Vagos, Mongols und Outlaws. Kerrie Droban

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Vagos, Mongols und Outlaws - Kerrie Droban

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an die Decke. Vor die Fenster gespannte Folie ließ nicht den winzigsten Sonnenstrahl in das Innere des Gebäudes. Es stank nach durchnässtem Mauerwerk und Bier. Von dem ganzen Drogennebel begannen meine Augen zu tränen. Mehrere AK-47, die legendären Sturmgewehre, standen neben der Tür, als gehörten sie zum Mobiliar. Pitbulls lagen auf dem Boden, und Fliegen krochen ihnen ins Ohr. Verklumpter Hundekot lag in Nähe der Drogen. Twist grunzte zur Begrüßung und steckte sich eine Glaspfeife an, die .380er-Pistole in seinem Gürtel.

      Ich lehnte mich gegen eine Wand, hörte das Klatschen von Haut auf Haut, genussvolles Lecken und kaum verständliches Geschnatter, das mich an eine seltene Vogelart erinnerte. Im Zwielicht warf Rhinos Körper einen langen Schatten. Er spielte gedankenverloren mit den Titten einer Frau, wobei das lange Messer aus seinem Gürtel hervorblitzte. Er sammelte Frauen wie andere Waffen. Seine Alte stand in einer Ecke und wirkte wie ein riesiger Dreckfleck. Einige spindeldürre Bräute mit eingefallenen Augen versuchten Rhinos Aufmerksamkeit zu erregen. Sie standen im Flur, im Schlafzimmer oder saßen auf der Couch oder auf dem Boden. Rhinos Freundin schien das überhaupt nicht zu beeindrucken. Wenn ich nicht noch mehr sinnlose Nächte mit dem Beobachten von benebelten Sex-Miezen verschwenden wollte, musste ich dringend etwas unternehmen.

      Ich machte dann den ersten Schritt, spürte dabei jede Nervenfaser. Die Angst steigerte meine Aufmerksamkeit.

      „Ich hab dich doch schon mal gesehen.“ Rhino nickte. Keiner reichte dem anderen die Hand. Hätte ich als x-beliebiger Abhänger das Gespräch mit einem Vollmitglied begonnen, wäre das mein erster Fehler gewesen.

      „Ich kriege das Bike in einem Monat, habe den Bock schon bezahlt“, versuchte ich eine Unterhaltung anzuleiern. Eine merkwürdige Stille machte sich zwischen uns breit. Rhinos blutunterlaufene Blicke durchdrangen mich. Während einiger quälend langer Sekunden zwinkerte keiner von uns.

      Und dann – als hätte ich einen imaginären Test bestanden – meinte er bloß: „Ich werde dich fördern.“

      Meine Zunge klebte am Gaumen. „Ich fühle mich geehrt.“ Das war’s. Ich war drin. Vielleicht wirkte ich in diesem Augenblick etwas zu aufgeregt oder erleichtert, denn Rhinos Gesicht verfinsterte sich wieder für einige Sekunden, und er riet mir mit tiefer Stimme: „Lass mich niemals wie ein dummes Arschloch dastehen.“

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      Terrible klärte mich später auf. Er hatte gehörte, dass „Vollidioten“, dazu zählten illoyale Prospects und angebliche Informanten, zusammengeschlagen und auf die Hochplateaus in der Wüste draußen gebracht worden waren, wo man ihnen den Mund mit Gaffa-Tape zuklebte und sie hinrichtete. Ich versprach ihm, nicht zu den Idioten zu gehören. Doch damit man offiziell Prospect wurde, musste der Club zuerst bei der nächsten Vollversammlung, dem Church-Meeting, abstimmen. Als Abhänger hatte ich schon Informationen über die Clubhierarchie der Vagos gesammelt, einige der Codes gelernt und wusste auch, wie eine Vollversammlung ablief. Hinter Gesetzen und der Clubsatzung verbargen die Vagos ihre kriminellen Aktivitäten und die perverse Interpretation biblischer Gebote. Die Vollversammlungen, bei denen nur Mitglieder anwesend sein durften, waren für sie wie Kirchgänge. Bei solchen Treffen kümmerten sie sich um „das Geschäftliche“.

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      An einem kühlen Sonntagabend hielt Psycho dann eine Versammlung in seinem in der Einfahrt geparkten Wohnmobil ab. Rhino, Spoon, Powder, Sonny und Chains verschwanden mit einigen Mitgliedern, um über mein Schicksal zu beratschlagen. Ich setzte mich an eine Bordsteinkante, ließ Kies durch die Finger rieseln und dachte über die letzte Woche nach. Bislang war nicht Nennenswertes passiert. Stunde um Stunde voller Langeweile, Bier, Billard, sinnlose Scherze hatten sich aneinandergereiht. Ich wartete auf eine Chance, eine Begegnung, um die Ermittlung voranzutreiben. Und nun war da plötzlich Terrible, ein waschechter Schwerverbrecher, der mir augenblicklich den Hals umdrehen würde, wüsste er von meiner wahren Identität.

