You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson. Jermaine Jackson

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You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson - Jermaine  Jackson

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diesem Ausmaß Erfolg zu haben? Oder ist es das, was passiert, wenn ein Musiker größer wird als seine Plattenfirma? Geht es hier um Verlagsrechte? So nach dem Motto, wir machen den Menschen dahinter fertig, lassen aber die „Cash cow“ unangetastet?

      All diese Fragen gehen mir durch den Kopf.

      Halten sich seine Hollywood-Freunde und früheren Anwälte, seine Verbündeten und Produzenten jetzt fern von ihm, weil sie glauben, dass er sie gefährdet, und weil Freundschaft für sie eigentlich nur ein anderes Wort für einen Sponsoring-Deal ist? Was ist mit diesen Leuten, die früher so viel Zwietracht säten und gerne darauf hinwiesen, dass man uns, seine Familie, auf Abstand halten sollte, weil uns nicht zu trauen sei? Wieso sind die jetzt nicht an seiner Seite und flüstern ihm aufmunternde Worte der Unterstützung ins Ohr?

      Michael erkennt jetzt, wer sein Freund ist und wer nicht, und er merkt, was Familie bedeutet. Aber in diesen Tagen steht seine Freiheit auf dem Spiel, und alles, was er sich je aufgebaut hat, läuft Gefahr, in sich zusammenzustürzen. Am liebsten würde ich die Zeit zurückdrehen: die Nadel von der Platte heben und wieder mit dem ersten Track der Jackson 5 anfangen, mit einer Zeit der Gemeinschaft, der Einheit und des brüderlichen Zusammenhalts. „Einer für alle, alle für einen“, wie Mutter immer sagte.

      Während ich dieses „Was wäre wenn“ immer wieder von Neuem in meinem Kopf durchspiele, kann ich mich der Überlegung nicht verschließen, dass wir die Dinge hätten anders handhaben sollen, ja sogar müssen, vor allem, was Michael betraf. Wir zogen uns viel zu sehr zurück, als er seinen Freiraum verlangte, und das ermöglichte es den Geiern, dieses Vakuum zu besetzen. Wir ließen Außenstehende hinein. Ich hätte mehr tun sollen. Mich mehr durchsetzen müssen, die Tore von Neverland aufbrechen, als mich die Leute um ihn herum nicht hereinlassen wollten. Ich hätte das alles kommen sehen und da sein müssen, um ihn zu beschützen. Jetzt scheint es mir, dass ich das Versprechen des brüderlichen Zusammenhalts nicht eingehalten habe, das früher zwischen uns bestand.

      Das Mobiltelefon klingelt. Es ist Mutter, und sie klingt ganz durchein­ander. „Michael ist im Krankenhaus … Wir sind hier bei ihm … Er ist ausgerutscht und gestürzt. Er hat sich am Rücken verletzt.“

      „Ich komme“, sage ich und bin schon aus der Tür.

      Mein Hotel liegt auf halber Strecke zwischen dem Gerichtsgebäude in Santa Monica und der Neverland-Ranch, und zum Krankenhaus ist es ebenfalls nicht weit. Ein Krankenhausangestellter lässt mich durch einen Seiteneingang hinein, damit es vorn an der Tür keinen Auflauf gibt.

      Auf der Station im zweiten Stock bemerke ich eine ungewöhnlich große Zahl von Schwestern und Patienten, die im Flur stehen, und bei meinem Eintreffen verstummt das aufgeregte Gerede sofort. Eine Phalanx von vertrauten Bodyguards in schwarzen Anzügen, die einem Präsidenten zur Ehre gereichen würde, bewacht die geschlossene Tür zu einem Privatzimmer. Die Männer treten beiseite, um mich durchzulassen.

      Drinnen sind die Vorhänge zugezogen.

      Im Dämmerlicht steht Michael in einer gemusterten blauen Schlafanzughose und schwarzer Jacke da. „Hi, Erms“, sagt er beinahe flüsternd.

      „Geht’s dir einigermaßen gut?“, frage ich.

      „Ich habe mir nur den Rücken verletzt.“ Er ringt sich ein Lächeln ab.

      Wie ich nun erfahre, ist er gestürzt, als er in Neverland aus der Dusche trat, und er hat heftige Schmerzen – es ist wie ein weiterer, letzter Nackenschlag in dieser Zeit, da ohnehin alle auf ihn einprügeln. Aber er ist doch ein Kinderschänder, oder nicht? Er verdient es doch nicht anders? Die Polizei muss doch irgendwelche Beweise gegen ihn haben, sonst stünde er doch nicht vor Gericht? Die Leute haben ja keine Ahnung, wie völlig hanebüchen dieser ganze Prozess ist.

