Lou Reed - Transformer. Victor Bockris

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Lou Reed - Transformer - Victor Bockris

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aber schließlich dämmerte es uns, dass wir erfrieren würden, wenn wir einfach sitzen blieben. Es war bereits eine Menge Schnee gefallen, als wir aus dem Auto kletterten und uns in die nächste Stadt schleppten, die ungefähr eine Meile entfernt war. Irgendwo mussten wir bleiben, und so gingen wir in das einzige Hotel, aber es war natürlich voll. Immerhin gab’s da eine Bar. Schupak erzählte in der Bar Geschichten aus seiner Militärzeit, zum Brüllen komisch, Lewis und ich schnappten fast über, wir waren hysterisch vor Lachen. Irgendwann sagte der Barkeeper: ‚Ihr könnt hier nicht bleiben, ich muss die Bar schließen.‘ Wir gingen dann zum Gerichtsgebäude, und es endete damit, dass wir die Nacht im Gefängnis verbrachten.“

      Was die Eldorados sonst noch von den anderen Bands unterschied, war die Zusammensetzung ihres Programms. Sie spielten zwar die Standardnummern von Chuck Berry, aber auch einiges von Lous eigenem Songmaterial. Ein Song von Lou, den sie häufig spielten, war ein Liebeslied, das er für Shelley geschrieben hatte, eine frühe Version von „Coney Island Baby“. „Außerdem haben wir noch einen Song namens ‚Fuck ­Around Blues‘ gespielt“, erinnert sich Mishkin. „Sehr provozierend. Manchmal kam’s gut an, aber ab und zu wurden wir deswegen auch bei den Verbindungspartys rausgeworfen.“

      L. A. And The Eldorados waren ein wichtiger Teil von Lous Leben und vermittelten ihm viele Schlüsselerlebnisse über den Rock ’n’ Roll; aber er hielt die Band von seinem anderen Leben in Syracuse getrennt. Sein Ziel war es eigentlich, Schriftsteller zu werden, und Rock ’n’ Roll kam erst an zweiter Stelle. Damals, als die Beatles noch unbekannt waren, hatte der Begriff Rock ’n’ Roll einen negativen Beiklang. Man dachte dabei eher an Paul Anka und Pat Boone als an die Rolling Stones. Lou lag mehr daran, mit einem Schriftsteller wie Jack Kerouac in Verbindung gebracht zu werden. Diese Unentschlossenheit spiegelte sich auch in seiner kargen Garderobe wider. Wie es sich für den klassischen Beatnik gehört, trug Lou für gewöhnlich schwarze Jeans, T-Shirts oder Sweatshirts. Für den Fall, dass er mal wie John Updike auftreten wollte, hatte er jedoch ein Tweedjacket mit Lederflicken am Ellbogen in seinem Spind. Wie dem auch sei – Lou schien sich in jeder Rolle, als Rocker oder als Schriftsteller, irgendwie unwohl zu fühlen. Deswegen war er in jeder dieser Rollen auf Konfrontationskurs; einerseits hinterließ er auf die Art mehr Eindruck, andererseits beherrschte ihn eine sehr reale Unruhe, die dazu führte, dass er sich so benahm. Die Zusammenarbeit mit Lou war aus diesen Gründen für Hyman und die anderen sehr schwierig.

      Allen berichtet: „Am schwierigsten war es mit Lou, wenn er am Tag unseres Auftritts aufwachte und beschloss, dass er nicht zum Gig gehen würde. Dann kam er einfach nicht. Wir waren schon alle fix und fertig und hielten nach ihm Ausschau. Ich erinnere mich an eine Bruderschaftsparty, wir sollten nachmittags auftreten, und wir waren alle startklar, aber Lou tauchte einfach nicht auf. Ich rannte schließlich zu seinem Zimmer, bahnte mir den Weg durch etwa vierhundert Pfund seiner geliebten Pistazien – und dann fand ich ihn im Bett, am Nachmittag, begraben unter ungefähr sechshundert Pfund Pistazien. Ich sah ihn an und sagte: ‚Was ist los? Wir müssen auftreten!‘ Und er antwortete: ‚Scheiß drauf! Ich will heute nicht arbeiten!‘ Ich sagte: ‚Das kannst du nicht machen, wir werden dafür bezahlt.‘ Mishkin und ich haben ihn dann mehr oder weniger auf die Bühne gezerrt. Zum Schluss hat er dann auch gespielt, aber er war stinksauer.“

      Reed schien das Scheinwerferlicht gleichzeitig zu suchen und zu scheuen. „Lou war einzigartig und sehr dickköpfig, das machte es so schwierig mit ihm“, ergänzt Mishkin. „Es war schrecklich, mit ihm zusammenzuarbeiten. Er war unmöglich. Immer kam er zu spät, immer hatte er irgendwas an dem herumzumeckern, was die Leute von uns erwarteten. Man musste ihn buchstäblich überall mit Gewalt hinschleppen. Manchmal wurden wir seinetwegen schon Pasha And The Prophets genannt, und öfter mal bekamen wir in manchen Klubs keinen zweiten Auftritt, weil er alle verprellt hatte. Es war so störrisch wie ein Maultier. Und die Leute wollten uns kein zweites Mal, weil er so ungehobelt und fies war, und die Tatsache, dass die Leute für unsere Auftritte bezahlten, schien ihm völlig zu entgehen. Es war ihm total egal. Falls wir also einen zweiten Auftritt wollten, benutzten wir den Namen Pasha And The Prophets. Oder die Leute waren am ersten Abend so betrunken, dass sie sich beim zweiten Mal nicht mehr an uns erinnern konnten. Er versuchte niemals, sich mit seiner Kleidung oder seinem Verhalten dem Geschmack des Publikums anzupassen. Meistens suchte er die Konfrontation. Er wollte anders sein. Aber Lou war auch sehr ehrgeizig. Er wollte ein Rock’n’Roll-Star und ein Schriftsteller werden. Das hat er mir ganz klar zu verstehen gegeben.“

