rätsel“, berichtet der Fotograf Gered Mankowitz. „Wenn sie dich nicht dabei haben wollte – egal, was gerade abging –, zeigte sie es dir auch deutlich. Sie hatte ein einzigartiges, sehr vereinnahmendes und überaus sexuelles Charisma. Man kann sie als beängstigenden, manchmal ungeheuerlichen Charakter beschreiben. Sie konnte sehr cliquenhaft sein. Sie und Brian führten eine Beziehung, bei der sie sich abschotteten und zusammenhingen. Sie waren von allem um sie herum abgeschnitten.“

      „[Anita] war extrem offen und unverblümt“, erklärte Marianne Faithfulls früherer Ehegatte John Dunbar. „Sie konnte dich aufziehen, aber auch ein ‚harter Kerl‘ sein. Wenn Leute sie auf irgendeine Art verarschen wollten, machten sie denen das Leben zur Hölle.“

      Erzählungen nach warnte Jagger – der Anitas Ankunft als eine echte Herausforderung empfand – die Leute in seinem engen Umfeld vor einem näheren Kontakt mit ihr. Das änderte nichts daran, dass Jaggers damalige Freundin Chrissie Shrimpton Anita als eine ehrliche und gradlinige Person einschätzte. „[Sie] war sich ihres Einflusses bewusst, aber auch sehr mitfühlend“, berichtete Shrimpton dem Autor Victor Bockris. „Im Gegensatz zu den anderen Mädchen, die mir meinen Platz streitig machten, bemerkte ich bei Anita niemals so eine Tendenz. Vielleicht war sie manchmal boshaft, doch sie hatte auch viel Macht. Sie setzte ihre Macht aber niemals für bösartige Aktionen ein, was ich sehr an ihr schätzte. [Anita] war schräg, freaky und auch stark, aber ihre Gefühle waren immer echt.“

      Obwohl sich Marianne Faithfull damals eher im Dunstkreis der Band aufhielt, bemerkte sie, dass Anita größtenteils dafür verantwortlich war, dass die Stones [im Rahmen der Psychedelic-Ära] ein Renaissance-Image aufbauten und eine andere Grundhaltung einnahmen. 1994 schrieb sie: „Das Bündnis von Anita mit Brian ist zugleich die Geschichte, wie aus den Stones die Stones wurden. Sie war eine der maßgeblich Verantwortlichen für die kulturelle Revolution in London, indem sie die Stones mit den wohlhabenderen Jugendlichen zusammenbrachte.“

      Brian Jones’ oftmals ungehaltene und egomanische Präsenz befremdete zahlreiche Menschen, doch im Einklang mit Anita hielt die Kombination ihrer Charaktere den Kritikern stand. Durch den Energieschub, den die Beziehung ihm gab, nahm Brians Selbstvertrauen

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