Vagos, Mongols und Outlaws. Kerrie Droban
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Vagos, Mongols und Outlaws - Kerrie Droban страница 4
Ich bemerkte eine attraktive Brünette. Sie hing in den Armen eines in schäbiges Leder gekleideten Bikers, der so aussah, als hätte man ihn gerade erst von der Müllkippe aufgesammelt. Er trug schwarze Jeans und kein T-Shirt, sondern nur die Kutte. Jeder Zentimeter seiner Arme war von Tattoos bedeckt, und auf den Schmerbauch hatte er sich ein Hakenkreuz in Grün stechen lassen. Ein grünes Stirnband bedeckte teilweise seinen Bürstenschnitt. Auf dem linken Arm erkannte ich die Zahl 22, die für „V“, den 22. Buchstaben des Alphabets, stand und gleichzeitig die Abkürzung für „Vagos“ war. Die Frau blickte zu mir rüber. In ihrem Gesicht konnte ich keine Anzeichen für den getriebenen und verzweifelten Ausdruck einer Süchtigen erkennen. Sie hatte rosige Wangen, eine wahre Mähne, gepflegte Zähne und weckte in mir den Impuls, als ihr Retter aufzutreten. Was machte sie bloß hier – mit diesem Typen?
„Das is’ Vinnys alte Dame“, verriet mir eine abgehalfterte Meth-Süchtige durch den Lärm der Musik hindurch. Im Vergleich mit dem Biker hätte der Kontrast zwischen ihm und der Schönen nicht größer sein können. Sie war eine Außenseiterin unter Außenseitern, auf eine merkwürdige Art von Vinny beschützt, der sie als sein Eigentum ansah. Kein Biker betatschte sie oder riss sie auf seinen Schoß. Bei der elfenhaften Tussi mit den blond gefärbten Haaren neben mir sah das anders aus. Sie flatterte wie eine Motte im Schatten und landete manchmal in den Armen der Vagos, die sie brutal von sich stießen. Ich schnippte mit dem Finger in Richtung der Bar-Mieze. Endlich hatte ich eine Möglichkeit gefunden, an die Biker heranzukommen – Frauen!
„Darf ich dir ein Bier spendieren?“
Mein Herz raste, als ich vor Vinnys Tisch stand. Er runzelte die Stirn, warf mir einen feindseligen Blick zu und ignorierte zuerst die eiskalte Bierflasche neben sich, von der Wasser perlte. Vinny ähnelte einem ausgewachsenen Bullen – stämmig, angespannt bis aufs Äußerste und bereit dazu, bei einem Schuss mit seinem Schädel die Abzäunung zu durchbrechen. Er war noch jung, vielleicht in den Dreißigern, doch seine Gesichtshaut ähnelte vom Wetter gegerbtem Leder. Der Typ wirkte verdammt hart. Ich versuchte die Spannung zwischen uns durch ein bisschen Schmeichelei aufzulockern, erzählte ihm, wie sehr ich die Vagos verehrte, besonders, nachdem mich einer der Biker im Knast verteidigt habe. Vinny kaufte mir die Lüge ab und spülte das Bier runter. Seine Freundin schien auch nichts gegen mich zu haben. Sie lächelte und stellte mir ihre am Tisch sitzenden Kumpels vor: Bandit, Cornfed, Spoon und Truck. Von Weitem erkannte man nur ein einziges Grün, das von den Aufnähern herrührte. Wir wechselten einige Worte, doch starrten uns meist nur an. Die Frau lächelte, und ich erwiderte ihre Freundlichkeit. Truck war ein solcher Fettkloß, dass er zwei Stühle für sich beanspruchte. Ich rang nach Worten, suchte nach irgendeinem Spruch, durch den ich mit den Typen ins Gespräch kommen konnte. Kurzfristig überkam mich ein Gefühl, als hinge ich hier mit lebensgroßen aufblasbaren Puppen ab.
Doch dann wurde das bedrückende Schweigen gebrochen. Vinny verzog das Gesicht und zeigte auf einen an der Bar sitzenden Gast. Er hatte sich die Buchstaben „IE“ (für Inland Empire, eine Beschreibung der Gegend von Riverside bis San Bernardino) groß auf den Nacken tätowieren lassen. Ganz klar ein Fremder und ein Mitglied einer anderen Gang! Vinnys Gesicht lief rot an. Er stand auf, ballte die Hand zur Faust und verpasste dem Typen einen Schlag direkt auf die Schläfe. Der verblüffte Mann fiel rückwärts, fasste sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an den Kopf, stolperte mit seiner Frau im Schlepptau so schnell wie möglich nach draußen und kletterte in seinen weißen Suburban. Das Quietschen der durchdrehenden Reifen jagte mir eine Höllenangst ein. Ich blickte nach draußen und hatte das Gefühl, alles spiele sich in Zeitlupe ab. Der Suburban pflügte regelrecht durch die Reihen der Vago-Maschinen und mähte dabei auch Vinnys Bike um.
