Lou Reed - Transformer. Victor Bockris

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Lou Reed - Transformer - Victor Bockris

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sobald er über die Schwelle seines Elternhauses trat. Er versuchte auf jede denkbare Art, seine Eltern in Angst und Schrecken zu versetzen und zu paralysieren. Über ihren Häuptern schwebte die ständige Drohung, dass Lou jederzeit die Nerven verlieren, eine besonders gemeine Bemerkung machen oder das harmonische Gleichgewicht des Zusammenlebens durch eine irrationale Handlung zerstören konnte, und auf diese Weise hatte er gelernt, sie zu kontrollieren. Beispielsweise gab Mr. Reed Lou an einem Abend den Autoschlüssel und Geld, um mit Shelley nach New York zu fahren und essen zu gehen. Aber solch ein Austausch konnte zwischen Vater und Sohn nicht ohne einen – an Comics erinnernden – Kampf vor sich gehen. Als Lou mit Shelley auf die Eingangstür zusteuerte, musste sein Vater unbedingt noch die Bemerkung loswerden, dass er, da er nun auf dem Weg in die Stadt sei, vielleicht doch eventuell noch ein sauberes Hemd anziehen sollte. Auf der Stelle war Lou auf hundertachtzig, brachte seinen Vater dazu, sich wie eine Küchenschabe zu fühlen, und warf seiner Mutter einen bitterbösen Satz an den Kopf, bevor er türknallend hinausstürmte.

      Ohne jede Rücksicht auf andere, brachte er sich und Shelley durch seinen ungestümen Fahrstil auf dem Weg nach New York fast ums Leben. „Ich weiß noch genau, wie er mich, die ahnungslose Prärierose aus dem mittleren Westen, in die Großstadt mitnahm“, erzählt Shelley. „Bei dieser Fahrt, die ich mein Leben lang nicht vergessen werde, standen mir wirklich die Haare zu Berge. Lou zeigte mir, wie man sich auf das Heizgitter des Village Gate stellen konnte. Man konnte Musik hören und hatte es gleichzeitig warm.“

      Seine Eltern, so erkannte sie, „wussten überhaupt nicht, was in ihm vorging, und sie waren sehr unglücklich und beunruhigt wegen all der schrecklichen Dinge, die er dachte. Er muss sich wirklich mies fühlen, der arme Junge, wie schrecklich!“ Ihr Verhältnis resultierte darin, dass seine Eltern ihm, um allen unschönen Situationen aus dem Weg zu gehen, jeden Wunsch von den Augen ablasen, als sei er der heimgekehrte, verlorene Sohn. Die einzige Person im Hause Reed, die von Lou mit einer gewissen Zuneigung bedacht wurde, war Elizabeth; sie selbst war ganz vernarrt in Lou und fand ihn toll.

      In ihrer netten, gewandten, offenen Art standen die Reeds da wie die Lämmer auf der Weide und warteten darauf, dass Lou ihnen sein Brandmal aufdrückte. Dieses Ritual begann damit, dass Lou als Erstes seine Zuneigung zu dem schwarzen Schaf der Familie, einer gewissen Judy, bekundete. Kaum zur Tür hereingekommen, erkundigte sich Lou ungeduldig nach ihren Aktivitäten und ließ sich des Langen und Breiten dar­über aus, dass er sie jedem anderen in der Familie vorziehe; dann brach seine Mutter häufig in Tränen aus. Anschließend machte sich Lou daran, die Aufmerksamkeit der zwölfjährigen Elizabeth für sich in Anspruch zu nehmen. Mit großem Brimborium zog er sich mit ihr zu einem regen Austausch von Vertraulichkeiten zurück, von dem seine Eltern selbstverständlich ausgeschlossen waren. „Sie war niedlich“, erinnert sich Shelley. „Sie sah aus wie Lou. Seine Mutter und sein Vater sahen auch so aus. Sie sahen alle genauso aus wie er. Es war zum Überschnappen. Lou fühlte sich ihr gegenüber als Beschützer. Und sie war so süß. Sie hatte nicht so viel Charakter wie Lou, aber sie war auch nicht langweilig.“ Alle seine Aktionen waren darauf gerichtet, seine Eltern gleichzeitig auszuschließen und sie zu seinen Gefangenen zu machen. Und wie alle Studenten, die ihre Eltern besuchten, war Lou auch damit beschäftigt, ihnen Geld aus der Tasche zu ziehen, während er zuhause ein und aus ging, als befände er sich in einem Hotel. Sobald er alle im Haus so weit hatte, dass sie genau das taten, was er wollte, begann Lou, an seinem Aufenthalt Geschmack zu finden.