      Die Tür des Wohnmobils flog mit einem lauten Knall auf. Ich erkannte Psycho, der von der nackten Glühbirne im Wagen angestrahlt wurde und einen langen Schatten warf. Er winkte mich herein. Drinnen roch es nach Plastik und abgestandenem Qualm. Der riesige Campingwagen, sicherlich mehrere hunderttausend Dollar wert, diente ihm als Symbol für seinen Erfolg in der Welt der Drogen. Solche Kisten bedeuteten Macht! Aber mittlerweile kannte ich seinen gehetzten und gejagten Gesichtsausdruck. Die Paranoia im Dunkel der Nacht machte aus ihm einen übervorsichtigen, ruhelosen und emotional leeren Menschen.

      Einige Mitglieder mit grünen Kopftüchern und verdreckten Kutten saßen in einem Halbkreis vor mir. Das waren roboterartige Soldaten, hervorragend ausgebildet, bewaffnet und ohne jegliche Gefühle.

      „Du willst also Prospect werden?“ Psycho verschränkte die Arme vor der Brust und wirkte eher wie ein Sergeant bei den Marines als ein Krimineller. Die Atmosphäre war zum Zerreißen gespannt. Von draußen hörte ich das Zirpen der Grillen.

      „Ich könnte mir nichts Besseres vorstellen.“ Mein Herz hämmerte in der Brust.

      „Du weißt, was das bedeutet?“ Bevor ich antworten konnte, lehnte er sich zu mir herüber und flüsterte: „Du wirst ein Sklave sein, für die Vagos 24 Stunden am Tag erreichbar. Man kann alles von dir verlangen.“ Der Ton seiner Stimme ließ erkennen, dass er damit auch „Geschäftliches“ meinte – Selbstaufopferung, Gefängnis, sogar den Tod im Dienste des Clubs eingeschlossen.

      „Und wenn ich eines Tages denke, dass ich dich nicht leiden kann, könnte ich dir den Befehl erteilen, dich auf der Straße umfahren zu lassen.“

      Ich nickte, wusste ganz genau, was Psycho meinte. Ich hatte schon im Zusammenhang mit anderen Chaptern Gerüchte über Entführungen und Folter gehört.

      „Und wenn wir in den Krieg ziehen müssen“ – er legte eine dramatische Pause ein –, „dann wird von dir erwartet, dass du kämpfst, dass du tötest!“ Ich sagte nichts, doch mir wurde verdammt mulmig.

      Psycho überreichte mir den Bottom Rocker. „Kauf dir eine Kutte und näh ihn dir dran.“

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      Als ich einige Stunden später in die Slapshot Bar fuhr, konnte ich das Lenkrad des Wagens kaum halten, so sehr zitterten meine Hände. Spoon und einige Biker wollten dem neuen Prospect einige „Ratschläge“ geben. Mir kam das alles recht seltsam vor. Kaum vier Monate war ich dabei, und schon wurde ich aufgenommen – ohne weitere Fragen. Ich fühlte mich, als hätte ich meine Jungfräulichkeit verloren: Ich besaß weder ein Bike noch eine Kutte, aber trotzdem hatten sie mich in ihren Kreis aufgenommen. Niemand bat mich um eine Art Bewerbung – gleich welcher Art –, und niemand überprüfte meine kriminelle Vorgeschichte. Im Gegensatz zu Undercover-Agenten, die sich eine falsche Identität zulegen mussten, einschließlich angeblicher Verhaftungen, gefälschter Konten, eines Eintrags in das Kraftfahrzeugregister unter dem neuen Namen und einer Auflistung der bisherigen Jobs, hätte ich mit einem echten Strafregister aufwarten können. Und nun spielte gerade ich einen „Kriminellen“.

      Spoon bestellte ein Bier und strich sich über den langen Ziegenbart, der ihm bis auf die Wampe reichte. Die Matte schwarzen Haars hing bis auf seine Schultern. Ein Kopftuch verdeckte seine Halbglatze. Im gedämpften Grün des Lichts rezitierte Spoon den Prospect-Song, den ich wiederholen musste:

      I’m a Vago prospect, it’s plain to see.

      I wish they’d hurry up and give me my patch

      So everyone will quit fucking with me.

      Er überreichte mir ein Notizbuch

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