      Im Mai 1962 waren Lewis, Lincoln, Stoecker, Gaines, Tucker und andere die öde Universitätszeitung leid. Begierig danach, von sich reden zu machen und ein Zeichen zu setzen, brachten sie eine literarische Zeitschrift unter dem Namen Lonely Woman Quarterly heraus. Der Titel basierte auf Lous Lieblingskomposition von Ornette Coleman, „Lonely Woman“. Die erste Ausgabe, im Savoy unter den wohlwollenden Augen von Gus Josephs erstellt, enthielt eine Geschichte ohne Titel, im vorhergehenden Kapitel bereits erwähnt, die mit Luis Reed unterschrieben war. Darin wurde Sidney Reed als ein Typ dargestellt, der seine Frau verprügelt, und Toby als Kinderschänderin beschrieben. Shelley, die auch an der Publikation beteiligt war, war überzeugt davon, dass Lou mit dieser Geschichte ganz bewusst versuchte, sein Image als ebenso düstere wie geheimnisvolle Person auszubauen, genau wie seine homosexuellen Affären ein Versuch waren, mit der Off-Beat-Schwulenszene in Kontakt zu kommen. Sie nahm an, dass er intelligent genug war, um zu erkennen, wie unwohl man sich als Leser dieser Geschichte fühlen musste. „Und das wollte Lou immer erreichen“, sagt sie. „Er wollte, dass sich die Leute unbehaglich fühlen.“

      Die erste Ausgabe von LWQ brachte „Luis“ seine erste Pressemeldung ein. Daily Orange, die Collegezeitung, hatte die Zeitschrift besprochen und Lincoln interviewt, der sich damit brüstete, dass die gesamte Hunderter-Auflage des Magazins in drei Tagen vergriffen gewesen sei. Die erste Ausgabe war auch wirklich wohlwollend aufgenommen worden, doch dann wurden alle Redaktionsmitglieder ziemlich träge, mit Ausnahme von Lou, der die zweite Ausgabe herausbrachte. Sie enthielt auf der ersten Seite sein Aufsehen erregendes zweites Stück. Unter dem Titel Profile: Michael Kogan – Syracuse’s Miss Blanding hatte er einen besonders aufmerksamkeits­heischenden und spektakulären Angriff auf den studentischen Führer der Jungen Demokratischen Partei zu Papier gebracht. Hyman erinnert sich: „Er schrieb so ungefähr, Kogan solle sich die amerikanische Flagge in den Hintern stecken und damit einmal quer übers Collegegelände marschieren. Das war damals ein echt haarsträubender Vorschlag.“

      Unglücklicherweise entpuppte sich Kogans Vater als Rechtsanwalt. „Er befand, dass es sich hier um üble Nachrede handelte“, erinnert sich Sterling. Und er wollte Lou hochgehen lassen. Lou wurde also vor den Dekan zitiert. Aber Kogan und sein Vater waren so gereizt und beleidigend, dass der Dekan nach und nach für Lou Partei ergriff. Nach der Unterredung sagte er dann zu Lou nur, er solle weiterarbeiten und aus dem Zimmer verschwinden, er wolle nicht weiter gegen ihn vorgehen. Damit hatte Reeds literarische Karriere im Mai 1962 sozusagen mit einem Blitzstart begonnen.

      Trotz all dieser Ereignisse war es aber nicht der Unterricht, der Lous zweites Jahr in Syracuse dominierte, sondern seine Beziehung zu Shelley. Sie verbrachten so viel Zeit wie nur möglich miteinander; am Wochenende stiegen sie oft in den Wohnungen von Freunden ab, und sie liebten sich in Verbindungszimmern, in Autos und hinter irgendwelchen Büschen, wenn es sein musste. Lou erhielt in „Einführung in die Mathematik“ ein D und ein F in „Englische Geschichte“ [die Noten D und F entsprechen den deutschen Notenstufen „Ausreichend“ und „Mangelhaft“; Anm. d. Ü.]. Er geriet wieder in Konflikt mit den Behörden, als Nelson Slater, der gelegentlich bei den L. A. And The Eldorados mitspielte, wegen Drogenbesitzes festgenommen wurde und einige Leute verpfiff, darunter auch Lewis und Mishkin.

      „Wir haben die ganze Zeit Dope geraucht“, gibt Mishkin zu. „Aber niemals während der Arbeit. Mag schon sein, dass wir ab und zu spielten, dann was rauchten und danach noch so ein bisschen vor uns hin improvisierten. In jedem Fall mussten Lou und ich und einige andere ins Büro des Dekans. Der sagte dann: ‚Wir wissen, dass ihr Marihuana raucht, packt also am besten gleich aus.‘ Wir hatten wirklich Angst, ich jedenfalls ganz bestimmt. Lou war sauer. Auf die Collegeleitung und auf Nelson. Alles in allem

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