      Bei diesem ersten Besuch war die Lage so extrem, dass Toby Reed Shelley, die in ihren Augen die perfekte Schwiegertochter war, ins Vertrauen zog. „Sie waren ziemlich besorgt darüber, was er nachhause bringen würde“, erinnert sie sich. „Und als sie mich sahen, dachten sie dann: ‚O Gott, vielleicht ist doch alles in Ordnung mit ihm.‘ Wir beide, sie und ich, haben festgestellt, dass wir ihn wirklich gern hatten und liebten.“ Mrs. Reed erzählte ihr, wie schwierig Lou sein konnte, und versuchte herauszufinden, was Lou über seine Eltern sagte. Shelley hatte den Eindruck, dass die Reeds Lou nichts nachtrugen und nur sein Bestes wollten. Mrs. Reed schien nicht verstehen zu können, warum Lou seine Eltern hasste und ihnen Vorwürfe machte. Angesichts dieser sonderbaren Sachlage hinter der hübschen Fassade des reedschen Hauses zog Shelley zwei Schlussfolgerungen: Einerseits, da seine Familie einen normalen Eindruck machte und auch keine offensichtlichen Probleme hatte, schien sich Lou sein eigenes Psychodrama zurechtzuspinnen, damit er Stoff zum Schreiben hatte. Andererseits sehnte sich Lou danach, dass seine Eltern ihn akzeptierten. Ihre Weigerung, sein Talent anzuerkennen, verstörte ihn und trieb ihn dazu, sich von ihnen zu entfernen. Ein Punkt, der Lou frustrierte, war auch, dass er seinen Vater für einen Schwächling hielt, der seiner Frau das Steuer übergeben hatte. Das entsetzte und faszinierte Lou, der ein waschechter Macho war. Insgeheim war Lou stolz auf seinen Vater und hätte es liebend gern gesehen, wenn er mehr Selbstbewusstsein entwickelt hätte. Aber den Gedanken, sich die Aufmerksamkeit der ehemaligen Schönheitskönigin mit seinem Vater teilen zu müssen, ertrug er einfach nicht.

      Zumindest für eine gewisse Zeit bereitete Lou seinen Eltern eine unerwartete Freude allein damit, dass er ihnen Shelley vorstellte. Begeistert davon, dass sein Sohn eine saubere, weiße und schöne Jüdin nachhause gebracht hatte, erhöhte Mr. Reed die monatliche Unterhaltszahlung an seinen Sohn.

      Hätte er eine Ahnung davon gehabt, welches Leben Lou und Shelley in Syracuse führten, hätte er das vermutlich unterlassen. Im Verlauf des Jahres spielten Sex, Drogen und Rockmusik eine immer wichtigere Rolle in ihrem Leben, obwohl Shelley keine Drogen nahm. Doch Lou, der schon seit einiger Zeit regelmäßig kiffte, nahm jetzt zum ersten Mal LSD und begann mit Peyote zu experimentieren. 1961 war es am College noch nicht die Regel, dass Drogen genommen wurden. Obwohl ab und zu Marihuana in den Verbindungshäusern kursierte und einige wagemutige Studenten LSD nahmen, bestand die Mehrzahl der Studierenden aus ordentlichen Jugendlichen der Fünfzigerjahre, die sich auf ihre zukünftige Arbeit als Steuerberater, Juristen, Ärzte oder Lehrer vorbereiteten. In ihren Augen war das Benehmen Lous extrem. Und dann begann er auch noch, Drogen zu verkaufen, anstatt sie nur selbst zu nehmen. Er hatte immer einen Vorrat an Marihuana, den er in einer Einkaufstasche bei einer Freundin im Wohnheim versteckte. Wenn Kundschaft kam, schickte er Shelley los, um die Tasche zu holen.

      Lou war nun auf dem Weg dazu, ein unersättlicher Konsument aller möglichen Drogen zu werden; zeitweise kaufte er sich auch einen kodein­haltigen Hustensaft namens „Turpenhydrate“. Lou war meistens stoned. „Er hatte mich gern um sich, wenn er high war“, erinnert sich Shelley. „Er sagte dann häufig ‚Wenn’s mir nicht gut geht, kümmerst du dich um mich.‘ Er nahm Drogen hauptsächlich, um sich zu betäuben oder sich zu erholen, um vor seinen Gedanken Ruhe zu finden.“

      Da er sich nun als wieder geborener Heterosexueller präsentiert hatte, verlor Lou keine Zeit, um seine Homosexualität unter Beweis zu stellen. In der zweiten Hälfte seines zweiten Jahres in Syracuse hatte er seine erste – allerdings platonische – schwule Liebesgeschichte. „Es war eine erstaunliche Erfahrung“, erklärt Lou. „Ich fühlte mich sehr schlecht deswegen, denn ich hatte eine Freundin, und ich betrog sie; ich bin auch nicht besonders gut darin, mir irgendwelche Ausreden auszudenken.“ Besonders stark erinnert er sich an die schmerzhafte Erfahrung, dass „man versucht, irgendetwas für Frauen zu empfinden, aber es ist einfach nicht möglich. Ich kam nicht dahinter, was falsch war. Ich wollte alles in Ordnung bringen, ich wollte keine Probleme. Ich stellte mir vor, dass ich das auch schaffen würde, wenn ich mich hinsetzte und darüber nachdachte.“ Die Beziehung von Lou und Shelley veränderte sich. Sie begannen, miteinander zu spielen. Lou hatte mehr als nur eine schwule Affäre in Syracuse, und er versuchte oft, sie damit zu schockieren, dass er gelegentlich fallen ließ, zu welchem Jungen er sich hingezogen fühlte. Shelley war ihm aber gewachsen; sie fühlte sich durch seine Affären nicht bedroht, sondern im Wettstreit mit ihm gelang es ihr sogar oft, die Aufmerksamkeit seines Favoriten auf sich selbst zu lenken. Wenn sie sein Spiel jedoch erfolgreich mitspielte, so war Lou immer schon dabei, die Einsätze zu erhöhen. Durch diese Spielchen, die ihre Beziehung komplizierter machten, als gut für sie war, verloren die beiden bald den Boden unter den Füßen.

      Freunde hatten unterschiedliche Erinnerungen an Lous schwule Affären in Syracuse.

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