Die Ständer der Motorräder kratzten über den Asphalt. Das Spiel begann. Und das war’s für mich – meine erste bedeutsame Nacht im Rahmen der Infiltration der Vagos war schon beendet, noch bevor sie richtig begonnen hatte. Als die Bikes mit lautem Krachen auf dem harten Asphalt aufschlugen, verschwanden die Vagos wie Kakerlaken aus der Bar und rannten dem weißen Wagen nach. Truck schnaufte bis zum Rand des Gehwegs und notierte sich das Kennzeichen. Schweiß lief an seinen Schläfen runter.
„Wir finden heraus, wo der wohnt!“ Er steckte sich den Zettel in die Brusttasche. Unbeeindruckt von der Präsenz einer Polizeistreife fluchte er: „Wir werden uns um das Geschäftliche kümmern!“ Instinktiv spürte ich, was das bedeutete. Die Vagos planten, den Mann aus der anderen Gang zu jagen, ihn an einen verlassene Ort zu zerren und ihm dort die Bedeutung des Wortes Respekt einzutrichtern. Nein, kein Austausch der Versicherungskarten oder eine harmlose Abreibung! Falls die Vagos ihr Opfer fänden, würden sie es zusammentreten, seinen Wagen demolieren, die Schweinwerfer einschlagen, die Türen eintreten, die Fenster in kleine Glassplitter verwandeln und den Motor auseinandernehmen. Und natürlich gäbe es weder ein „Opfer“ noch einen Polizeibericht oder eine Strafverfolgung. Die Angst vor der Rache der Clubmitglieder würde den Mann zum Schweigen bringen.
Später saß ich auf dem Rand meines Bettes. Hercules hatte den Kopf auf mein Knie gelegt. Ich telefonierte mit Kiles, doch wusste schon von vorneherein, dass es kaum Hoffnung gab, dass ihre Abteilung etwas gegen die bevorstehende Vergeltungsaktion unternehmen konnte. Das Schicksal des Mannes war besiegelt. Schon bald würde er ein menschliches Wrack sein, ein weiterer Namenloser in einem Krieg, bei dem alles erlaubt war. In dem Augenblick wurde mir klar, dass ich mehr unternehmen musste, als Kiles nur die Informationen zu stecken. Ich wollte etwas bewirken, mich in die Organisation der Vagos einschleichen, mich mit den Anführen gutstellen, ja, ein waschechter Vago werden.
Doch wie sollte ich das ohne ein Bike, ohne jeglichen Schutz und ohne Geld bewerkstelligen?
Nach dem Zwischenfall im Motherlode gab die hässliche, zwergenhafte Besitzerin der Gang Lokalverbot. Vinny trommelte die Biker dann im Hustler zusammen, einer Spelunke, 30 Meilen von meinem Apartment entfernt. Der Laden erinnerte an eine nasse, verschwitzte Höhle. Zigarettenqualm hing in der Luft. Die nur schemenhaft zu erkennenden Gesichter der Biker erinnerten an Gespenster, während sie über einigen Bieren ihre nächste Tour besprachen. Ihr Ziel lag darin, die Polizeiüberwachung ins Leere laufen und die Party ungestört in einer verlassenen Gegend steigen zu lassen. Doch die Besprechung wurde unterbrochen, und zwar von Terrible, einem Neo-Nazi, der ein tiefer gelegtes Bike fuhr und schon lange mit dem Victorville-Chapter der Vagos abhing. Terrible stellte die personifizierte Gewalt dar: Er wirkte hart und unnachgiebig, trug ein 22-Tattoo an seinem Hals, hatte Piercings an der Stirn und sich dort auch zwei hervorstehende Teufelshörner aus Metall implantieren lassen. Innerhalb einer Stunde kippte er fünf Biere und prahlte damit, wie sein Bruder Robbery einem Mann aus nächster Nähe ins Gesicht geschossen habe. Dieses Geständnis war einfach so aus ihm herausgesprudelt. Ich spürte das Klicken des Mini-Rekorders in meiner Unterhose. Nach Entfernen des Mikrofon-Schutzes hatte ich das Miniteil in der Unterhose über dem Schwanz verstaut. Durch die eng anliegende Unterwäsche blieb es fest an der Stelle. Ich konnte sicher sein, dass niemand die Apparatur dort entdecken würde, mal abgesehen davon, dass derjenige mir voll in den Schritt griff.
Durch Terrible lernte ich die erste Lektion in Sachen „Rückzahlungsbedingungen“: „So ein Typ schuldete ihm Kohle. Er pennte hinter dem Steuer ein, fuhr den Wagen zu Schrott und lag zwei Monate lang im Streckverband im Krankenhaus.“ Sein Lachen klang eher wie ein Würgen, als hätte er sich niemals in seinem Leben über etwas Lustigeres amüsiert. Ich nickte. Rückzahlungsbedingungen der besonderen Art. Terrible zuckte und wurde immer nervöser, brach die Erzählung kurz ab und stotterte dann weiter. Ihm schien nicht klar zu sein, dass er die Geschichte seines Bruders