      Außer mir sind nur Mutter und Joseph hier, sie sitzen rechts von mir an der Wand; genau wie ich wissen sie nicht, was sie tun können, außer da zu sein und Stärke zu vermitteln. Michael verzieht das Gesicht, weil ihm die Rippen und die untere Wirbelsäule wehtun, aber ich spüre: Der mentale Schmerz setzt ihm viel mehr zu.

      Während der letzten Woche habe ich mit angesehen, wie er körperlich geradezu auseinanderfällt. Er ist jetzt 46, aber sein gestählter Tänzerkörper ist gebrechlich geworden und wirkt, als wäre er geschrumpft, sein einst so federnder Gang ist heute nur noch ein schmerzvolles, zaghaftes Humpeln, und sein strahlendes Lächeln ist diesem gezwungenen Gesichtsausdruck gewichen; er sieht ausgemergelt und hager aus.

      Es ist schrecklich, was ihm diese ganze Situation antut; ich will, dass es aufhört. Ich möchte den Schrei ausstoßen, den mein Bruder nie in sich gehabt hat.

      Michael bleibt stehen und redet über die Zeugenaussage von gestern. „Sie muten mir all das zu, um mich fertigzumachen … um alle gegen mich einzunehmen. Das ist ihr Plan … es ist ein Plan“, sagt er.

      Unser Vater ist nie der Typ für tiefe Gefühlsbekundungen gewesen, und während Michael spricht, ist ihm anzumerken, dass er das Gespräch am liebsten schnell wieder auf andere Themen bringen würde, beispielsweise auf einen Auftritt in China.

      „Du hast kein gutes Gespür für den richtigen Augenblick, Joe“, tadelt ihn meine Mutter.

      „Wann wäre denn ein besserer Zeitpunkt als jetzt?“, fragt Joseph. So ist er. Sehr direkt. Für ihn ist diese Zeit, in der wir einmal nicht bei Gericht sitzen, ein kleines Fenster, in dem auch einmal über etwas anderes gesprochen werden kann als über den Prozess. „Das lenkt ihn doch zumindest ab“, sagt er.

      Michael überrascht das nicht, und es lenkt ihn auch nicht ab. Wie wir anderen ist auch er diese Haltung gewöhnt, und er weiß, dass das nun einmal Josephs Art ist. Ich interpretiere es als väterlichen Trick: Es hilft ihm dabei, nicht an die eigenen Ängste denken zu müssen, die ihm eine solche unkontrollierbare Situation zweifelsohne einflößt. Deswegen versucht er, sich auf die Zeit nach dem Prozess zu konzentrieren, wenn Michael wieder frei ist und auftreten kann. Er will daran erinnern, dass es ein Licht am Ende des Tunnels gibt. Aber das wirkt jetzt nicht wie eine willkommene Ablenkung, sondern erscheint einfach nur unpassend. Mein Bruder spricht deshalb auch einfach weiter. „Ich habe doch immer nur Gutes getan! Ich verstehe das nicht …“

      Ich weiß, was er denkt: Er hat nichts anderes getan, als Musik zu schaffen, um Menschen zu unterhalten und die Botschaft von Hoffnung, Liebe und Menschlichkeit zu verbreiten, um für ein verständnisvolles Miteinander zu werben, vor allem im Umgang mit Kindern. Und nun wirft man ihm vor, sich an einem Kind vergangen zu haben. Das ist, als wollte man den Weihnachtsmann anklagen, weil er sich über den Kamin unerlaubten Zutritt zu Kinderzimmern verschafft.

      Es gibt keinen einzigen stichhaltigen Beweis, der diesen Prozess rechtfertigt. Das FBI weiß das. Die Polizei weiß das. Die Leute bei Sony wissen das. (Diese unwiderlegbare Tatsache wurde 2009 in einer Presseerklärung des FBI bestätigt, in der nach dem Tod meines Bruders klar dargelegt wurde, dass es niemals genug Beweise gab, um auch nur einen der Vorwürfe zu untermauern, die man in sechzehn Jahren gegen ihn vorgebracht hat.) Die Behörden basteln sich 2005 einfach nur ein Konstrukt zusammen, das aus ihrer Sicht passt. Einen Gedanken in Worte fassen, daran glauben, ihn wahr werden lassen. In der Negativversion.

      Michael sieht vom Boden auf. Noch nie habe ich ihn so traurig dreinblicken sehen, aber ich merke, dass er jetzt einfach nur reden will. Bis dato hat er seinen Gefühlen in unserer Gegenwart kaum jemals freien Lauf gelassen. Er war sehr beherrscht und gefasst, sprach über seinen Glauben, dass er dem Urteil Gottes vertraue und nicht dem Urteil eines Richters. Aber seine Selbstbeherrschung hat jetzt Risse bekommen, die zweifelsohne durch die gestrige Zeugenaussage entstanden sind, und die Rückenverletzung verstärkt seine Frustration.

      Es wird allmählich

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